Seit Januar steht Bernd Jung an der Spitze der Sparkasse Essen. Für den gebürtigen Hessen, der bis Ende 2023 Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Südpfalz war, ist Essen ein Neuanfang im Vertrauten. Wie blickt der Sparkassen-Chef auf Essen? Wie steht er zum Neuen an sich? Welche Werte leiten ihn? Und warum gehört seine Leidenschaft der Musik? Wir haben Bernd Jung an drei Orten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, getroffen: für den Weitblick in der Sparkasse über den Dächern der Stadt, für die Bodenhaftung auf einem Kartoffelfeld bei Haarzopf und für seine Musikbegeisterung in der Philharmonie.
Bernd Jung ist einer, der das Neue nicht scheut. „Ich liebe Neues, ich liebe Veränderung“, sagt der 56-Jährige. Den Blick immer zuerst auf das Positive einer Veränderung zu richten, fällt ihm nicht schwer. Seine Haltung passt zum Ton der Zeit: „Jede Veränderung ist die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln.“ So versteht Jung auch seinen Wechsel von der Sparkasse Südpfalz zur Sparkasse Essen. Es ist ein Start in einer neuen Region mit Herausforderungen, denen sich Jung gerne und mit begründetem Optimismus stellt: „Ich habe eine tolle Mannschaft. Die Kolleginnen und Kollegen brennen für die Sparkassen-Idee. Das Haus ist gut organisiert und Essen bietet uns noch genügend Wachstumspotenzial.“
Im Gespräch ist Jung schnell anzumerken, dass er nach einem halben Jahr schon Essen-Fan ist. „Essen ist ein starker innovativer Wirtschaftsstandort, eine Stadt mit hohem Potenzial. Kunst, Kultur, Natur – all das vermutet man hier nicht. Folkwang, die Philharmonie, Theater, Kabarett, die Villa Hügel, der Baldeneysee. Man muss aus Essen nicht raus, um sich wohlzufühlen“, schwärmt er. Auch die Mentalität der Menschen liegt ihm. „Die Essener Gesellschaft hat mich warmherzig und offen empfangen. Es macht mir große Freude, mich neu zu vernetzen“, erzählt Jung.
Jung ist bekennender Netzwerker, er will Menschen und Ideen zusammenzubringen. Sein Kontaktbuch mit über 1.000 Adressen macht es ihm leicht, zu verbinden. Manche sagten über ihn, er sei ein Menschenfänger. Er selbst nennt sich lieber „Charakterkopf mit Eigenheiten“. Eigen sei er im Umgang mit Zeit. Jung will sie nicht verschwenden. Er setzt auf Klarheit in der Sache und Effizienz. Jung geht voran. Dabei hilft ihm, dass er komplexe Sachverhalte schnell durchdringen und durchdenken kann. In seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender sieht er eine seiner wichtigsten Aufgaben darin, Impulse zu setzen und Chancen, die sich bieten, zu nutzen. Dabei gilt für ihn immer: „Erst die Chancen, dann die Risiken.“ Die großen Ideen, die funktionieren können, sind sein Thema. Für die Sparkasse hat Jung im Moment zwei zukunftsrelevante Entwicklungen im Blick: künstliche Intelligenz und Agilität. „Agilität um ihrer selbst willen“, betont er. „Damit die Menschen die Veränderungsgeschwindigkeit unserer Zeit besser einordnen und damit umgehen können.“
Bei allem Neuen vertraut Bernd Jung auf die bewährte Sparkassen-Philosophie, die er bereits in seiner Ausbildung Ende der 1980er-Jahre bei der Nassauischen Sparkasse verinnerlicht hat. „Wir begleiten die Kunden von der Wiege bis zur Bahre, also das ganze Leben lang. Zudem sind Sparkassen in besonderer Weise mit der Region, in der sie arbeiten, verbunden. Wir fördern ein gutes Leben aller Menschen in Essen. Das ist unser gemeinwohlorientierter Auftrag und dieser unterscheidet uns von allen anderen Banken. Zusammenhalt und ein gutes Miteinander werden bei uns in der Sparkassen-Familie großgeschrieben. Für uns steht nicht die maximale Rendite im Mittelpunkt, sondern wie gut wir unsere Kunden begleiten und wie zufrieden sie mit unserer Dienstleistung sind“, erklärt er. Nichts treibt Jung mehr an als zufriedene Kunden. „Es gibt nichts Schöneres, als Menschen in ihren Vorhaben zu unterstützen, sie weiterzubringen und das Gelingen ihrer Pläne zu erleben. Daraus entstehen Beziehungen, die ein Leben lang halten. Das macht unseren Job aus.“ Deshalb versteht sich der Vorstandsvorsitzende auch als erster Kundenbetreuer der Sparkasse. „Meine Kolleginnen und Kollegen können mich immer buchen, um zum Kunden mitzugehen“, betont Jung. Bis Ende Juni hatte er mehr als 40 Termine dieser Art in seinem ohnehin gut gefüllten Kalender.
Als die Idee aufkam, Jung auf einem Kartoffelfeld in der Nähe von Haarzopf zu fotografieren, war er sofort dabei. „Das ist für mich ein sehr vertrautes Bild. Als Kind habe ich immer wieder meiner Mutter bei der Kartoffelernte geholfen.“ Bodenhaftung, Bodenständigkeit, Herkunft und Wurzeln haben für ihn eine eigene Qualität. „Man sollte nie seine Herkunft vergessen“, sagt Jung. Er sei in einfachen Verhältnissen groß geworden. Bis heute sind sie ihm ein starkes Fundament.
„Ich bin mit den zehn Geboten aufgewachsen. Damit kann man gut in der Gemeinschaft leben“, sagt Jung. Einer der wichtigsten Werte ist für ihn Menschlichkeit. Ebenso zählen für ihn im Privaten wie im Beruflichen Wertschätzung, Verlässlichkeit, Zusammenhalt, Vertrauen und Mut zur Veränderung. Sein großes Werte-Vorbild sei seine Mutter, besonders im Hinblick auf ihre Menschlichkeit. „Meine Mutter hatte ein großes Herz. Sie hat in unserem Ort immer und überall geholfen. Ich kenne keinen, der jemals schlecht über sie geredet hat“, erinnert sich Jung. Neben einem klaren Werteverständnis hat ihm seine Familie auch die Leidenschaft zur Musik mitgegeben. „Bei uns zu Hause wurde zu jeder Gelegenheit gesungen“, sagt er. Mit 15 nahm ihn sein Bruder mit in den Musikverein im Heimatort. Außerdem glänzte er mit sehr guten Noten im Fach Musik. Immer wieder hörte Jung: „Du hast eine tolle Stimme. Mach was daraus.“ Er nahm Gesangsunterricht in Wiesbaden und trat dort im Gospelchor auf. Seine Gesangslehrerin legte ihm ans Herz, Musik zu studieren. Doch Jung entschied sich dagegen. Bis heute ist die Musik seine Leidenschaft und sein größtes Hobby geblieben. Er singt und spielt mehrere Instrumente. Dazu gehört unter anderem das Alphorn, zu dem er immer noch einmal im Jahr einen Fortbildungskurs besucht. In Essen hat sich schnell herumgesprochen, dass Jung musikbegeistert ist. Seinen ersten musikalischen Auftritt hatte er spontan bei einer Kundenveranstaltung der Sparkasse – an der Seite von Sänger Rolf Stahlhofen. Auch beim Fotoshooting in der Philharmonie fängt er plötzlich an zu singen. „Um die Akustik des Alfried Krupp Saals zu testen. In Kirchen mache ich das oft. Das sind Gänsehaut-Momente“, sagt Jung.
Die Philharmonie gehört zu seinen Lieblingsplätzen in Essen. „Wegen der Musik auf höchstem Niveau und in Klangperfektion, ein exzellentes Hörerlebnis.“ Zahlenmensch und Feingeist? Ein Sparkassenvorstand mit Gesangsausbildung? Für Jung ist dies kein Widerspruch. In der Musik findet er Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. „Wenn ich singe, ein Instrument spiele oder Musik höre, genieße ich den besonderen Moment“, sagt er.
Beim Fotoshooting auf der Bühne der Philharmonie fühlt sich Bernd Jung alles andere als fremd. In der Tat hat er als Vorstandsvorsitzender eine ähnliche Funktion wie der Dirigent eines Orchesters. Die Frage, was einen guten Dirigenten und ein gutes Orchester für ihn ausmachen, zwingt sich auf. Und auch davon hat Jung schnell eine Idee: „In einem guten Orchester bringen alle Musiker ihre jeweiligen Kompetenzen und Talente ein, sie passen gut aufeinander auf, man freut sich am Erfolg des anderen und hält den Familiengedanken hoch. Einem guten Dirigenten gelingt es, unterschiedliche Register mit all ihren Eigen- und Feinheiten in einen harmonischen Klang zu bringen und dabei das Publikum mitzunehmen. Immer unter der Prämisse, dass er weiß, was er rüberbringen will.“ Fertig sei man mit dieser Aufgabe nie, lacht Jung. Es bleibt alles beim Neuen.