Reise

Sea Cloud

DIE SEA CLOUD – EINE LUXUSYACHT, GEBAUT VON KRUPP, MIT EINER ABSOLUT ABENTEUERLICHEN GESCHICHTE, IST HEUTE ALS STRAHLEND WEISSER KREUZFAHRER UNTERWEGS. DAS TOP MAGAZIN RUHR HAT SICH MIT IHR AUF TOUR BEGEBEN.


In voller Größe ist die Sea Cloud noch beeindruckender. Hier im Hafen von St. Lucia, im Hintergrund die Vulkankegel.

 

Eine Traumreise mit dem Traumschiff – auf der Sea Cloud lassen sich die Passagiere gerne einmal unter dem blauen Himmel den Wind um die Nase wehen

 

Unter vollen Segeln gleitet die Sea Cloud dahin … Selbst fliegen ist nicht schöner

DIE LEGENDE

 

Lady Marjorie Merriweather Post, die ersten Eignerin und Erbauerin des Schiffes

Sie stammt aus dem Hause Krupp und hat sich längst zu einer Legende entwickelt: die Sea Cloud, Luxusyacht einer sonst nicht erreichten Klasse. Auf amerikanische Rechnung 1931 auf der Friedr. Krupp AG Germania-Werft in Kiel gebaut, hat sie nach einer abenteuerlich wechselvollen Geschichte wieder als Traumschiff unter weißen Segeln volle Fahrt aufgenommen und trägt als Luxus-Windjammer all jene über die Meere, die exklusive Schiffsreisen unter ganz anderen Vorzeichen als den klassischen Kreuzfahrten lieben.

Es ist ein amerikanisches Millionärsehepaar, das einst den Grundstein für den Luxussegler legt: Der steinreiche Edward Francis Hutton und seine selbst ebenso vermögende Gattin Marjorie Merriweather Post haben bereits diverse Luxussegler besessen, als sie 1929 den Auftrag für ein neues Schiff geben – eines, das größer und prunkvoller sein sollte als alles bisher Dagewesene. Das ist die Geburtsstundeder legendären Sea Cloud. Als sie nach zwei Jahren Bauzeit in Kiel vom Stapel läuft, ist ihr Rumpf noch schwarz, getauft wird die Viermastbark auf den Namen Hussar V.

Ihr einziger Zweck: Die Familie Hutton mit ihrer Tochter standesgemäß überall dorthin zu bringen, wo ihre Anwesenheit zur Repräsentation oder zu Geschäften gefragt ist – oder sie einfach aus Spaß an Reisen und Abenteuern unterwegs ist. Außerdem ist für sie das Schiff ein sicherer Ort für Tochter Deenie, denn alle Millionäre jener Zeit treibt nach der Entführung und Ermordung des Lindbergh-Babys die Angst um. Doch einige Zeit später lässt sich das Ehepaar scheiden. Das Schiff geht an Marjorie Merriweather Post. Unter ihr bekommt der Windjammer seine strahlend weiße Farbe und seinen neuen Namen Sea Cloud.

1935, noch im Jahr der Scheidung, heiratet Marjorie den Anwalt Joseph E. Davies, nach dem I. Weltkrieg bei den Friedensverhandlungen in Versailles Wirtschaftsberater von Präsident Wilson. Fortan bewegt sie sich in der Welt von Politik und Diplomatie. 1937 wird Davies Botschafter in Moskau und die Sea Cloud dient als schwimmender und übrigens auch abhörsicherer Diplomatenpalast in Leningrad. Und mit der Yacht werden Nahrungsmittel oder Spezialitäten mitgebracht, die in Moskau so nicht zu haben sind. 1938 ist diese Zeit vorbei, die Sea Cloud nimmt Abschied von der UdSSR und segelt nach Istanbul.

 

In der blauen Lagune lässt es sich wunderbar träumen. Ganz besonders mit diesem fantastischen Blick auf den atemberaubenden Abendhimmel.

„Joe“ Davies wird in den diplomatischen Dienst nach Brüssel berufen. Zur Freude seiner Gattin Marjorie, die neben den Diplomaten gerne auch Adel und Königshäuser an Bord des Luxus-Seglers willkommen heißt. Mittlerweile tobt der II. Weltkrieg und die Sea Cloud bekommt eine ganz neue patriotische Aufgabe. Sie wird in den Kriegsdienst gestellt, denn für den 1941 geplanten Verkauf lässt sich nicht im Ansatz ein angemessener Preis erzielen, der Markt für derartige Luxusgüter war zusammengebrochen. Die Navy zieht private Yachten ein. Für die symbolische Charter von einem Dollar übernimmt also die Coast Guard die Sea Cloud, demontiert die Masten und den Bugspriet und lässt das Schiff grau anstreichen. Ausgerüstet mit Geschützen und Anti-U-Boot-Waffen kreuzt sie nun unter dem Namen IX-99 um die Azoren und südlich Grönlands. Als Wetterstation funkt sie aktuelle Daten nach Arlington, Virginia.

Am 4. November 1944 ist der Kriegsdienst wieder vorbei, das Schiff wird an die Eigner zurückgegeben. Der Segler aus der Krupp`schen Herstellung hat den Einsatz aber überlebt: Nach Kriegsende ist die Sea Cloud das einzige private Luxusschiff, das sich noch in Fahrt befindet. 1947 wird die Takelage wieder errichtet, 1949 erhält sie neue Segel. Die Wiederherstellung dauert insgesamt vier Jahre und kostet Hunderttausende.

 

Das Original-Schlafzimmer von Lady Marjorie. Ein Traum in Creme, Rosa, Hellblau und Gold.

 

Das prunkvolle Originalbad von Lady Marjorie, aus wertvollem weißem Marmor

 

Als Wasserhähne dienen goldene Schwäne

Und wieder geht Marjorie mit ihrem geliebten Schiff auf Reisen. Doch ihre Begeisterung sinkt langsam und die Kosten steigen im Gegenzug ins Unermessliche, vor allen Dingen für die 72 Mann Besatzung. Rafael Leonidas Trujillo Montinas, Diktator der Dominikanischen Republik, einst häufiger Gast an Bord und Liebhaber des Luxus-Schiffes, nutzt die Gunst der Stunde und greift zu. 1955 übernimmt der Staatschef das Schiff und gibt ihm den neuen Namen Angelita.

Die Yacht wird von ihm vorwiegend als Hausboot genutzt, bis er die Staatsyacht seinem Lieblingssohn „Ramfis“ als privates Luxusschiff schenkt. Ramfis nimmt sie mit zum Studium nach Kalifornien, zelebriert dort rauschende Partys und feiert mit Stars und Sternchen. Zsa Zsa Gabor oder Kim Nowak zählten dabei zu Ramfis Favoritinnen. Das verschlingt viel Geld, eine Million Dollar in nur einem Jahr, erzählt man sich seinerzeit. Das reicht selbst dem Vater – er beordert das Schiff zurück nach Santo Domingo. Diktator Trujillo wird 1961 erschossen, und die Angelita gerät noch einmal in die Schlagzeilen. Während das Land von einer Revolution erschüttert wird, segelt die Angelita mit seiner Leiche, einem Teil des Trujillo-Clans und enormen Mengen Bargeld an Bord Richtung Cannes. Kurz vor den Kanarischen Inseln kommt ein Funkspruch: Die neue Regierung zwingt die Besatzung zur Rückkehr. Im Sarg des Diktators werden neben der Leiche allein vier bis fünf Millionen Dollar gefunden. Dem Sohn gelingt die Flucht nach Europa, er stirbt acht Jahre später bei einem selbst verschuldeten Autounfall in Spanien.

Sein Lieblingsspielzeug, die Yacht, wird von der neuen Regierung übernommen, in Patria umbenannt und erneut zum Verkauf angeboten. Lange ergebnislos, das einst so stolze Gefährt dümpelt vor sich hin und verkommt zunehmend. Erst fünf Jahre später findet sich ein Käufer: die Operation Sea Cruises Inc. mit Sitz in Panama und ihrem Präsidenten John Blue, einem Schiffssachverständigen. So ist die Yacht wieder in amerikanischer Hand und die Ursprungsbesitzerin Marjorie Merriweather Post ist begeistert. Allerdings geht der Segler unter seinem neuen Namen Antarna zur Generalüberholung nach Neapel. Bei der Rückkehr nach Amerika wollen die amerikanischen Behörden hohe Einfuhrzölle und legen das Schiff in Miami an die Kette. Wieder ist sie zur Untätigkeit verdammt – 18 Monate lang. Bis die 26-jährige Stephanie Gallagher auf das Schiff aufmerksam wird und es gemeinsam mit ihrem Mann Charles als schwimmendes Klassenzimmer für ihre „Oceanic School” übernimmt: An Bord sollen Studenten ihre Studien durch ein Programm auf See ergänzen. Sie schließt eine „Art Vertrag“ mit John Blue, doch der behält die Schiffspapiere zurück. Was Stephanie Gallagher aber nicht davon abhält, in See zu stechen. Von nun an wird die „Piratin“ verfolgt. Welchen Hafen die Antarna auch anläuft, John Blue ist schon da. Und kommt in Panama schließlich mit der Polizei an Bord. Die Antarna wird so lange von aller Versorgung abgeschnitten, bis Stephanie Gallagher aufgibt, die Schüler ausgeflogen werden. Aber auch John Blue macht nichts mehr aus dem so heiß umkämpften Schiff: Es bleibt in Panama, ist acht Jahre lang im Hafen von Colón schutzlos Sonne und hoher Luftfeuchtigkeit tropischer Breitengrade ausgeliefert. Eine unzumutbar lange Liegezeit, die längste, die die Queen of the Seas je durchzustehen hat.

Und doch: Die alte Yacht bewahrt ihr Flair – und sie ist noch immer ein Begriff für alle Liebhaber großer, stolzer Segelschiffe. Einer von ihnen kommt aus Deutschland: Kapitän Hartmut Paschburg, der zuvor bereits mehreren alten Segelschiffen neues Leben eingehaucht hat. Als er sie in traurigem Zustand entdeckt, ist dem erfahrenen Seemann dennoch schnell klar: Die hochwertige Qualitätsarbeit, die Krupp auf der Germania Weft 1931 abgeliefert hat, bewährt sich. Paschburg trägt die Botschaft zurück nach Hamburg, begeistert Geldgeber für das Projekt. Fast umsonst: Die Eigentümer wollen die alte Luxusyacht inzwischen der amerikanischen Marine zum 200. Geburtstag der USA anbieten. Als der Plan scheitert, bekommen die deutschen Interessenten den Zuschlag. Und als erstes bekommt der Luxus-Segler seinen alten Namen wieder: Sea Cloud.
Nun steht ein weiteres Abenteuer bevor: Paschburg muss seine Neuerwerbung über den Atlantik holen. 1978 fliegt er mit Freunden und Freiwilligen nach Colón und macht gemeinsam mit panamesischen Arbeitern die verrottete Yacht halbwegs seetüchtig. Dann ist es geschafft: Am 15. November 1978 läuft die Sea Cloud im Hamburger Hafen ein, von Tausenden begeistert begrüßt.

1979 wird die Sea Cloud nach Kiel verschifft. Die Howaldtswerke-Deutsche Werft AG, Nachfolgerin der Krupp’schen Germania-Werft, führt umfangreiche Instandsetzungs- und Umbauarbeiten durch. Acht Monate später beginnt wieder einmal ein neues Leben in ihrer Geschichte: Sie geht auf ihre erste Kreuzfahrt unter neuer Flagge. Seitdem ist die prächtige Diva wieder auf den Weltmeeren zu Hause.

Erneut in frischem Glanz zeigt sich die Viermastbark im Mai 2011 zum ersten Mal nach 33 Jahren wieder an der Hamburger Überseebrücke und nimmt an der Ein- und Auslaufparade des Hafengeburtstags teil. Zur Freude aller, die Großsegler lieben und es sich leisten können, ist das Traumschiff unter weißen Segeln als neugeborene Queen of the Seas wieder unterwegs.
Der Anspruch: Den Reisenden eine außergewöhnliche Kreuzfahrt zu bescheren, bei der es selbstverständlich an gar nichts fehlen darf – selbst wenn der Wind stärker bläst und der Windjammer dadurch auch einmal auf den Wellen tanzt. Service und Ambiente nehmen ebenso wie die exquisite Küche an Bord einen besonders hohen Stellenwert ein.

Das weiß auch ein Sterne-Koch aus dem Revier: Frank Rosin aus Dorsten heuerte auf der Sea Cloud an und war auf dem Luxus-Segler als Sous Chef auf allen Meeren unterwegs, bevor er sich 1990 mit seinem eigenen Lokal selbstständig machte.

 

Das Original-Gedeck von Lady Marjorie ist normaler Weise nur in einer Vitrine zu bewundern. Für TOP RUHR wurde darauf Birkenholzgeräuchertes Rindstartar mit Roter Bete und Kaviar angerichtet

 

LOGBUCH EINER KARIBIKREISE

 

Bei tropischen Temperaturen ist es sehr angenehm auf dem Lido-Deck, denn dort weht immer eine frische Brise

 

Eine Karibik-Tour mit der Sea Cloud, diesem legendären, exklusiven Schiff mit seiner spannenden Geschichte. Das verspricht auch im Jahr 2018 spannende und entspannende Tage. Im Cruise-Hafen von Montego Bay sind schon von Weitem erst die vier großen Masten, dann das ganze majestätische Schiff zu sehen. Ebenso majestätisch der Empfang für uns Gäste auf dem roten Teppich. Die deutschen Wurzeln der Sea Cloud in der Krupp’schen Werft in Kiel setzen sich bis heute fort: Der Kreuzfahrtdirektor der Sea Cloud, Steffen Spiegel, kommt aus Deutschland, die Hausdame Marion Käppeli aus der Schweiz. Sie heißen die Gäste mit Champagner willkommen. Der erste Weg führt auf das oben liegende, sonnige Lido-Deck zu den gemütlichen Liegestühlen und komfortablen Sitzecken. Die perfekte Umgebung, um mit all denen ins Gespräch zu kommen, mit denen wir die nächsten zwei Wochen auf diesem wunderbaren Schiff zusammen verbringen und die Erlebnisse teilen werden.

 

Solche Sonnenstrahlen gibt es nur über dem Karibischen Meer. Die Sea Cloud lässt sich vor Anker davon verwöhnen. Und an der Seite legen Einheimische mit ihren Booten an und liefern frischeste Erzeugnisse für die Schiffsküche

 

Chefkoch Maik Albrecht beim Einkauf von Obst, direkt vor der Bordwand

 

Manjari-Schokoladenkonfekt in Baumkuchenmantel mit Sherryessig-Kirschen und Tahitivanilleeis

Und hier lernen wir auch die Crew kennen. Neben Kreuzfahrtdirektor Steffen Spiegel Kapitän Sergey Komakin, die 2. Offizierin Wiebke Okken, die Zahlmeisterin Lisa Lauterbach, Lektor Gerrit Aust, Schiffsarzt Dr. Jens Telle und Hotel-Manager Szymon Kwinta. Und gleich zu Beginn erfahren wir eines: In ihren gesamten 87 Dienstjahren hat die Sea Cloud zwar schon viel erlebt, war aber noch nie in Seenot. Dennoch gehört eine Sicherheitsübung natürlich unverzichtbar zum Standard.

Dann ist der Weg in die Kabine freigegeben – auf dem historischen Schiff dürfen wir auch First Class in historischem Ambiente reisen. Der Weg dorthin führt (anders als bei anderen Kreuzfahrtschiffen) nach unten in den Schiffsbauch. Hier geleitet ein langer Flur mit geschmackvollen kleinen Sesseln und Tischchen die Passagiere, die Füße versinken im dicken Teppichboden. Das edle Ambiente in Hellblau, Creme und etwas Apricot könnte auch zu einem 5-Sterne-Hotel passen.
Zehn Kabinen erinnern an die glorreichste Zeit der Sea Cloud und ihre Erbauerin Lady Marjorie Merriweather Post. Dieser Bereich mit seiner erlesenen Einrichtung im Stile der 1930er-Jahre war einst der superreichen General Foods Inhaberin, ihrer Familie und ihren privaten Gästen vorbehalten. Ihre eigene Suite in Creme, Rosa und Hellblau ließ Lady Marjorie exakt so einrichten wie ihr Schlafzimmer in Mara-Lago. Diese Villa in Florida gibt es übrigens auch noch immer. Heute ist sie im Besitz des amerikanischen Präsidenten Donald Trump.

Zwar wohnen wir nicht im Allerheiligsten von Lady Marjorie, aber auch unsere Kabine ist hell, geschmackvoll und gemütlich: Cremefarbene Wandvertäfelungen und Schränke, goldfarbene Beschläge, ein Baldachin ziert das Doppelbett, der gleiche dicke Teppichboden wie im Korridor, ein beleuchteter Kamin, maritime Bilder und ein vergoldeter Spiegel. Es gibt noch einen Ankleideraum und ein Bad, komplett in Marmor und mit goldenen Armaturen.

Nun geht es erst einmal ans Kofferauspacken, bevor das erste Dinner ruft. Das wird in der Lounge und dem Restaurant an perfekt eingedeckten Achtertischen eingenommen.

Auch hier kommen sich die Gäste eher vor, wie in einem Sterne-Restaurant, als auf einem Segelschiff. Die Kellnerinnen und Kellner tragen dunkle Kostüme mit Halstuch oder eine dunkle Kombination. Das fügt sich gut ein in die Umgebung mit den aufwendigen dunklen Vertäfelungen und Schnitzereien aus den 1930er-Jahren. An den Wänden hängen außerdem maritime Ölbilder und zweiarmige Wandleuchter in Messing, in ihrer Mitte prangt ein amerikanischer Adler. Im ersten Salon, der auch als Bibliothek dient, gibt es einen prunkvollen Marmorkamin, verziert mit kleinen Figuren. Auch hier dämpft ein dicker Teppichboden die Schritte. Alles ist gediegen, vornehm aber nicht überladen. Ganz passend zum offensichtlichen Motto der Sea Cloud: Vornehme Zurückhaltung. Und so wird auch die erste Mahlzeit der Reise serviert, ein Drei-Gang-Menü: Consommé, wahlweise Fisch oder Fleisch und zum krönenden Abschluss ein verlockendes Nachtischbuffet. Wir sind uns einig: Das Essen ist ebenso wie der Wein vorzüglich.

 

Chefkoch Maik Albrecht mit einem großen Mahi-Mahi-Fisch im eleganten Restaurant der Sea Cloud

 

Szymon Kwinta, der Hotel-Manager. Seit 32 Jahren an Bord der Sea Cloud gilt er als Vater des Sea Cloud-Familie.

Von den Wellen sanft geschaukelt, kommt später in der gemütlichen Kabine schnell der Schlaf. Für mich endet diese erste Nacht um 6 Uhr. Da erwache ich durch eine stärkere Bootsbewegung. Schlaftrunken begebe ich mich nach oben aufs Deck und werde mit einem herrlichen Sonnenaufgang über der sanften Silhouette von Jamaika begrüßt. Wir nähern uns „Black River“. Wer mag, kann heute dort einen Landausflug mit Krokodil-Safari machen. Die Motoren stoppen und der Anker fällt mit Getöse. Auf der Brücke tauchen Weiß-Uniformierte auf: Der Kreuzfahrt-Direktor, der Kapitän, die 2. Offizierin und der Hotel-Manager kommen gerade zur Lagebesprechung zusammen. Kurz danach „entert“ der jamaikanische Zoll das Schiff – und alle sind schon richtig geschäftig unterwegs. Ich erfreue mich derweil am Frühaufsteher-Frühstück und genieße die wunderbare Aussicht auf Jamaika bei einer Tasse Earl-Grey.

Und langsam erwacht außer mir das ganze Schiff, die Passagiere kommen an Deck und erwarten den 1. kompletten Tag auf der Sea Cloud genauso gespannt wie ich. Den beginnt man am besten mit einem ausgiebigen Frühstück, das natürlich nach dem Frühaufsteher-Imbiss serviert wird. Auf Wunsch auch mit Champagner. Ich habe die Qual der Wahl zwischen Fruchtsalat, 5 bis 6 Sorten aufgeschnittenen Früchten, Bircher Müsli, Lachs, Aufschnitt, Parmaschinken und einer erlesenen Käseauswahl. Im Angebot sind 5- und 7-Minuten-Eier, Omelette mit oder ohne Käse, individuell zubereitetes Rührei mit allem, was das Herz begehrt. Und natürlich fehlen auch Marmeladen und eine große Auswahl an Brot und Brötchen nicht. Es gibt einen Samowar für die Teetrinker und Kaffee, Cappuccino oder Espresso. Schnell erkenne ich, dass es eine große Herausforderung wird, auf dieser Reise die Figur zu halten.
Danach lockt wieder das schon bekannte, sonnige Lido-Deck. Das ist Bebeots Revier, seit 36 Jahren bereits an Bord der Sea Cloud. Er ist der philippinische Barchef – und Bebeot geht nicht, er schwebt über das Deck. Denn früher war er Tänzer beim Fernsehballett und ist eine echte Erscheinung, freundlich und fröhlich bedient er die Gäste. Entspannt lege ich mich in die Sonne und genieße die Ruhe hier oben, während sich unten die Ausflügler bereit machen. Das Beiboot bringt sie zum Landausflug mit Krokodil-Safari. Das ist nichts für mich. Krokodile bereiten mir immer ein gewisses Unbehagen …

Also schmökere ich lieber in einem Buch. Allerdings erst, nachdem ich mich gründlich eingecremt habe, denn die Sonne in der Karibik ist sehr intensiv. Später kommen der Kapitän und Steffen Spiegel mit den Infos über den Schiffskurs und die Ausflugsplanung. Die beiden werden abgelöst von Gerrit Aust. Erinnern Sie sich? Er ist der Lektor und wird uns in den nächsten zwölf Tagen mit seinen interessanten Vorträgen die Zeit verkürzen. Dass er dafür die richtigen Ideen hat, steht außer Frage, seine Vita ist schon beeindruckend. Der Mann ist Historiker und Buchautor. Er hat in Hamburg Geschichte, Archäologie und Politik studiert und unterrichtet. Danach am Museum für Hamburgische Geschichte, am Auswanderermuseum in Hamburg „BallinStadt“, in Bremerhaven, in Köln und Stade große Ausstellungen mitgestaltet. Bis 1994 war Gerrit Aust außerdem als freier Journalist für den Spiegel tätig. Aber Achtung: verwechseln Sie ihn nicht mit Stefan Aust, der ab 1994 als Chefredakteur des Nachrichtenmagazins bekannt wurde. Namensvetter Gerrit dagegen reist seit 1994 als Lektor mit verschiedenen Kreuzfahrtschiffen über die Weltmeere. Und so versteht er was von dem Geschäft, erzählt über die Entstehung, Kultur und Geschichte der Karibik. Immer interessant und kurzweilig. Also lege ich mein Buch zur Seite und lausche seinem spannenden Vortrag über Piraten und Freibeuter.

 

 

Das Promenadendeck mit seinen bequemen Sesseln lädt zum Lesen und Träumen ein

 

„El Colon“ wird die Fußgängerzone in Santo Domingo genannt / Hotspot: das Shellona Restaurant am Shell Beach in Gustavia, Saint Barthélemy

 

Ina Steffen und Szymon Kwinta bewundern gemeinsam beim Landausflug die Columbus-Statue auf dem großen Platz in Santo Domingo

 

Wieder an Bord klingt der wunderbare Tag bei einem Cocktail mit Blick aufs Meer aus

 

Modenschau der Designerin Lolita Jaca / Steffen Spiegel, der Kreuzfahrt-Direktor, neben einer Statue von Maria Toledo

 

Eine Zigarre rauchende Schönheit aus Santo Domingo

 

Peter, der Pianospieler, spielt auch im Shanty Chor der Sea Cloud Schifferklavier

 

Spannend ist auch die nächste Begegnung: Ich komme mit einer netten Dame aus Hamburg ins Gespräch und staune: Sie ist schon zum 12. Mal mit der Sea Cloud unterwegs. Als junge Frau ist sie selber viel gesegelt. Nun lässt sie segeln und genießt es, nichts tun zu müssen. Nichts tun und köstlich speisen – ein doppelter Luxus, den die Passagiere der Sea Cloud nun die gesamte Kreuzfahrt über genießen können. Bürge für den guten Geschmack ist Küchenchef Maik Albrecht. Er hat im berühmten Restaurant „Traube Tonbach“ im Schwarzwald bei Sternekoch Harald Wohlfahrt sieben Jahre gearbeitet. Dort hat Maik es vom Commis de Cuisine zum Chef de Cuisine gebracht. Im Namen von Harald Wohlfahrt leitete er dann auch das „Palazzo“ in Hamburg als Küchenchef. Schon 2003 wurde er vom Feinschmecker als einer der besten Nachwuchsköche nominiert. Seit 2011 ist er nun der Küchenchef der Sea Cloud. Dabei ist der große junge Mann noch immer angenehm bedächtig, zurückhaltend und bescheiden. Und trotz seiner beeindruckenden Karriere bringt es der Braunschweiger, der selbst so gerne reist, erst auf 38 Lebensjahre. Was immer er mit seinem Team auf dieser Reise in der Küche zaubert, ist zutiefst beeindruckend. Der erste Tag bringt so viel Neues, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Schon ist Nachmittag. Zeit zur Besichtigung der Brücke. Die 2. Offizierin, Wiebke Okken, eine fröhliche, hochkonzentrierte junge Frau erklärt uns alle Apparate dort, historische ebenso wie hochmoderne. Hier lerne ich, dass dieser schöne Apparat mit Skalen, Glasscheibe und Handgriff Maschinentelegraph heißt.

Julia genießt den traumhaften Strand vom berühmten Hotel Eden Rock auf St. Barth

 

Kapitän Sergey Komakin am Steuerrad

Der ist so oft in Spielfilmen mit Schiffen zu sehen, immer dann, wenn es heißt: „Alle Maschinen Stopp und rückwärts“. Das edle Stück stammt noch aus der „Germania Werft/Kiel, Friedrich Krupp“, beweist ein Schild. Kapitän Sergey Komakin von der Krim ist ein breitschultriger Mann mit Bürstenhaarschnitt. Sein Blick ist ernst und konzentriert. Keiner, der unnötige Worte verliert. Aber er hat warme, kluge Augen und macht einen kompetenten und sehr erfahrenen Eindruck. Kapitän Komakin hat schon vor 17 Jahren auf der Sea Cloud angeheuert. Seit sechs Jahren ist er hier Kapitän. Das Kommando über die Sea Cloud führt er immer drei Monate am Stück, die nächsten drei Monate verbringt er zu Hause bei seiner Frau und den drei Kindern. Nach der Familie sehnt er sich oft hier auf hoher See. Da überkommt ihn schon gelegentlich das Heimweh. Vielleicht wird sein kleiner Sohn Egor, heute erst Anderthalb, mit zehn Jahren einmal mit auf das Schiff kommen. „Schön wäre, wenn Egor mit 18 Jahren hier als Offizier anfangen könnte“, meint Sergey Komakin. Dabei huscht ihm ein sanftes Lächeln übers Gesicht.

Lagebesprechung auf der Brücke

Ich steige die Leiter von der Brücke herunter. Die Ausflügler kehren gerade wieder zurück. Es kommt Bewegung in die Mannschaft, Matrosen laufen auf den Decks umher und das Schiff legt bald wieder ab. Ich begebe mich zum Außenbereich der Lounge. Dort ist nun um 16 Uhr „TeaTime“ angesagt.

Dazu werden kleine Küchlein angeboten, die hat die Schweizer Patissière Angela frisch hergestellt. Ich erfahre, dass sie jede Nacht Brot und Brötchen backt. Das macht Sinn, denn tagsüber ist immer Betrieb in der Küche, und die ist sehr, sehr klein. Zum Ausklang des Tages genieße ich noch ein wenig die Sonne draußen und freue mich schon jetzt auf das Dinner von Maik Albrecht heute Abend.

Das findet heute im Bankett-Stil statt. Alle Gäste sollten pünktlich kommen, denn jeder Gang wird serviert. Wie immer begleitet uns Peter, der Ungarische Pianist dabei. Die Kleidung ist für diesen Abend etwas schicker. Wir sitzen zusammen mit einem sehr netten Ehepaar aus Heiligenhaus, einem Schweizer Pensionär sowie dem amerikanischen Journalisten Gordon und seiner Gattin am Tisch.

Ich erfahre von Gordon, dass er schon zum 24. Mal mit der Sea Cloud reist. Sechsmal hat er mit ihr schon die Atlantiküberquerung erlebt. Er und seine Frau sind wahre Fans. „She is a beauty“, meint er strahlend. Und meint damit die Sea Cloud. Gordon hat letzte Woche seinen Geburtstag hier an Bord gefeiert und man merkt, dass er sich hier schon sehr zu Hause fühlt. Er weiß alles über das Schiff, und er findet es super, dass ich einen Artikel über „seine“ Sea Cloud schreibe.

Der Maschinentelegraph noch original aus der Krupp-Werft

Nach dem Essen begibt man sich auf das Lido-Deck und kann dort bei einem Drink und Pianomusik den Tag stilvoll ausklingen lassen. Peter begleitet uns auch dort musikalisch. Das Schiff nimmt derweil mit Motorkraft Kurs auf Santo Domingo, die Hauptstadt der Dominikanischen Republik. Und wir begeben uns zur Nachtruhe in unsere schöne Kabine. Dann folgen Seetage. Sie laden einfach zu Entspannung pur ein: Sonnenbaden auf dem Lido-Deck, Lesen, Wissenswertes von Gerrit Aust, aktuelle „Lageberichte vom Kapitän“. Und bei ruhiger See wird dort oben auch der Lunch serviert. Wenn der Blick über das unendliche, blaue Meer hinaus schweift, merke ich, wie gut ich mich dabei erhole.

Und immer wieder gibt es wirklich nette und spannende Begegnungen mit den anderen Passagieren. Zum Beispiel mit den Eheleuten aus Wiesbaden. Wieder zeigt sich: Es gibt einfach absolut treue Fans dieses Traumschiffs unter weißen Segeln. Auch dieses Ehepaar war schon oft mit dem Windjammer unterwegs und kann sich einfach keinen schöneren Urlaub vorstellen. Das tragen die beiden sogar nach außen: Sie stecken komplett in einer Sea-Cloud-Kluft.

Lisa Lauterbach, die hübsche, immer freundliche Zahlmeisterin, und Marion Käppeli, die Hausdame, eröffnen eine Boutique in der Lounge. Dort gibt es exklusive Accessoires der Sea Cloud zu kaufen: Gürtel, Kleider, Jacken und Shorts mit aufgesticktem Label, aber auch Bücher, Taschen oder eine Messingglocke mit eingravierter Sea Cloud sind dort zu haben. Eine willkommene Abwechslung an einem Seetag.

Natürlich gehören die Köstlichkeiten aus der Küche zu den Highlights dieser Reise, die rein kulinarisch insgesamt ein absoluter Höhepunkt, einfach wundervoll, ist. Am nächsten Tag treffe ich nach dem Frühstück den Hotel-Manager Szymon Kwinta. Geboren ist Szymon in Polen, dort lebt auch seine Familie. Die Kinder sind inzwischen erwachsen. Zweimal im Jahr macht er Ferien zu Hause. Sonst ist er immer hier, hier auf dem Schiff. Und das seit 1985, zunächst als Chef der Bar und seit 1998 als Hotel-Manager. Pläne für seinen Ruhestand hat er nicht. „Die Sea Cloud ist mein Leben“, bekennt er einfach. Wohl auch darum betrachtet er sich selbst als Vater der „Sea Cloud-Familie“, der Crew. Auch dort ist, wie in jeder anderen Familie, Strenge manchmal nötig, damit jeder weiß, wo seine Grenze ist, meint er. Und Szymon kümmert sich um alles.

Nach den 32 Jahren hier an Bord hat Szymon so manches gesehen und einige denkwürdige Situationen erlebt. Viele Berühmtheiten hat er getroffen, wie Mr. Rumsfeld, bevor der Verteidigungsminister des amerikanischen Präsidenten Bush wurde. Begegnet ist er auch Walter Cronkite, der den Watergate-Skandal aufdeckte, oder der Familie Pritzker, denen die Hyatt-Hotelkette gehört.

Käpt’n ahoi – volle Fahrt voraus unter weißen Segeln. Der karibische Wind ist der perfekte Antrieb.

 

Natürlich gehört Diskretion zu seinem obersten Prinzip, dennoch lässt er sich eine kleine Anekdote entlocken: Estee Lauder hatte für ein Firmenevent das komplette Schiff gechartert. Dafür sollte alles, wirklich alles in Pink gestaltet werden. Gerne kam die Reederei ihren Wünschen nach – erst, als Mrs. Lauder dann auch noch pinkfarbene Segel wünschte, sagte die Company nein. Ich muss lachen und verabrede mich noch schnell mit Szymon, der mich ein klein wenig an „Balou der Bär“ aus Tarzan, dem Disney-Musical in Oberhausen, erinnert, für den nächsten Landgang in Santo Domingo. Dann ist der emsige Mann schon wieder entschwunden, um seinen Pflichten nachzugehen.

 

Jetzt steht die Landung in Santo Domingo an. Szymon hält sein Versprechen und begleitet mich beim Landgang. Zuerst erklimmen wir die steile Treppe gegenüber des Hafens. Dort angekommen stehen wir schon mitten in der Altstadt mit ihren historischen Gebäuden aus dem 16. Jahrhundert. Automatisch gelangt man auf einen großen Platz, die „Plaza de la Hispanidad“ mit einer großen Kolumbusstatue. Hier wimmelt es von Brautpaaren, die sich dort vor dem Palast „Alcázar de Colon“ fotografieren lassen. Es ist Valentinstag und viele hier wählen dies offenbar als Hochzeitstag aus.
Dieser Palast wurde von Diego Kolumbus, dem Sohn von Christoph Columbus’ 1510 bis 1514 erbaut. Hier befand sich früher der Sitz der Spanischen Kolonialregierung. Heute wird er als Museum genutzt. Wir schlendern in der warmen Sonne weiter und gelangen so in die Fußgängerzone „El Conde“. Sie wird von schönen Gebäuden aus mehreren Jahrhunderten gesäumt. Es gibt die typischen Souvenier-Geschäfte, Straßenverkäufer, Cafés, Restaurants und viele farbenfroh gekleidete Menschen. Nach einem guten Kaffee verlässt mich Simon. Er muss wieder zurück auf das Schiff , der Dienst ruft. Ich dagegen darf nach meiner Rückkehr auf die Sea Cloud einfach die Ruhe genießen. Inzwischen hat sich ein Rhythmus an Bord eingespielt: Umziehen, Dinner, dann der Gang zum Lido-Deck. Mit einem Cocktail und dem Blick auf die beleuchtete Altstadt von Santo Domingo beschließe ich zufrieden diesen schönen Tag.

Am nächsten Morgen bin ich nach dem Frühstück mit Steffen Spiegel, dem Kreuzfahrtdirektor, verabredet. Schon oft war er hier in Santo Domingo und ich freue mich auf unseren gemeinsamen Spaziergang. Wieder geht es in die Altstadt. Wir erreichen den „Faro a Colón“, einem Monumentalbau. Dort gibt viele Sarkophage zu bewundern. Angeblich sind dort auch die Gebeine von Christoph Columbus bestattet, aber diese Ehre beansprucht auch Sevilla für sich. Neben dem Gebäude ist ein wunderschöner Innenhof mit Springbrunnen, Bäumen und Blumenbeeten.

 

Adé Dominikanische Republik. Ein letzter Blick auf die Skyline von Santo Domingo

 

Dort steht eine überlebensgroße Statue von Maria de Toledo, der Frau des Vizekönigs Diego Colon. Alle Wege dieser Altstadt führen irgendwie immer zur Plaza de la Hispanidad, auf der gestern die vielen Brautpaare posierten. Wir schlendern den El Conde herunter und entdecken ein Zigarrengeschäft. Im „La Legenda del Cigarro“ werden Zigarren gerollt. Der nette Besitzer, Senor Rossó, erklärt uns den Herstellungsprozess und eine dominikanische Schönheit mit vollen Lippen raucht eine Zigarre. Wir setzen uns in eines der vielen Cafés. Steff en ist schon seit vielen Jahren auf der Sea Cloud, als Kreuzfahrtdirektor. Zu Hause in Hamburg ist er Dozent an verschiedenen Hochschulen im Bereich Tourimusmanagement.

 

Im romatischen Abendlicht versinken die beiden Pitons auf Saint Lucia. Die eindrucksvollen Bergspitzen am Karibischen Meer sind dicht bewaldet und können bestiegen werden.

 

Jede Reise ist anders, selbst dann, wenn es sich um die gleiche Route handelt, meint er. Denn: Es sind immer wieder andere Gäste, die Crew ist immer etwas anders zusammengesetzt und zum Schluss ist das Wetter manchmal eben nicht gut, oder es ist nicht möglich zu segeln. Wie bei Gegenwind. Dann muss das Schiff mit Motorkraft fahren und legt weniger Strecke zurück. Und manchmal hängen auch die Ausfl üge davon ab, erklärt er, bevor wir wieder zum Schiff zurückgehen.
Wir sind auf dem Weg zum nächsten Ziel: St. Barth, der Insel der Schönen und Reichen. Der Wettergott legt sich ins Zeug und wir genießen die Zeit bei blauem Himmel, sanftem Wind und strahlendem Sonnenschein. Am Horizont sind kleine Wolken in wunderbaren Formationen zu sehen. Gerne liege ich in der „blauen Lagune“ am Heck des Schiff es auf der großzügigen Liegewiese. Milan, der philippinische Steward, reicht feuchte, nach Orange duftende Tücher zur Erfrischung. Hier ist Braunwerden angesagt und Entspannung. Diesen Aufgaben komme ich nur zu gerne nach. Ich bin ja pflichtbewusst und diszipliniert. Letzteres genau bis zum nächsten Lunch. Da werfe ich alle meine guten Vorsätze bei diesen Köstlichkeiten über Bord und genieße.

Am Abend ist „Open House Cocktail“. Alle Gäste können die Originalkabinen besichtigen. Die Suite der ersten Eignerin, Marjorie Merriweather Post, beeindruckt mich am meisten. Sie ist natürlich mit 36 Quadratmetern die größte Kabine und komplett in Creme gehalten. Ein weißer Baldachin überspannt das große weiße Bett. Helle Sessel mit golddurchzogenem Brokat und ein großer Kamin lassen alles behaglich wirken. Das Badezimmer ist mit vergoldeten Schwanenhals-Wasserhähnen ausgestattet. Sogar das Waschbecken ist innen vergoldet. Eine Frisierkommode mit Goldverzierung und dem entsprechenden Stuhl komplettieren den Eindruck von großem Wohlstand und Luxus. Es gab hier eine Verbindungstür zur Nachbarkabine. Dort wohnte der jeweilige Ehemann von Marjorie. Bezeichnend fi nde ich, dass der Knauf zum Öff nen nur auf Lady Marjories Seite war. Sie war wirklich eine ungewöhnliche Frau. Die anderen Kabinen sind übrigens im Stil ähnlich, werden aber mit aufsteigenden Nummern etwas kleiner. Am nächsten Tag erreichen wir früh St. Barthélemy. Wir nehmen den ersten Shuttle an Land. Direkt gegenüber dem Anleger befinden sich die vielen namhaften Geschäfte. Was Shoppen angeht, ist St. Barth ein absolutes Frauenparadies. Geschäfte wie Hermès, 100% Capri, Bulgari, la Civette, MARE, ein italienischer Schuhladen und eine heimische Designerin namens Lolita Jaca, die bezaubernde Strandmode aus edelsten Materialien entwirft, lassen mein Herz höherschlagen.

Betrübt stelle ich fest, dass wir zu früh sind. Fast alle Läden öffnen erst um 10 Uhr. Also ziehen wir die einzige größere Straße entlang, um doch einen geöff neten Laden zu finden. Ich entdecke einen kleinen Shop mit wunderschönen Flipflops. Ich entscheide mich für ein Paar mit rauchgrauen und klaren Glitzersteinchen. Dann nehmen wir ein Taxi zum Strand. Oberhalb des Hafens, in dem die Sea Cloud Anker geworfen hat, hinter einem kleinen Berg liegt der Flughafen von St. Barth. Dahinter befi ndet sich der Strand. Die Flieger müssen diesen Berg überwinden und dann sehr steil absinken, um die Landebahn zu treffen. Es kommt mir vor, als ob die ankommende Maschine beinahe das Dach des Taxis berührt. Aber Claude, der Taxifahrer, lacht und meint, das ist ganz normal, ich muss keine Angst haben.

Frei wie ein Vogel unter blauem Himmel. Aber selbst fliegen kann nicht schöner sein, als eine Reise mit der Sea Cloud.

 

Den Strand „Côte au vent“ findet man in St. Jean Bay. Wir entdecken eine kleine Bar, die Strandliegen vermietet. Dort machen wir es uns bequem und bekommen von einem gutgelaunten Strand-Boy einen Caipirinha gereicht. Das Meer ist hier unglaublich türkis, der Sand ist fast weiß und die Brandung umspült die Beine sanft. Am Horizont winken kleine rosa und lila schimmernde Wolken. Rechts von mir, auf einem großen Felsen, der ins Meer ragt, liegt das berühmte Eden Rock-Hotel, ein Wahrzeichen von St. Barth. Hier stiegen die ersten europäischen Jetsetter und alle Hollywood-Kinostars ab. Es weht immer ein warmer aber kräftiger Wind. Aus der Bar tönt chillige Musik. Hierher könnte man durchaus noch einmal reisen.

Eine gute Weile können wir die schöne Atmosphäre genießen, dann müssen wir weiter. Am Muschelstrand haben wir einen Tisch reserviert. Also geht es schon bald zur Beach-Bar „Shellona“, dem erklärten In-Restaurant der Insel. Vorsicht: große Millionärsdichte, aber auch wir bekommen hier einen schönen Tisch. Dort ist es lauschig. In der Bucht ankern beeindruckende Motorjachten. Die Stimmung unter den lässig gekleideten Gästen ist entspannt.

Heute findet hier eine Modenschau von Lolita Jaca statt. Das ist die heimische Modedesignerin, deren Stücke mir schon im Geschäft sehr gut gefallen hatten. Es gibt viel zu sehen und nach einem Glas Champagner finde ich die Musik gar nicht mehr laut. Nach dem Essen ist es dann Zeit, aufs Schiff zurückzukehren. Der letzte Transfer wartet schon auf uns. Am nächsten Morgen erreichen wir St. Lucia. Die beiden riesigen Vulkankegel, genannt Pitons, wirken im Morgendunst ein wenig wie „King-Kong-Island“.

Eine dichte Dunstglocke hängt über der Bucht und der Stadt Soufrière. Ein tropischer Regen setzt ein. Die Sonne hat es schwer, durchzubrechen. Die Reederei bietet uns heute drei Ausflüge an: Schnorcheln, Badeausflug oder eine Tour zum botanischen Garten und dem Drive-in-Vulkan.
Eine perfekte Gelegenheit, um unser Traumschiff auch einmal von außen in seiner ganzen Schönheit zu fotografieren. Die Pitons bilden einen wunderbaren Hintergrund dafür. Jetzt brauchen wir nur noch Sonne! Nach dem Frühstück klart es auf, sodass wir mit Schwimmwesten ausgerüstet das Schlauchboot für die Außenaufnahmen besteigen können. Zwei Mitglieder der Crew begleiten uns. Dann geht es an Land zu einer Strandbar. Vom „The Still Beach Resort“ haben wir einen schönen Blick auf die Sea Cloud und die Bucht mit den Pitons.

Eine Stunde später holt uns das Boot wieder ab und erneut umkreisen wir die Sea Cloud. Die Sonne hat ihre volle Strahlkraft entfaltet und das Schiff leuchtet im hellen Licht. Das war schon der Schlusspunkt unserer wunderbaren Reise. Am nächsten Morgen landen wir im Cruise-Hafen von Barbados. Hier ist der Abschied angesagt: Von den lieb gewordenen Reisegefährten und der Crew, die sich so aufmerksam und liebevoll um uns gekümmert hat. Und natürlich von dem ungewöhnlichen Schiff, dass schon so viele unserer Reisebekanntschaften infiziert hat. Und auch wir haben die Idee: Das soll nicht unsere letzte Reise mit der Sea Cloud gewesen sein …

 


 

Die Welt der Luxus-Segler

Reiseprofi Verena Weigelt sagt: „Grandhotels und Reisen mit Luxuszügen sind wieder in wie damals.“

Eine Reise mit der Sea Cloud, 1931 für die reiche Amerikanerin Lady Marjorie gebaut, war früher ausschließlich dem Hochadel und Millionären vorbehalten. Die Welt hat sich gewandelt. Heute treffen sich an Bord dieses Traumschiffs unter weißen Segeln auch jüngere Liebhaber des wahren „Service excellent“. Hier erleben die Gäste das Gefühl, privilegiert auf einer Abenteuer-Reise zu sein. TOP RUHR-Reisescout Verena Weigelt vom Reisebüro Schmidt & Partner in Bochum (Tel.: 02 34-96 18 00, www.Fynetravel-Bochum.de) hat einen klaren Favoriten für den Einstieg in die Welt der Luxus-Segler. Die Expertin empfiehlt die siebentägigen Reisen durch die griechischen Kykladen oder den Inseln der Karibik ab 3895 € (inkl. Trinkgeldern).

 

 

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr