Motorwelt

Tim Zimmermann

Die wenigsten von uns können wohl behaupten, dass ihre Karriere im Urlaub begonnen hat. Tim Zimmermann gehört dazu. Denn im Urlaub auf Mallorca hat der heute 24-Jährige den ersten und gleichzeitig wegweisensten Sieg seines Rennfahrerdaseins eingefahren – gegen seinen eigenen Vater. Der forderte als Hobby-Rennfahrer den eigenen Sohn heraus – und landete beim Wettrennen in mallorquinischen Leih-Karts als 2. Sieger im Ziel. Damals war Tim acht Jahre jung – und der Grundstein für seinen beruflichen Plan A, die Racing-Karriere, gelegt. Inzwischen startet er in einem Lamborghini Huracán bei den ADAC GT Masters durch.


Ohne Präzision kein Erfolg. Eine Maxime, die der Rennfahrer und sein Hauptsponsor aus der Automatisierungsbranche teilen.

 

Doch genug der Schwelgerei in Kindheitserinnerungen. Wir machen’s wie Tim und drücken bei der Karrierenachzeichnung etwas aufs Gaspedal, überspringen sieben erfolgreiche Kart-Jahre, zwei Jahre Formel 4 sowie jeweils zwei Saisons TCR Germany (einmal Golf GTI, einmal Audi RS3) und Porsche Carrera Cup. Damit wären wir im Jahr 2020 angekommen. Ein Jahr, das für Tim Zimmermann nicht besser hätte anfangen können. Denn er unterschrieb beim österreichischen Grasser Racing Team einen Vertrag, der ihm die Tür eines Lamborghini Huracán GT Evo öffnete und einen Platz in der wohl engsten und am härtesten umkämpften Motorsportmeisterschaft der Welt sicherte: Tim Zimmermann war bei den ADAC GT Masters angekommen.

Einen Golf mit 20 Jahren zu fahren und einen Audi mit 21 – das ist soweit noch nicht ungewöhnlich. Bei einem Porsche Carrera und vor allem beim Huracán streiken dann jedoch die meisten Portemonnaies, nicht nur bei den 23- und 24-Jährigen. Wie verhält es sich da bei den Nicht-Motorsportlern mit Anerkennung und Missgunst? „Im Grunde ist alles sehr entspannt. Natürlich gibt es hier und da Neider, aber die gibt es wohl überall dort, wo es Erfolg gibt“, befindet Zimmermann. „Man muss aber eben auch aufzeigen, dass dieser Erfolg nicht vom Himmel fällt. Ich habe mich für den Racing-Sport entschieden. Das ist eine Lebensentscheidung. Ich ordne alles dem Sport unter.

Ohne diese Einstellung hätte es die sportliche Entwicklung vom Kart zum Lamborghini nicht gegeben – und eben auch nicht die finanzielle Unterstützung, auf die ich ebenso angewiesen bin. Denn machen wir uns nichts vor: Motorsport ist eine der teuersten Sportarten, die man ausüben kann.“ Vor allem, wenn man den Sport wie Tim Zimmermann als Selbstständiger betreibt. Ohne Sponsoren geht da nichts. „Ich bin daher meinen Sponsoren, insbesondere aber meinem Hauptsponsor mehr als dankbar, dass sie es mir seit nunmehr sieben Jahren ermöglichen, meinen Traum zu leben.“

 

Tim Zimmermann im Huracán – und in seinem Element. Hier auf dem Lausitzring.

 

Was dem Fußballer die Brust des Trikots, sind dem Rennfahrer Helm, Handschuh, Schulter, Brust, Schuh – und natürlich das Arbeitsgerät, in diesem Fall der Lamborghini Huracán: Überall dort prangt gut sichtbar das orangefarbene runde Logo des global tätigen Anbieters von industriellen Automatisierungslösungen mit Hauptsitzen in Essen und am Bodensee. Das Unternehmen ist wohl eher den Hidden Champions zuzuordnen. Fördern tut es mit Tim Zimmermann aber einen spätestens seit der vergangenen Saison sehr gut sichtbaren Junior-Champion.

Was uns zurückbringt zur Saison 2020. Dieser drohte der Abbruch, noch bevor sie begonnen hatte. Die Pandemie legte auch den Motorsport still. Erst am 1. August startet die Saison. Es sollte eine Saison sein, in der Tim Zimmermann gemeinsam mit seinem Cockpit-Kompagnon Steijn Schothorst Ausrufezeichen setzen und am Ende ein Herzschlagfinale erleben sollte. „Die Saison hatte für uns beide – und ganz speziell für mich – alles zu bieten, was den Rennsport ausmacht.“ Gleich auf zwei Strecken traf das Duo im Qualifying die Ideallinie am besten. Alle Sektoren grün. Bestzeit, Pole-Position. „Das war schon ein richtig geiles Gefühl, gleich in der ersten Saison alle Etablierten hinter dir zu lassen. Und das in so einer starken Serie.“ Speziell für Tim Zimmermann lief es punktemäßig so gut, dass er sich berechtigte Hoffnungen auf die Auszeichnung als bester Nachwuchsfahrer machen konnte. Doch bis zum letzten Rennen der Saison in Oschersleben saß ihm sein ärgster Verfolger, Jannes Fittje, dicht im Nacken. Es kam, wie es kommen musste: Start – Startunfall – Ausfall Zimmermann. Fittje fuhr. „Das ganze Team hat mit mir gebangt, gehofft – und am Ende gejubelt.“ Zwar sah Fittje die Zielflagge, doch Tim Zimmermann hatte am Ende mit 1,5 Punkten die Nase in der Juniorenwertung hauchdünn vorn. Besser hätte es sich auch Hollywood nicht ausdenken können.

 

Zieldurchfahrt: Belohnung für erfolgreiche, körperliche und mentale Schwerstarbeit

 

„Ein Wahnsinnsgefühl, eine Wahnsinns-Saison“, so das Fazit des besten Rookies von 2020, der damit auch 2021 einen weiteren Schritt nach oben machen konnte: In nunmehr vier Meisterschaften tritt er mit seinem Huracán an. Rund um den Globus peitscht er dafür den Mittelmotor-Stier um die Kurven legendärer Asphaltkurse, darunter Daytona, Monza oder Sebring. Sein Ziel: Immer so nah wie möglich an der Ideallinie, immer nah an der Perfektion. Denn Perfektion bringt Erfolg. Und Erfolg ist die Basis für Plan A. Scheint, als geht dieser Plan immer weiter auf.

 

Am Sieg geschnuppert: Im österreichischen Spielberg holte Tim Zimmermann die Pole-Position und fuhr im Rennen auf Platz 3 in der Juniorenwertung.

 

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr