Ruhrrevier

Das Portrait einer alten Dame

Irmgard Middendorf ist 107 Jahre alt – noch mit 106 versorgte sie Haus und Garten – jetzt lebt sie in der Nova Vita Residenz in Essen


Irmgard Middendorf ist die älteste Bewohnerin der Nova Vita Residenz in Essen am Museum. Hierher kam die 107-Jährige erst vor einem guten Jahr, vorher lebte sie im eigenen Haus mit Garten.

 

Wirklich alt werden und dabei immer noch ganz fest auf den eigenen Beinen im Leben stehen – das ist tatsächlich ein seltenes Glück. Und eine, die es erleben darf, lächelt nur fein, wenn Sie darauf angesprochen wird. „Das ist eben meine Natur“, sagt Irmgard Middendorf schlicht. Gerade hat sie ihren 107. Geburtstag gefeiert und thront im schicken Blaser mit weißer Bluse und gepflegter Locken-frisur wie Queen Mum persönlich in ihrem Stuhl in der Essener Nova Vita Residenz.

Hier verbringt die alte Dame, denn das Attribut darf es in dem Alter selbst für eine Dame geben, also ihren Lebensabend, fühlt sich wohl, umsorgt und zu Hause. Und selbst das ist, wie die gesamte zarte Person, ein Phänomen, hat sie doch noch nicht mal seit einem Jahr ihre Adresse in dem schönen Alterssitz an der Goethestraße.

106 Jahre bringt Irmgard Middendorf mit, als sie in ihrem eigenen Haus mit dem geliebten Rosengarten endgültig die Sachen packt und in die City umzieht. Auf ihren eigenen Beinen, nur gestützt durch einen Stock, darauf legt die ebenso leise wie energische Dame Wert, betritt sie die Residenz, ihr neues Zuhause. Den Weg hat sie bis heute nicht bereut. Und bis heute steht sie gerne auf ihren eigenen Beinen, erledigt die Wege zu Fuß. Einen Rollator akzeptiert sie mittlerweile, einen Rollstuhl – nein Danke. 1914 in Halle an der Saale geboren, zählt Irmgard Middendorf schon damals zu den jungen Frauen, die eher Ungewöhnliches schaffen. In Berlin, der neuen Heimat der Familie, besucht sie die Oberschule, erlangt die allgemeine Hochschulreife. Weil sie vor allen Dingen die schönen Dinge des Lebens liebt, wird die Tochter eines Bergmanns Handweberin für feine Stoffe. 1940 hält sie Hochzeit, ihr Mann, der ihren Lebensweg bis 2001 begleitet, ist wie der Vater im Bergbau tätig. Das Ehepaar zieht ins Ruhrgebiet nach Essen. Hier wächst die neue Heimat, erfüllt durch Ehemann und Kinder, Haus und Garten und viele Möglichkeiten, das Faible für Kunst und Kultur zu leben. Auch wenn Sohn und Tochter heute nicht mehr in Essen zu Hause sind, lebt der Kontakt zur Familie weiter. Und Irmgard Middendorfs Leidenschaft für Rosen, Kunst und Kultur. Der Rosengarten der Residenz, die Nachbarschaft zum Museum Folkwang, die nahe Philharmonie sind ihr einfach wichtig. Und auch wenn der Weg nicht dorthin führt, pflegt sie ihre Neigung zur Kultur und liest Bücher, am liebsten Romane. Gestärkt durch ein Frühstück mit Müsli und einem guten Schuss Leinöl. Auch ein Rezept, lächelt sie, für das hohe Alter.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr