Kultur

Theater und Philharmonie Essen auf dem Weg in die Zukunft

Die Theater und Philharmonie Essen (TUP) im Aufbruch: Mit einem neuen Geschäftsführer und frischen Gesichtern an der Spitze der fünf künstlerischen Sparten geht der Essener Kulturbetrieb in die nächsten Jahre. Maßgeblich gesteuert hat den Wandel des Leitungsteams Barbara Rörig: Seit gut 20 Jahren ist die gebürtige Essenerin Mitglied im Aufsichtsrat der Theater und Philharmonie Essen (TUP), seit 2020 Jahren auch in der Rolle als Vorsitzende. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern, darunter der Essener Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain, hat sie die nicht ganz leichte Aufgabe bewältigt, von den Intendanzen über die Geschäftsführung bis zum Generalmusikdirektor alle der bisher oder künftig vakanten Leitungsposten neu zu besetzen. Ein Herzensanliegen für die Aufsichtsratschefin, der die Leidenschaft für Kultur und vor allem für Theater in der Schule mitgegeben wurde. Die Begeisterung ist ihr bis heute geblieben. Gerne teilt sie diese nun mit den Frauen und Männern an der Spitze der TUP: Neun Köpfe für ein spannendes Kulturangebot!


Das Leitungsteam der TUP mit der Aufsichtsratsvorsitzenden: (v. l.) Marek Tůma (Ballett), Selen Kara (Schauspiel), Armen Hakobyan (Ballett), Barbara Rörig (Aufsichtsratsvor-sitzende), Fritz Frömming (Geschäftsführer), Marie Babette Nierenz (Philharmonie), Ben van Cauwenbergh (Ballett), Dr. Merle Fahrholz (Musiktheater und Philharmoniker), Christina Zintl (Schauspiel), Andrea Sanguinetti (Generalmusikdirektor)

 

Merle Fahrholz
Intendantin Aalto Musik-theater und Essener Philharmoniker 

Merle Fahrholz ist längst in Essen angekommen – seit Sommer 2022 ist die gebürtige Bad Homburgerin Inten-dantin für das Aalto-Musiktheater und die Essener Philharmoniker. Doch erst in dieser Spielzeit kommt ihre eigene Handschrift zum Ausdruck: Mit Giuseppe Verdis „Macbeth“ präsentierte sie dem Publikum als Auftaktpremiere eines der intensivsten Werke des Opernrepertoires. „Im Zentrum meiner Arbeit in allen Bereichen steht die Sinnlichkeit“, betont Fahrholz. Für ihre Spielplangestaltung setzt die promovierte Musikwissenschaftlerin, für die ihre Zeit als Dramaturgin am Nationaltheater Mannheim prägend war, auf die ganze Vielfalt, die Musik-theater und Konzert zu bieten haben. Klassiker wie das Musical „My Fair Lady“, das im Herbst als Neuinszenierung auf die Aalto-Bühne kommt, sind ihr ebenso wichtig wie Neuentdeckungen, zu denen etwa die deutsche Erstaufführung der Oper „Fausto“ von Louise Bertin (ab 27. Januar 2024) gehört. Mit dem Festival „her:voice“ (09. bis 12. Mai 2024) rückt Merle Fahrholz im Frühjahr 2024 das Schaffen von Komponistinnen ins Blickfeld. Und dann freut sie sich noch über ein bedeutendes Jubiläum: „Dass ich den 125. Geburtstag der Essener Philharmoniker als Intendantin begleiten darf, ist für mich etwas ganz Besonderes. Wir werden unser Orchester mit einem mehrteiligen Programm zu Beginn des kommenden Jahres feiern.“

 

Selen Kara
Intendantin Schauspiel Essen

Mit dem Theater in Essen fühlt sich Selen Kara schon lange verbunden: „Das Grillo-Theater hat für mich einen ganz besonderen Stellenwert, denn es war das erste Theater, das ich als Schülerin besuchen und erleben durfte.“ Außerdem ist sie mit Essen familiär verbunden, da ihre Großeltern als Gastarbeiter*innen in den frühen 1960er-Jahren aus der Türkei nach Essen-Katernberg kamen. Seit 2014 arbeitet die erfolgreiche Regisseurin regelmäßig an renommierten Theatern wie dem Nationaltheater Mannheim, am Staatstheater Nürnberg und dem Schauspielhaus Bochum. Ihre Inszenierungen „I love you, Turkey“ und „Dschinns“ wurden zum Festival RADIKAL JUNG in München eingeladen. Seit August 2023 leitet die 38-Jährige gemeinsam mit Christina Zintl in einer gleichberechtigten Doppelspitze das Schauspiel Essen. Zum Einstand setzten sie „Doktormutter Faust“ von Fatma Aydemir in der Regie von Selen Kara auf das Programm und wurden nach der Premiere sowohl vom Publikum als auch von der Presse gefeiert. Insgesamt umfasst die Eröffnungsspielzeit 14 Premieren, die eine große Spannweite von Formen, Themen und Erzählweisen zeigen. Unter dem Motto „Neues Deutsches Theater“ möchten Kara und Zintl die Vielfalt der Gesellschaft im Theater widerspiegeln, sowohl auf der Bühne als auch im Publikum: „Wir möchten ein Theater für alle bieten.“

 

Christina Zintl
Intendantin Schauspiel Essen

Mit 14 Jahren bekam Christina Zintl ihr erstes Abo für das Theater Bonn geschenkt und ihre Begeisterung für das Theater war geweckt. Nach einem Studium der Szenischen Künste in Hildesheim und Aixen-Provence war sie viele Jahre Leiterin des Berliner Stückemarkts und Dramaturgin des Theatertreffen – einem der wichtigsten Theaterfestivals in der Branche. Darüber hinaus arbeitete sie als Dramaturgin an Theatern wie dem Düsseldorfer Schauspielhaus und dem Bayerischen Staatsschauspiel und als Geschäftsführende Dramaturgin am Staatstheater Nürnberg. Sie betreute als Produktionsdramaturgin namhafte Regisseur*innen, vorwiegend mit Gegenwartsdramatik, Stückentwicklungen, interdisziplinäre Arbeiten und transnationalen Projekten. Als Kuratorin verantwortet sie diskursive Programme, insbesondere zu intersektional-feministischen Themen. Am Staatstheater Nürnberg hat sie 2019 auch Selen Kara bei der gemeinsamen Arbeit an der Produktion „I love you, Turkey“ kennengelernt, die zum Festival RADIKAL JUNG eingeladen wurde. „Wir haben viel über unsere Visionen von einem diverseren Theater gesprochen, darüber, Theater für alle Menschen in einer Stadt zu machen“, so die 43-Jährige. Schließlich haben sich Zintl und Kara gemeinsam für die Intendanz in Essen beworben und zusammen leiten sie seit Beginn der Spielzeit 2023/2024 das Schauspiel Essen. Als gleichberechtigte Doppelspitze verantworten sie gemeinsam die Leitung künstlerisch und organisatorisch.

 

Marie Babette Nierenz
Intendantin Philharmonie Essen

„Als Intendantin der Philharmonie Essen möchte ich dieses Haus mit unserem Team und den Partner*innen in Kunst, Wirtschaft und Politik der Stadt Essen und darüber hinaus künstlerisch profilieren und unsere programmatische Vielfalt stetig erweitern“, erläutert Marie Babette Nierenz ihre Ziele als Intendantin der Philharmonie Essen, zu der sie im Juni berufen wurde. „Den Gedanken der bürgerlichen Partizipation sowie des Wirkens in die Stadt Essen hinein möchten wir zum selbstverständlichen Bestandteil unserer künstlerischen Arbeit mit internationalen, nationalen und lokalen Künstler*innen und Institutionen entwickeln“, betont sie weiter. Ihre Tätigkeit für die Theater und Philharmonie Essen begann Marie Babette Nierenz im Jahr 2003 im Gründungsteam zur Wiedereröffnung der Philharmonie Essen. Dort war sie zunächst im Künstlerischen Betriebsbüro tätig, dann als Leiterin der Programmplanung und seit 2013 als Künstlerische Leiterin unter der Intendanz von Hein Mulders. Die erste von ihr verantwortete Saison 2023/2024 ist geprägt von großen Künstlerpersönlichkeiten wie dem Dirigenten Sir Antonio Pappano und der Geigerin Patricia Kopatchinskaja sowie den Komponistengeburtstagen von György Ligeti und Anton Bruckner. Zudem lädt die Philharmonie Essen in zahlreichen partizipativen Konzertformaten zum Musizieren mit Profis in die Philharmonie ein und erreicht in Essener Stadtteilen durch das Projekt „Musik kommt um die Ecke“ auch die jüngsten Musikfans.

 

Ben Van Cauwenbergh
Intendant Aalto Ballett Essen

Wenn der gebürtige Antwerpener Ben Van Cauwenbergh im Sommer 2024 das Aalto-Theater verlässt, blickt er auf 16 überaus erfolgreiche Jahre als Ballettchef der Aalto-Compagnie zurück. Der Sohn der Tänzerin Anna Brabants erhielt selbst frühzeitig Ballettunterricht, begann beim Königlichen Ballett von Flandern und war erster Solist unter anderem des London Festival Ballet. Nach Ende seiner tänzerischen Laufbahn wurde er Ballettdirektor und Chefchoreograf zunächst in Luzern und danach viele Jahre in Wiesbaden. Dem 65-Jährigen liegt es besonders am Herzen, das traditionelle Tanz-repertoire zu pflegen: „Ich will die Schönheit des klassischen Tanzes in den Mittelpunkt stellen.“ So verwöhnt er sein Publikum mit bezaubernden Aufführungen der großen Ballettklassiker wie „Schwanensee“, „Giselle“ oder „Romeo und Julia“ – und das Publikum liebt ihn dafür. Begeistern kann er es auch mit neoklassischen Balletten wie seiner Kult gewordenen „Tanzhommage an Queen“ oder dem Chaplin-Abend „Smile“. Um Ballett in seiner ganzen Vielfalt zu zeigen, hat er darüber hinaus international renommierte Gastchoreografen ans Haus geholt, unter anderem Jiři Kylián, David Dawson oder Ohad Naharin. Nach seinem Abschied vom Aalto-Theater will er sich ganz seiner weiteren Leidenschaft widmen, dem Segeln: „In Schweden, in St. Tropez … und sicher auch auf dem Baldeneysee.“

 

Marek Tůma
Designierter Intendant Aalto Ballett Essen

Für Marek Tůma ist das Aalto Ballett Essen seit 15 Jahren seine zweite Familie. 2008 wechselte er als Ballettmanager und stellvertretender Intendant gemeinsam mit Intendant Ben Van Cauwenbergh aus Wiesbaden zur Aalto-Compagnie. Insgesamt 30 Spielzeiten hat er mit dem Belgier zusammengearbeitet. Diese Zeit endet im Sommer. „Es wird nicht leicht in Bens Fußstapfen zu treten“, sagt der 48-Jährige. Denn er übernimmt ab der Spielzeit 2024/2025 mit dem derzeitigen Ballettmeister Armen Hakobyan die Intendanz der Aalto-Compagnie. In der Doppelspitze wird Marek Tůma die Compagnie administrativ leiten und zum Beispiel für die Akquise von Gast-Choreografen und Produktionen verantwortlich sein. Das Intendanten-Duo möchte auf der Arbeit von Ben Van Cauwenbergh aufbauen und weiterhin die Wünsche des Publikums bei der Spielplangestaltung im Blick behalten. Die Aalto-Compagnie zeichne sich vor allem durch ihre Qualität und ihre Vielseitigkeit aus. „Unsere Tänzer*innen können alles tanzen“, sagt Marek Tůma voller Stolz. Besonders die programmatische Vielfalt von Klassikern wie „Schwanensee“ bis zu zeitgenössischen Choreografien wie den Chaplin-Abend „Smile“ mache die Compagnie stark. „Wir werden die klassische Prägung der Compagnie als Basis für unsere Arbeit nehmen und dem zeitgenössischen Tanz in seinen vielfältigen Ausdrucksformen mehr Raum geben“, kündigt der gebürtige Tscheche an.

 

Armen Hakobyan
Designierter Intendant Aalto Ballett Essen

„Ich bin immer auf der Jagd nach etwas Neuem“, sagt Ballettmeister Armen Hakobyan. Sein großer Ehrgeiz und seine harte Arbeit haben dem 44-Jährigen den Weg zum Solotänzer, Choreografen und nun designierten Intendanten geebnet. Ab der Spielzeit 2024/2025 leitet er in einer Doppelspitze mit Ballettmanager Marek Tůma das Aalto Ballett Essen. Vor 13 Jahren führte ihn sein Weg von Düsseldorf nach Essen. „Eigentlich wollte ich aufhören zu tanzen und Barkeeper werden, aber Ben hat mich überredet weiterzumachen und die Qualität und das Repertoire der Compagnie hat mich überzeugt“, sagt Hakobyan. Aber nicht nur als Solotänzer, sondern auch als Choreograf trat er in Erscheinung. Zunächst zeigte er im Rahmen der PTAH-Reihe erste Arbeiten. Größere Stücke folgten mit „Frequencies“ in der Philharmonie und mit „Moving Colours“ (Spielzeit 2017/2018) sowie aktuell mit dem Chaplin-Abend „Smile“ im Aalto-Theater. Seine Choreografie „Many a moon“ wurde bei „Noverre: Junge Choreografen 2019“ mit dem Stuttgarter Ballett aufgeführt. Armen Hakobyan wird als Haus-Choreograf zukünftig die künstlerische Ausrichtung prägen und für künstlerischpersonelle Fragen zuständig sein. In seiner Arbeit möchte er neue Wege finden, sich auszudrücken und junge Nachwuchstalente fördern: „Tanz ist eine besondere Sprache, in der man sich mit seinem eigenen Körper ausdrücken kann. Das hat etwas Geheimnisvolles.“

 

Andrea Sanguineti
Generalmusikdirektor

Der neue Generalmusikdirektor der Essener Philharmoniker und des Aalto-Theaters, Andrea Sanguineti, ist für das Essener Publikum kein Unbekannter. Der gebürtige Italiener war bereits in zahlreichen Opernproduktionen am Aalto-Theater ein gern gesehener Gastdirigent. In seiner neuen Funktion gab er Anfang September bei der Premiere von „Macbeth“ seinen Einstand: „Die Musik ist mir sehr nah, das Libretto phänomenal und die Figuren sind hochinteressant. Für mich als Italiener quasi ein Heimspiel.“ Zuvor dirigierte er in Essen bereits „Carmen“, „La Bohème“ und „Der Nussknacker“ und leitete die Premieren von „Dornröschen“ sowie „Dido and Aeneas“ und „Don Carlo“. Sein weitgefächertes Repertoire reicht von den italienischen Belcanto-Opern über Verdi, Puccini bis zu den Wagner-Opern „Tannhäuser“, „Der fliegende Holländer“ oder „Tristan und Isolde“. Andrea Sanguineti studierte Klavier und Komposition am Konservatorium in Genua und anschließend Dirigieren an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien und am Mailänder Konservatorium. Dort machte er als eines der jüngsten Nachwuchstalente im Alter von nur 23 Jahren sein Diplom. Nicht nur im Aalto-Theater, sondern auch in der Philharmonie Essen kann man ihn nun regelmäßig erleben, die ein ganz besonderer Ort für ihn ist: „Der Saal strahlt für mich etwas sehr Großstädtisches aus. Es ist für mich eine Ehre, hier mit den Essener Philharmonikern neben anderen internationalen Klangkörpern aufzutreten.“

 

Fritz Frömming
Geschäftsführer

Fritz Frömming ist noch ganz frisch im Amt: Seit Anfang September leitet der Diplom-Kaufmann die Theater und Philharmonie Essen (TUP) als Geschäftsführer. Der gebürtige Niedersachse ist damit Nachfolger von Karin Müller, die sich in den Ruhestand verabschiedet. „Für die TUP in Essen arbeiten jeden Tag rund 700 Menschen auf und hinter den Bühnen, damit dieser große Theater- und Konzertbetrieb angesehen und erfolgreich ist. Ich möchte, dass das so bleibt, freue mich auf die Herausforderung und darauf die Menschen kennenzulernen“, ist seine Botschaft zum Antritt. Frömming kennt das deutsche Theatersystem sehr gut. Bereits als Student hat er als Statist und Regieassistent am Theater gearbeitet. Später war er an mehreren Häusern in verantwortlichen Positionen tätig, zuletzt am Landestheater Coburg als Kaufmännischer Direktor sowie an den Theatern in Chemnitz und Bonn als Marketingdirektor und Referent des Generalintendanten. Fritz Frömming steht nun in der Verantwortung, die Geschicke der TUP auch in finanziell anspruchsvollen Zeiten zu lenken. Dabei ist es ihm wichtig, die Zukunft aktiv zu gestalten: „Gemeinsam mit den künstlerisch Verantwortlichen und allen Mitarbeitenden möchte ich meinen Beitrag leisten, dass unser Publikum weiterhin mit Begeisterung unser vielfältiges Programm in allen Sparten besucht.“

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr