Dass mein Leben einmal in den Farben Blau und Weiß erstrahlen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Aber Fortuna sah das anders und schickte mich auf den rechten Weg. Vor 18 Jahren betrat ich erstmals das Ruhrstadion – die Liebe zündete aber viele Jahre später. Scheinbar übersah ich vorher alle Zeichen, denn der VfL Bochum tut uns als Familie gut. Zusammen sahen wir am 12.02.2022 den furiosen Sieg über die Bayern – neben uns unser Kleiner, der das alles nicht mehr fassen konnte. Eine Geschichte von Zufällen, vielen Tränen, einem stromlosen Stadion und einer Leidenschaft, die bleiben wird.
Mein Name ist Dagmar Lühn und ich wurde vor über 18 Jahren zu einem Leben in BlauWeiß „verdonnert“. Und nein, ich bin keine Fußballbraut. Doch mein Mann Michael ist seit 1990 bekennender VfL BochumFan und dieses Detail war mit das erste, das ich von ihm erfuhr, als wir uns im November 2003 kennenlernten. Ich sollte mein Leben mit einem Fußballspieler und fan verbringen? Das war nicht mein Plan vom Leben. Im Gegenteil. Mit zu BezirksligaSpielen fahren als „BezirksligaSpielerfrau“ und ihn dann auch noch ab und zu ins Stadion begleiten? Neeee. Doch weit gefehlt. Mein erstes Weihnachtsgeschenk an Michael waren Karten für das Heimspiel des VfL Bochum gegen den FC Bayern München am 14.02.2004. Unser erster Valentinstag. Im Fußballstadion. Gratulation. Der VfL siegte mit 1:0 gegen die Bayern. Ein Highlight für meinen jetzigen Mann und für mich einfach nur Erleichterung, dass mein Weihnachtsgeschenk super angekommen war – und die Erkenntnis, dass es wohl keine romantischen Valentinstage bei uns geben wird. Wie besonders jedoch dieser Sieg sein sollte, erfuhr ich erst viel später. Genau genommen fast auf den Tag 18 Jahre später. Denn am 12.02.2022 spielte Bochum wieder gegen die Bayern, und wir hatten das Glück, Tickets für uns drei zu bekommen. Unser siebenjähriger Sohn Lukas ist natürlich ebenfalls Fan des VfL und sein größter Wunsch war es, das Spiel gegen die Mannschaft aus München zu sehen.
Lukas fuhr mit der Annahme nach Bochum, dass der VfL sehr wahrscheinlich verlieren würde. Das Hinspiel hatten die Bayern 7:0 gewonnen. Er tippte auf eine 0:5 Niederlage und war gefasst. Trotzdem war der Tag für ihn von Anfang an emotional. Der BayernBus. Die aufgeregte Stimmung vor diesem absoluten Topspiel. Alle großen BayernStars einmal live sehen … Und ich wusste, dass ich diesen Glanz in seinen Augen vor SEINEM absoluten Highlight genau einmal erleben werde. Als er Sané und Lewandowski beim Warmup sah, fragte er mich, ob das tatsächlich die Echten seien. Lewandowski bewundert er als Spieler, immerhin einer der besten der Welt. Und Sané findet er einfach total „cool“. Aber was noch alles auf Lukas warten würde, das ahnte mein kleiner Mann ganz und gar nicht … Vor Spielbeginn fiel der Strom im gesamten Bochumer Stadtteil Grumme aus – so auch im Ruhrstadion … Keine Hymnen, kein „Bochum“ von Grönemeyer. Keine Würstchen oder Getränke. Ein kurioser Start in das ersehnte Spiel.
Lewandowski schoss die Bayern erwartungsgemäß in Führung. Doch die währte nicht lange, denn Christopher AntwiAdjei zog schnell nach: Ausgleich! Die Bochumer standen Kopf. Die Fans starrten sich fast ungläubig an. Und AntwiAdjei war der Held der BlauWeißen. Zumindest würde man so nicht zu Null verlieren … Aber, was dann passierte, hätte kein Autor einer Seifenoper schöner schreiben können: Die Elf der Bochumer drehte richtig auf. War giftig. Schnell und flink. Und die Bayern schienen nur noch überfordert. In nur sechs Minuten schossen die Bochumer drei Tore: Jürgen Locadia das 2:1 (Elfmeter). Cristian Gamboa erzielte nach Tunneln von Kingsley Coman ein echtes Traumtor (er wurde damit auch zum Tor des Monats nominiert): 3:1. Das 4:1 legte Gerrit Holtmann nach. Die BochumFans konnten nicht verarbeiten, was da auf dem Platz passierte! 4:1 nach Ende der 1. Halbzeit!!! Damit hatte nun wirklich niemand gerechnet – schon gar nicht mein Sohn Lukas, der vor lauter Schreien, Jubeln und Weinen überhaupt nicht mehr klarkam. Das erste Mal in seinem Leben zeigte er Freudentränen und grölte nur noch fassungslos „Oh, mein Gott! Oh, mein Gott! Schau, wie gut die Bochumer sind!“. So hatten wir ihn noch nie erlebt! Wie süß ihn alle fanden in seinem BochumDelirium! Wäre nicht Corona gewesen, wir hätten uns mit allen Fremden in den Armen gelegen! Was ein Feuerwerk hatte der kleine VfL da gegen den übermächtigen FC Bayern gezündet! Ein Spiel, das so schnell niemand vergessen wird.
Der Stromausfall war behoben, sodass in der HalbzeitPause endlich „Bochum“ erklingen konnte. Was ein emotionaler Moment! „Machst mit dem Doppelpass jeden Gegner nass. Du und dein VfL“ heißt es in der letzten Strophe. Heiser wurden diese epischen Zeilen mitgesungen. Und der FC Bayern hatte gleich einen ganzen Kübel Wasser über den Kopf gegossen bekommen! Die zweite Halbzeit begann nicht minder spannend, denn Bochum schoss in kürzester Zeit noch zwei Tore – beide allerdings Abseits. Leider. Aber die Spieler zeigten, dass sie immer noch heiß sind. Die Bayern kamen etwas besser ins Spiel. Robert Lewandowski schoss dann das 4:2 – dabei blieb es aber. Was ein Jubel! Was eine Freude! Fußballdeutschland feierte den VfL. Mein Sohn Lukas war selig. Und er gab sogar noch zusammen mit Vater Michael ein Interview für den TVSender „Sky“. Zudem gingen seine Freudevideos viral, sodass er ein paar Tage später dann noch mit RTL West beim VfL Bochum drehen durfte. Im heiligen Stadion, ganz ohne Zuschauer. Noch ein Traumtag für meinen kleinen großen Fußballfan, der sogar noch ein paar Bochumer Fußballer kennenlernte, wie Cristian Gamboa, der in Lukas Augen auch das schönste Tor des Bayernspiels schoss. Er wird wohl ein Leben lang Fan des VfL bleiben. Genau wie mein Mann und mittlerweile auch ich. Der Verein und der Spirit haben mich gecatcht. Ein Leben lang BlauWeiß.