Freizeit

Einblicke: Schausteller Roland Barth und seine Fahrgeschäfte

Roland Barth kaufte mit 21 Jahren seine erste Achterbahn. Damit war er der jüngste Achterbahnbesitzer Deutschlands. Anders, als sein Leben zwischen Fahrgeschäften und Kirmesständen zu verbringen, kann und will Roland Barth nicht.


 

Persönlich wünsche ich mir, dass ich auch in Zukunft das ein- oder andere neue Fahrgeschäft den Bonner Bürgern und Bürgerinnen präsentieren kann.

Top: Herr Barth, Sie sind Teil der großen Barth-Kipp-Schausteller-Familie. In welchem Verwandtschafts-Verhältnis stehen Sie zu der Familie?

Roland Barth: Mit meiner Mutter Erni Kipp und meinem Vater Rolf Barth von der Wilden Maus haben sich damals zwei große Bonner Schausteller-Familien getroffen. Aus dieser Verbindung gingen drei Kinder hervor: mein Bruder Rudolf, meine Schwester Claudia und ich. Außerdem zwei jüngere Schwestern, Michelle und Monique, die meine Mutter mit ihrem zweiten Ehemann bekommen hat. Die Familie Barth ist mit Achterbahnen hier in Bonn sehr groß geworden, einigen wird mein Opa, Rudolf Barth, und sein Olympia Looping ein Begriff sein. Er hat 1976 mit dem Achterbahn-Fahrgeschäft begonnen. Familie Kipp ist durch ihre Riesenräder bekannt geworden, sie sind immer auf Pützchens Markt vertreten.

 

Etagenkarussell von Uropa Albert Kipp, 1925

 

Top: Wow. Das kling nach echter Bonner Familientradition.

Roland Barth: Ja. Das ist mein Familienmittelpunkt und ich bilde die siebte Generation Schausteller. Vor allem der Achterbahn-Sektor liegt auch mir sehr am Herzen. Meine erste Achterbahn „Feuer + Eis“ habe ich mit 21 Jahren gekauft und war damals der jüngste Achterbahnbesitzer weit und breit. Mein Bruder hat sich auf Riesenräder spezialisiert und meine Schwester Claudia betrieb lange Zeit mit ihrem Mann in Stuttgart ein großes Festzelt. Heute sind sie Besitzer der größten transportablen Wurstbude der Welt.

Top: Sie lassen derzeit das größte transportable Etagenkarussell der Welt bauen, 14 Meter hoch, zwölf Meter Durchmesser und 60 Sitzplätze auf zwei Ebenen. Ist das ein Kindheitstraum, den Sie hier verwirklichen?

Roland Barth: Mein Kindheitstraum ist eigentlich, der Branche treu zu bleiben. Das Etagenkarussell war weniger Kindheitstraum, sondern hat sich mit den Jahren entwickelt. Ich habe mich immer dafür interessiert, was meine Großeltern oder Urgroßeltern gemacht haben und plötzlich tauchte ein Bild von 1925 auf, auf dem mein Uropa Albert Kipp neben seinem Etagenkarussell steht. So entstand die Idee. Meine Oma Kipp hat mich mit diesem Wunsch, ein neues Etagenkarussell bauen zu lassen, bestärkt. Wir beide glauben, dass viele Vintage- oder Retro-Gegenstände gerade wieder einen großen Aufschwung erfahren.

Top: Wie ist das Procedere für den Bau eines neuen Fahrgeschäfts: Hatten Sie einen Entwurf im Kopf und haben ihn dann gezeichnet?

Roland Barth: Zeichnen ist nicht so mein Ding, das überlasse ich lieber anderen (lacht). Aber ja, ich hatte eine klare Vorstellung im Kopf und bin damit auf die Suche nach einer Firma gegangen, die den Entwurf für mich umsetzt. So haben wir den Hersteller Lamborghini in Italien gefunden – der nichts mit dem gleichnamigen Autohersteller zu tun hat – der uns ein grobes Konzept von dem Karussell liefern konnte. Wenn ich Mitte Juni wieder nach Italien fahre, dann geht es ans Eingemachte. Das heißt, wir suchen die Motive für die Figuren aus, wählen die Farben und manche Details ergeben sich erst vor Ort. Meine Mutter wird mich begleiten, sie hat sich zwar aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen, ist mir aber immer eine gute Beraterin.

Top: Wann dürfen die Bonner das erste Mal auf einem Retro-Pferd reiten?

Roland Barth: Auf dem diesjährigen Bonner Weihnachtsmarkt am 16. November! Auf dem Mülheimer Platz wird mein Karussell offiziell Eröffnung feiern. Für mich als Bonner ist das etwas ganz Besonderes und passt in unsere Familientradition, denn mein Opa Kurt Kipp hat 1974 auf dem Bonner Münsterplatz ebenfalls Premiere gefeiert, damals mit seiner Hitparade, einem Musik Express, oder auch Berg- und Talbahn. Deshalb macht es mich sehr stolz, hier auch mit einem neuen Geschäft zu stehen.

Top: Vermutlich fahren damit ebenso viele Erwachsene wie Kinder?

Roland Barth: Davon gehe ich aus. Und das ist der Moment, an dem Erwachsene sich wieder an ihre Kindheit erinnern und den Alltag vergessen. Der Plan ist auch, das Karussell für besondere Firmen, Messeveranstaltungen oder private Events anzubieten.

Top: Wer liefert eigentlich die Massen an Stahl, die es zum Beispiel für eine Achterbahn braucht?

Roland Barth: Die Hersteller für Fahrgeschäfte oder den Freizeitpark-Sektor kaufen auf dem weltweiten Markt Stahl ein. Meine Feuer+Eis-Achterbahn zum Beispiel besteht aus 160 Tonnen Stahl, das wird auf 6 LKW verladen. Mit allem Zubehör, Wohnwagen und dem Kran komme ich auf insgesamt zehn große LKW, also Schwerlast-Fahrzeuge.

 

»Am Anfang der Winterpause freue ich mich immer, nicht reisen zu müssen, aber zum März hin kribbelt es wieder.«

Top: Wie kann man sich den Aufbau eines so großen Fahrgeschäftes vorstellen?

Roland Barth: Das ist immer unterschiedlich. Manchmal habe ich zwei, drei Wochen Zeit, dann komme ich auf einem relativ leeren Platz an und kann dort in Ruhe alles aufbauen. Es gab auch schon die Situation, in der ich meine Feuer+Eis-Achterbahn innerhalb von zwei Tagen ab- und wieder aufbauen und 300 km in eine andere Stadt transportieren musste. Dort kam ich auf einem schon sehr vollen Platz an und musste zwischen all den Ständen und Fahrgeschäften meine Sachen durchmanövrieren. Aber wir Schausteller kriegen das hin, wir arbeiten alle sehr lösungsorientiert und beschäftigen uns nicht lange mit Problemen. Das Problem ist da und muss dann sofort behoben werden. Irgendwie geht immer alles.

Top: Welches Team haben Sie permanent um sich herum, damit ein Karussell nicht nur ordnungsgemäß und sicher aufgebaut werden kann, sondern auf einem großen Kirmesgelände auch genau am richtigen Platz steht?

Roland Barth: Da bin ich eigentlich immer selbst dabei. Es wird nicht eine Schraube festgezogen, ohne dass ich die genaue Anweisung gebe. Wir arbeiten hauptsächlich mit rumänischenGastarbeitern, also Saisonkräften, die den ganzen Tag aufbauen. Wenn ich mal nicht vor Ort bin, laufe ich abends die ganzen Schienen ab und kontrolliere jedes Teil. Dann kommt die untere Bauaufsicht, um eine Gebrauchsabnahme zu machen. Eine Probefahrt gehört auch dazu.

Top: Machen Sie selbst immer die erste Fahrt?

Roland Barth: Ich fahre auch, bleibe aber lieber unten stehen. Denn bei einer Achterbahn muss man mit allen Sinnen prüfen, ob die Teile richtig sitzen. Wenn irgendwo ein Teil schleift oder nicht richtig sitzt, höre ich das sofort, auch durch die Kirmesmusik hindurch. Ich habe einen sehr hohen Sicherheitsanspruch, über die TÜV-Vorgaben hinaus, schließlich transportieren wir hier Menschen.

Top: Angefangen mit der schönen Saison, reisen Sie das ganze Jahr durch Deutschland, von Kirmes zu Kirmes. Ich glaube, dass manche Kinder und Jugendliche Sie beneiden. Wie ist ein Leben auf dem Jahrmarkt?

Roland Barth: So besonders ist das für mich gar nicht, weil ich es seit Kindheitstagen kenne. Das viele Unterwegs-Sein stört mich nicht, im Gegenteil. Die zwei Jahre Corona-Pause haben mir gezeigt, dass das gar nichts für mich ist. Von Januar bis März haben wir Winterpause, weil in dieser Zeit keine Volksfeste stattfinden. Am Anfang dieser Pause freue ich mich immer, nicht reisen zu müssen, aber zum März hin kribbelt es wieder. Das ist eigentlich ein sehr schönes Leben, man kommt viel rum und hat viele Freunde in den unterschiedlichen Regionen. Natürlich rekrutiert sich der größte Teil des Freundeskreises innerhalb der Schausteller. Aber wir sind ja sehr offene Leute und freunden uns schnell mit neuen Menschen an. Es ist ein sehr spontanes und cooles Leben und ich kann mir nichts anderes vorstellen.

Top: Thema Logistik: Wer plant die ganze Organisation von Auf- und Abbau, Logistik, Transporten, …

Roland Barth: Das mache alles ich, weil ich grundsätzlich mit anpacke. Ich schweiße auch, lackiere oder helfe beim Auf- und Abbau. Meine Mitarbeiter schätzen das sehr. Abends sitze ich im Büro, teile die Fahrer für die Transporte ein, erledige Papiersachen, schreibe Kassenbuch und solche Dinge. Ich kann Aufgaben nicht gut abgeben. Wenn ich es selber mache, weiß ich, dass es so ist, wie ich es gerne hätte und richtig finde.

 

 

Artikel von www.top-magazin.de/bonn