Ruhrrevier

Hippotherapie auf dem Carolinenhof

Ein Stück vom Glück der Erde


Hilfe durch die Hippotherapie

Er liegt am Rande der großen Stadt und ist fast schon ein kleines Paradies. Dort, wo das sprichwörtliche „Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde“ Wahrheit wird. Und das für ganz besondere Menschen, die mit Handicaps leben müssen und das Beste daraus machen wollen. Dabei helfen auf dem Carolinenhof am Stadtrand von Essen neben einem motivierten Team eben Pferde. Sie geben den Menschen die Beine, die bei ihnen nicht funktionieren. Oder mit einem breiten Rücken Sicherheit, mit einem ruhigen Auge Vertrauen. Alles zusammen ein Stück Glück, besonders für ihre Besucher, erfährt Sibylle Braun Tag für Tag. Sie leitet gemeinsam mit Sabine Knauer den Carolinenhof der Stiftung Regenbogen.
25 Pferde, vom kleinen Shetland-Pony bis zum ausgewachsenen Warmblüter haben auf dem Hof im Essener Süden an der Oefte ihre Heimat und ihre ganz eigene Aufgabe in der Reit- und der Hippotherapie oder bei der heilpädagogischen Förderung. Fuchspony Dancer oder Schecke Nori, Jonny, Bella, Teddy, Ronja oder Skjartan, der als Isländer auch den berühmten und besonders bequemen „Tölt“ als Gangart hat – sie alle stehen im Dienste teils schwerstbeeinträchtigter Kinder. Denn Kinder sind es zu allermeist, die auf dem Carolinenhof Hilfe suchen und auch finden.

Wie Hannes, der mit vielen Handicaps sein Leben im Rollstuhl verbringen muss und nur auf dem Pferderücken einmal spürt, dass sich seine Muskeln mit der Bewegung des Tieres zeitweise entspannen können. Der 14-Jährige freut sich auf jeden neuen Termin, „das ist für ihn das Beste“, erzählt Mutter Kelly Linnemann. Der Carolinenhof und sein Team sind dafür auch bestens gerüstet: Hannes wird im Rollstuhl aufs Podest geschoben, von dort, wenn nötig eigens mit Lifter, aufs Pferd gehoben. Fjordstute Ronja, aus der ersten Pferdegeneration des Hofes, ist absolut geduldig und perfekt für diejenigen, die ihre Ruhe durch das eigene Handicap am meisten brauchen. Hannes hält es dennoch nicht alleine auf ihrem Rücken, er lehnt sich fest an seine Therapeutin Inga Send hinter ihm und strahlt über das ganze Gesicht. Nun kann es losgehen, zwei zusätzliche Begleiter sichern an den Seiten der Stute die Einheit ab.


Bis zu drei Betreuer sind notwendig, je nach Schwere der Einschränkung, erklärt Sibylle Braun. Wer dabei zum Einsatz kommt, ist ausgebildet nach den Grundsätzen des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (DKThR), das an die Deutsche Reiterliche Vereinigung in Warendorf angegliedert ist. Das gewährt höchste Standards der Ausbildung und ist Qualitätssiegel, ist Sibylle Braun überzeugt. Reitlehrern, Hippotherapeuten und Heilpädagogen steht dabei ein Team von 15 begeisterten Ehrenamtlern zur Seite, ohne die vieles gar nicht möglich wäre. Bewirtschaftet wird der Hof von Stephan Thol, mit ihm arbeitet Nicolai. Der junge Mann ist selber beeinträchtigt, hat gleichwohl seine Ausbildung zum Pferdehelfer geschafft.

Denn insgesamt arbeitet der Carolinenhof integrativ: Rund ein Drittel der Besucher kommen ganz ohne Handicap, reiten gemeinsam mit denen, die eine Therapie brauchen, aber körperlich mithalten können. Die helfen auch so weit wie möglich vor dem Unterricht bei der Vorbereitung der Pferde mit, gewinnen so eigenes Selbstvertrauen. In den Reitstunden dann üben sie zusammen für kleine Wettbewerbe, bei denen hofintern die begehrten Schleifen zu gewinnen sind.

Dabei ist der Besuch auf dem Hof für sie alle ein Stück vom Glück und gerade für besonders gehandicapte Kinder eine absolut willkommene Abwechslung von ihrem zumeist therapiegeprägten Alltag. Durch den Einsatz der Pferde, die Liebe zu den Tieren, empfinden die Kinder diese Zeit weniger als Therapie, entspannen sich anders. Wie Fynn. Der Achtjährige bringt sein Kuscheltier mit, und will es auch auf dem Pferderücken nicht missen. Fynn soll Gleichgewicht lernen, da hat er viele Probleme, kann nur ganz wenig an der Hand laufen. Mutter Andrea Fuchs schätzt den Wert der Reittherapie, nicht nur für mehr körperliche Stabilität bei ihrem Sohn: „Fynn freut sich schon, wenn wir nur hier in die Nähe kommen.“

Der Erfolg der Arbeit mit Therapeuten und Pferden ist enorm, das schätzen nicht nur die Eltern, das wissen auch die Macher auf dem Carolinenhof. „Schade nur“, sagt Sibylle Braun, „dass diese Therapien nicht von den Krankenkassen getragen werden.“ Doch ist die Einrichtung als Träger der freien Jugendhilfe von der Stadt Essen anerkannt. Dort kann darum eine Förderung beantragt werden – eine Möglichkeit, auf die die Stiftung im Sinne ihrer kleinen und größeren Patienten setzt. Denn die Spannbreite ist tatsächlich groß – von der dreijährigen Mila, die mit Opa zum Carolinenhof kommt, bis zum 34-jährigen Teilnehmer, der seine Depressionen mithilfe der Pferde bekämpft, werden sie alle auf dem Carolinenhof ein Stückchen glücklicher.

Zusatzinformationen
Fünfjähriges Bestehen
Seit fünf Jahren gibt es nun den Carolinenhof in Essen, gegründet 2011 von der Stiftung Regenbogen, einer Familie, die selber den Wert der Therapie mit Pferden erfahren hat. Aus den Anfängen mit drei Pferdchen auf dem Hof an der Oefte 10 ist inzwischen eine anerkannte und gut aufgestellte Einrichtung geworden. Der zollt auch Dressurreiterin und Olympia-Goldmedaillen-Gewinnerin Nadine Capellmann bei regelmäßigen Besuchen ihren Respekt. Viele Errungenschaften auf dem Carolinenhof haben Spender ermöglicht, Privatleute, Firmen oder Rotarier. Sie werden weiter gebraucht: Als Paten für die Finanzierung einer Therapie, für die Anschaffung neuer Pferde oder den absoluten Traum: Einen eigenen Kleinbus, der Kindergruppen aus allen Teilen der Stadt zum Carolinenhof bringen kann.
Artikel von www.top-magazin.de/ruhr