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An, Ein, Aussichten von Dennis Ihle – Gutes Fleisch von glücklichen Tieren

Wie bin ich eigentlich in diesem Kuhstall gelandet und das als Stadtmensch? Ich muss bekennen: Ein wenig mulmig ist mir schon, so auf Tuchfühlung mit dem gehörnten Rindvieh. Aber ich will endlich einmal wissen, was dran ist an den Geschichten über regionale Aufzucht und artgerechte Haltung für einfach besseres Fleisch.


Walter Stemberg weiß genau, wo die Produkte herkommen, die sein Sohn, der Sternekoch Sascha, im Haus Stemberg verarbeitet und den Gästen serviert. Bei Quentin Rehra auf dem LandGut Düssel in Solingen stellt er Dennis Ihle wirklich zufriedene Kühe vor.

 

Seine Mutter war schon ein Fernsehstar, erzählt der Chef lächelnd, und auch das kleine Bullenkalb hat durchaus das Zeug zum Fotomodell, selbst wenn Bauer Quentin Rehra den Wagyu-Nachwuchs erst einmal liebevoll davon überzeugen muss, zwischen mir und Walter Stemberg nach vorne in die Kamera zu gucken. Eigentlich wäre der kleine Kerl viel lieber im gemütlichen, dick mit Stroh ausgelegten Laufstall bei der Mutter und den Artgenossen, denen es ganz offenbar hier wirklich richtig gut geht. Quentin Rehras Hof, das LandGut Düssel, ist auf artgerechte Haltung des Rindviehs spezialisiert. Wie Kuh und Kalb hier in Solingen leben, hat schon Fernsehteams für Dokus angelockt. Zu den idealen Lebensbedingungen für die Tiere gehören viel Auslauf auf den Weiden und in der kalten Jahreszeit die großen Laufställe. Damit erfüllt Quentin Rehra alle tierischen Bedürfnisse, Sentimentalität mit niedlichen Namen, lerne ich, gehört nicht dazu. „Das ist ein Kalb von der Nummer 14“, sagt der Bauer und schiebt den erleichterten Baby-Bullen wieder zu seiner Gruppe zurück. Runde drei Jahre darf der Namenlose nun sein Leben genießen, in Ruhe aufwachsen, auf bergischen Weiden grasen und dabei gedeihen. Dann hat er seine Bestimmung erfüllt, denn Quentin Rehra, zusätzlich Tierarzt in der Pferdeklinik Meerbusch, züchtet die Rinder ganz klar zur Fleischproduktion.

Der besonderen Wagyu-Rasse mit ihrer gefragten Fleisch-Qualität widmet sich der Landwirt seit zehn Jahren. Da holte er als einer der ersten in Deutschland Embryonen und setzte sie in Ammenkühe ein, inzwischen freut er sich über konstante Ergebnisse aus einem Stamm von 50 Mutterkühen. Konstante Ergebnisse meint die hohe Fleischqualität, die er für den heimischen Markt etwas magerer präsentiert, als es das original Kobe-Rind aus Japan mitbringt.

 

Namenlos, aber für Streicheleinheiten empfänglich: Landwirt Quentin Rehra stellt Walter Stemberg und Dennis Ihle ein Bullenkalb vor

 

Genau diese Qualität und die Herkunft aus artgerechter Haltung schätzt man im Haus Stemberg in Velbert. Und das aus bester eigener landwirtschaftlicher Tradition, erzählt Senior-Chef Walter Stemberg, der mich auf meiner Entdeckungsreise zu den Ursprüngen wirklich guten Fleischs begleitet. Denn schließlich begann das heutige Sterne-Restaurant 1864, vor fünf Generationen, als Schmiede mit Gastwirtschaft und Bauernhof. Auch wenn die Familie heute keine Landwirtschaft mehr betreibt, bleibt sie den Grundsätzen artgerechter Tierhaltung treu. Am liebsten nachhaltig auf kurzen Wegen direkt aus der Region, weil die Qualität dann nicht leidet. Und da sind die Stembergs auf der Suche nach gleichgesinnten Partnern doppelt fündig geworden: Beim Bauern Quentin Rehra und beim Fleischer Marc Sonnenschein, der in seinem angestammten Fachgeschäft in Wuppertal Rind, Schweine- und Geflügelfleisch lokaler Herkunft im Angebot hat.

 

Marc Sonnenschein serviert gerne Kostproben seiner Waren, die er ausschließlich aus lokalem Fleisch herstellt

 

„Wir sind ein Super-Dreigestirn“, hat Quentin Rehra versprochen, und so machen wir uns auf den Weg nach Katernberg, wo Marc Sonnenschein die „Kultur feinster Fleisch & Wurstwaren“ pflegt, wie der Untertitel seines Geschäftes verspricht. Das ist zwar klein, wurde aber schon vom „Feinschmecker“ zu einer der besten Fleischereien Deutschlands ernannt. Ich darf also gespannt sein, und werde auch hier nicht enttäuscht. Marc Sonnenschein, der in der dritten Generation den Laden führt und ganz neu aufgestellt hat, und Walter Stemberg weihen mich hier in manche Geheimnisse und Ergebnisse wirklich guter Fleischprodukte ein. Dazu gehört neben nachvollziehbarer regionaler Herkunft und artgerechter Haltung, die die Tiere lange genug wachsen lässt, dann natürlich das handwerkliche Know-how bei der Verarbeitung. Das Ergebnis ist für Walter Stemberg ganz klar erkennbar: „Wenn Du so ein Stück Fleisch von 300 Gramm zum Braten in die Pfanne legst, kommen anschließend 280 Gramm auf den Teller. Wenn Du Billig-Fleisch nimmst, bleibt vielleicht die Hälfte. Der Rest ist Wasser,“ lerne ich, warum es im Endeffekt gar nicht teurer ist, ein wenig mehr Geld für beste Qualität auf den Tisch zu legen.

 

Als Sternekoch legt Sascha Stemberg größten Wert auf beste Fleischqualität aus artgerechter Haltung. Damit steht er in der Tradition der Familie, die ursprünglich neben Gasthof und Schmiede lange Landwirtschaft betrieben hat.

 

Im Haus Stemberg in Velbert gehört das zu den absoluten Selbstverständlichkeiten der Sterneküche, die Sascha Stemberg als nun fünfter Inhaber und gleichzeitig Küchenchef betreibt. Neben der perfekten Qualität, die bei Stemberg immer auf den Teller gehört, geht es der Familie auch um Ethik. „Wenn die Tiere vernünftig aufgewachsen sind und gehalten wurden, hatten sie ein gutes Leben und mussten nicht leiden“, erklärt mir Walter Stemberg den Anspruch aus echter Landwirts-Tradition. Ein Punkt, erzählt er, den auch die Gäste im Sterne-Restaurant zu schätzen wissen: „Viele essen woanders nur noch vegetarisch. Weil wir dafür stehen, dass die Tiere artgerecht behandelt wurden, trauen sie sich bei uns auch wieder an Fleischgerichte heran.“ Dazu gehört Vertrauen, lächelt Stemberg. Und wer es zudem selbst lieber mit eigenen Augen sehen will, der kann sich vor Ort ein Bild machen. Im Kuhstall beim Bauern Quentin Rehra oder in der Fleischerei bei Marc Sonnenschein. Für mich jedenfalls ein spannender Blick hinter die Kulissen. Gewonnen habe ich ganz klar diese Einsicht: Wenn die Tiere artgerecht und glücklich gelebt haben, kann mir das Fleisch getrost auf der Zunge zergehen lassen. Und schließlich muss es auch nicht jeden Tag Fleisch auf dem Teller sein. Aber wenn, dann soll die Qualität stimmen.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr