Bonner Ausnahmeunternehmer Frank Thelen über mutige Gründer, Investitionen vor laufender Kamera und warum es unvermeidbar ist, als Start-up auch mal zu scheitern.
Er gilt als härtester Juror der VOX-Show „Die Höhle der Löwen“. Kein Wunder, denn Frank Thelen weiß, wovon er spricht. Aus seinem Büro am Bonner Bogen investiert er auch fernab seiner Fernsehkarriere in vielversprechende Start-ups. Beteiligungen an Erfolgsgeschichten wie Wunderlist, kaufDA oder MyTaxi haben ihm Millionen eingebracht. Genauso wie der Verkauf eigener Unternehmen. Meistens geht es um innovative Technologien, um Apps, um Online-Plattformen, um Design.
Top: Frank, bist du eigentlich ein Nerd?
Frank Thelen: Nein, ich würde mich eher als Geek bezeichnen. Nerds sind Geeks ohne Freundin! Ein Geek ist jemand, der innovative Technologien sofort ausprobieren muss. Kommt irgendeine neue Software oder Hardware auf den Markt, muss ich einfach wissen, was das Ding kann. So bin ich auch als Investor. Mir geht es alleine um das Produkt.
Top: Du investierst in Start-ups mit ungewisser Zukunft. Alleine, weil dich das Produkt reizt. Würdest du dich als außergewöhnlich mutig oder besonders abgebrüht beschreiben?
Frank Thelen: Nein, weder noch. Für mich steht eigentlich nur „ein wenig“ Geld auf dem Spiel. Der Gründer wiederum, wirft in der Regel sein ganzes Vermögen in den Ring. Das ist mutig. Wenn ich an meine ersten Gründungen zurückdenke, würde ich sagen, dass ich vor allem bescheuert war. Das muss aber so. Als Gründer muss man etwas verrückt sein und auch mal was riskieren. Ich hatte damals weder Angst zu scheitern, noch den Wunsch, ganz viel Geld zu verdienen. Mich hat einfach das Produkt gereizt, die Idee, ein Unternehmen aufzubauen.
Top: Apropos scheitern. Du plädierst für eine neue Fehlerkultur in Deutschland. Warum ist das wichtig?
Frank Thelen: Gründer, die metaphorisch mit 120 km/h über die Autobahn fahren, werden in der Regel nichts Besonderes leisten. Spannend wird es erst bei 300 km/h. Dann muss ich aber damit rechnen, dass es auch mal crashed. Daraus kann ich dann aber lernen. Im Silikon Valley gehört das schon lange zur DNA. Hier in Deutschland denken viele solider: „geh lieber zu Siemens oder BMW“. Wenn wir allerdings aus Angst vor einer Niederlage nichts riskieren, werden wir nie Exzellenz erreichen. Ich finde, es sollte nicht das Scheitern im Mittelpunkt stehen, sondern der Mut, es überhaupt versucht zu haben.
„Als Gründer muss man etwas verrückt sein und auch mal was riskieren.“
Top: Du selber standst auch schon vor dem Nichts.
Frank Thelen: Vor deutlich mehr als dem Nichts. Worst Case. Meine Firma war pleite, Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren und ich musste plötzlich mit knapp einer Million Euro privater
Schulden klarkommen. Damals wusste ich nicht, wie ich je wieder ein normales Leben führen soll; mit einer vernünftigen Wohnung, einem Auto und vielleicht sogar einer Freundin. Das war eine unglaublich schlimme Erfahrung. Folgendes habe ich daraus gelernt: „Never go below zero“. Das möchte ich auch jedem Firmengründer raten. Macht was ihr wollt, aber geht niemals unter Null! Unterschreibt niemals einen Kredit, den ihr nicht innerhalb von einem oder zwei Jahren abbezahlen könnt.
Top: Wie hast du dich wieder aufgerappelt?
Frank Thelen: Ich habe einfach weiter gemacht: die nächste Firma gegründet, das nächste Produkt gebaut; mit ganz einfachen Dingen, ich hatte ja kein Geld. Irgendwann hat es dann wieder funktioniert. Über die Jahre konnte ich mich dann mit den Gläubigern einigen. Die Schulden zahle ich noch heute ab: 500 Euro im Monat. Das hat für mich eine symbolische Kraft.
Top: Hast du diese Stehauf-Mentalität in der Halfpipe gelernt?
Frank Thelen: Ich denke schon. Beim Skateboarden lernst du zwangsläufig wieder aufzustehen, auch wenn du mal vom Board gefallen bist. Das ist auch die Motivation hinter Skate-Aid, einem Projekt, das ich unterstütze. Das Team bringt Kindern und Jugendlichen in Krisengebieten das Skateboarden bei. Außerdem engagiere ich mich als Schirmherr für die Initiative Beton für Bonn. Ziel ist es, einen neuen Beton-Skatepark in der Bonner Rheinaue aufzubauen. Von den benötigten 400.000 Euro werde ich einen Teil beisteuern und dabei helfen, andere Bonner Bürger und Unternehmer dafür zu begeistern.
Top: Anfang 2016 starten die Dreharbeiten für die dritte Staffel „Die Höhle der Löwen“. Wirst auch du weiter investieren?
Frank Thelen: Das darf ich noch nicht verraten. Sollte ich jedoch dabei sein, wünsche ich mir einen neuen starken Löwen im Team, der zum einen tiefgreifende Erfahrungen als Start-up-Investor mitbringt und zum anderen über ausreichend freies Kapital verfügt. Zumindest so viel Kapital, dass er oder sie nicht zu lange über eine Investition nachdenken muss. Ein bis zwei Millionen Euro sollte jeder Löwe meiner Meinung nach pro Staffel einplanen.
„Ich finde, es sollte nicht das Scheitern im Mittelpunkt stehen, sondern der Mut, es überhaupt versucht zu haben.“
Top: In der Show bleibt nur wenig Zeit, die Gründer zu durchleuchten. Hast du nach Sendeschluss schon mal einen Rückzieher gemacht?
Frank Thelen: Wenn ich vor laufenden Kameras investiere, versuche ich das auch durchzuziehen. Sollte es dann doch nicht klappen, gibt es dafür gute Gründe. Ein Bewerber hat in der Show mal behauptet, dass er 100.000 aktive Kunden vorweisen kann. Nach der Aufzeichnung stellte sich dann heraus, dass diese Kunden alles andere als aktiv, sondern nur registriert waren und dass auch andere Angaben nicht ganz stimmten. Einerseits verstehe ich solche Behauptungen. Manchmal muss man halt „oversellen“, um den Deal zu bekommen. Das habe ich schon häufiger getan. Andererseits muss irgendwo auch Substanz da sein. Sehe ich das nicht, sage ich einen Deal auch mal ab. Wenn es in der Vergangenheit jedoch zu einer Zusammenarbeit kam, habe ich in fast allen Fällen deutlich mehr investiert, als zunächst versprochen.
Top: Wie nachhaltig ist dein Engagement für die Löwen-Start-ups?
Frank Thelen: Da bleibe ich absolut am Ball. Gerade heute Morgen habe ich mit einem der Gründer telefoniert. Einige der Unternehmen entwickeln sich wirklich hervorragend. Mit Little Lunch verkaufen wir momentan Suppen für eine Millionen Euro pro Monat. Das möchte ich schnellstmöglich auf zwei Millionen Euro steigern. Das wäre schon ordentlich. Scheiß drauf, dass ein Deal auch mal platzt. Für mich ist entscheidend, dass ich relevante Unternehmen aufbaue. Relevant heißt für mich: Ein Team von mindestens 50 Mitarbeitern oder ein Exit, sprich einen Unternehmensverkauf, von über 10 Millionen Euro, besser noch um die 100 Millionen.
Top: Geht es immer um Exits?
Frank Thelen: Ja, wir sind Investoren, Venture Capitalists. Wir bauen Unternehmen auf, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Selten nach einem Tag, maximal jedoch nach sieben Jahren. Dann werden wir nervös.
Top: Wer Erfolge feiert, muss mit Neidern rechnen. Bei Misserfolg kommt Schadenfreude auf. Brauchen Gründer ein besonders dickes Fell?
Frank Thelen: Absolut! Hater, wie wir sie nennen, sind immer zur Stelle. Als ich mit meiner Dokumenten-App doo baden gegangen bin, habe ich das sehr intensiv erlebt. doo gehörte damals zu den größten Technologie Start-ups Deutschlands, mit etwa 60 Mitarbeitern und unzähligen Auszeichnungen – unter anderem von Apple, Microsoft und der Bundesregierung. Trotzdem waren nicht genügend Menschen bereit, unsere App zu nutzen. Da war die Schadenfreude extrem groß. „Der Geissen der Start-up-Szene“ hat mich damals jemand genannt. Das muss man einfach abkönnen.
Top: Aber auch diesen „Sturz“ hast du in gewohnter Stehauf-Manier gemeistert.
Frank Thelen: In der Tat. Wir sind nämlich hingegangen und haben mit einem kleineren Team und frischem Kapital eine einzelne Funktion aus dem gesamten doo-Universum herausgezogen. Das Produkt heißt Scanbot und hat weltweit über drei Millionen Nutzer. Es wird zwar kein 100-Millionen-Exit werden, aber, und so viel kann ich schon verraten: da mag bald was kommen! Dann bin wohl ich derjenige, der zuletzt lacht.