Kultur

Eine Karte an Herrn Putin

Prof. Dr. Ulrich Spie hat vor allen dingen eines: die Kinder im Blick. Und das ist als Vorsitzender des deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) in Essen auch sein Auftrag. Die Kinder im umkämpften Land und auf der Flucht, aber auch alle Mädchen und Jungen, die hier zu Hause ihren Sorgen und Nöten auch mal Luft machen und gar nicht nur tatenlos zusehen wollen.


Ein großes Herz für große Hilfe: Prof. Dr. Ulrich Spie setzt sich als Vorsitzender des Kinderschutzbundes in Essen für Kinder und Familien aus der Ukraine ein

 

„Im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht, die Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten zu schützen, treffen die Vertragsstaaten alle durchführbaren Massnahmen, um sicherzustellen, dass von einem bewaffneten Konflikt betroffene kinder geschützt und betreut werden.”

UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 38 (Schutz bei bewaffneten Konflikten)

 

Und das können sie in Essen nun auch tun: Eine Karte an Putin mit dem Kinderschutz aus der UN­Kon­vention senden sie zu Hunderten an den Herrscher im Kreml. Darauf ne­ben der Mahnung ein Bild, gemalt von der 9­jährigen Ursula, das all die­se Wünsche nach Schutz und Hilfe ausdrückt.

Eigentlich will Prof. Spie diese Akti­on gar nicht so hoch aufhängen, sie ist einfach ein Teil des großen Enga­gements, mit dem er und sein Team beim Kinderschutzbund gerade auf so vielen Ebenen im Einsatz sind. Wie soll man mit den Kleinen reden, die hier zu Hause die Angst spüren – dazu gibt es viele Tipps für Eltern, und je­den Tag mit den rund 1.000 kleinen Gästen der Kitas, Lernhäuser, der offenen Angebote und am Spielmobil viele Gespräche und Aktionen. Die Karte an Putin, sie ist nur eine davon, aber sie hilft ebenso, wie selbst Bilder zur Situation zu malen: Vom Panzer bis zur Friedenstaube bieten die Mo­ tive da viel Stoff zum Reden.

Es ist aber so viel mehr, was der Kin­derschutzbund in Essen gerade zu stemmen hat: Von einer Willkom­menskultur über Gesundheitsschutz für Schwangere bis hin zur Beglei­tung kriegstraumatisierter Kinder. „Bei vielem können wir auf unsere Erfahrungen aus dem Syrienkrieg zurückgreifen, gerade bei den trau­matisierten Kindern“, sagt Spie. Die Herausforderung: „Es geht immer um die passende Expertise in der richti­gen Sprache, die müssen wir finden und aufbauen.“ Die Verständigung mit den Menschen, ausreichende Ka­pazitäten für Übersetzung und Ver­mittlung auch im Ehrenamt, ist bei allem Einsatz für die Ankömmlinge ein zentraler Punkt. Bei der Beglei­tung von Schwangeren, die beson­ders schutzbedürftig sind, hat der Kinderschutzbund schon einige Ka­pazitäten – aber je mehr Menschen kommen, desto größer wird der Über­setzungsbedarf.

Beratung für die Eltern, in aller Regel sind es ausschließlich Mütter, die mit ihren Kindern nun der Heimat wegen des Kriegs vorübergehend den Rü­cken kehren, gehört für Ulrich Spie zur Willkommenskultur. Die umfasst auch die Grundausstattung mit allem Nötigen, zum Beispiel im Kleiderla­den des DKSB. Für die Kinder gibt es als Hilfe beim Eingewöhnen Spiel­zeug. „Wir verschenken nur neue Sa­chen, so wie zum Kindergeburtstag“, erklärt der Vorsitzende und bittet um gezielte Unterstützung: „Dafür brau­chen wir Geld, keine Sachspenden. Die sind bestens gemeint, aber über­fordern uns mit der Logistik.“

Mit Spielzeug allein ist es eben auch bei Weitem nicht getan. Es geht neben dem Ankommen um Integration, um Lernen, um Gemeinschaft. Ganz nie­derschwellig fährt das DKSB­Spiel­mobil die Ziele in der Stadt an, wo Kinder aus den umkämpften Gebie­ten erste Zuflucht gefunden haben. Außerdem werden Betreuungsplätze gebraucht. „Unsere fünf Lernhäu­ser in der Stadt haben jetzt nicht nur nach der Schule, sondern ganztägig geöffnet. Kitas wollen in Abstim­mung mit der Stadt zusätzliche Plätze bereitstellen. Außerdem geht es um die Eingliederung in die Schulen, ers­te zweisprachige Materialien stehen dafür schon zur Verfügung“, erklärt Prof Spie. Und hat noch viele weitere Herausforderungen im Blick: Unbe­gleitete Flüchtlingskinder, die den Kontakt zu ihren in der Heimat ge­bliebenen Eltern aufnehmen und hal­ten müssen. Oder Kinder, die noch in der Ukraine in Heimen festsitzen. Es gibt einfach ganz viel zu tun für den Kinderschutzbund in Essen.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr