Kultur

An, Ein, Aussichten: Eine Reise zum Wein — Die Marchesi Mazzei

Kurvenreich schlängelt sich die Landstraße durch die sanft geschwungenen Hügel zwischen Siena und Florenz. Vorbei an Rebbergen, ausgedehnten Feldern und durch kurze Waldstücke führt sie uns ans Ziel unserer Reise: Fonterutoli. Für unsere Weinreise haben wir einen kleinen, pittoresken Ort ausgewählt, der einst Geschichte geschrieben hat. Im Mittelalter lagen die beiden mächtigen Städte Siena und Florenz im Streit.


 

Das Begrüßungsglas: Angekommen im Herzen von Fonterutoli

 

Um die Grenzstreitigkeiten zu beenden, hatten sich ihre Bischöfe als Schlichter angeboten und legten die Regeln fest. Zum gleichen Zeitpunkt an einem festgelegten Tag sollte der Wettstreit beginnen. Ganggenaue mechanische Uhren sollten erst sehr viel später erfunden werden und so definierte man den ersten Hahnschrei als Startsignal. Sobald dieser ertönen würde, sollte in jeder Stadt ein Ritter losreiten. Dort, wo die beiden Ritter aufeinandertreffen würden, wäre der zukünftige Grenzpunkt. Die Sieneser hatten einen weißen Hahn, den sie nach Strich und Faden verwöhnten und das Tier wurde faul und träge.

Die cleveren Florentiner hingegen hielten ihren schwarzen Hahn kurz und so krähte das hungrige Tier immer schon sehr früh am Morgen. Dies gab dem Florentiner Ritter den entscheidenden Vorsprung und er war fast schon vor den Toren von Siena, im kleinen Weiler Fonterutoli, als er auf seinen Sieneser Gegner traf.

Tief in den Berg hineingegraben sind die Reifekeller der Marchesi Mazzei

 

Ein grandioser Siegeszug und zum Dank wurde der schwarze Hahn, der Gallo Nero, später zum Symbol der Weine des Chianti Classico, was uns wieder nach Fonterutoli und zum Grund unserer Reise führt. Wir werden von Giovanni Mazzei erwartet, der in der 26. Generation den Familienbetrieb managt und der eng mit der Geschichte des wohl berühmtesten Tropfens der Toscana verbunden ist. Es war ein Vorfahre der Marchese, Ser Lapo, dem wir das erste schriftliche und heute historische Dokument zum Chianti verdanken. Seit dieser Zeit sind die Mazzeis diesem besonderen Wein verpflichtet.

 

Der ursprüngliche Fels fungiert als natürliche Klimaanlage,
demonstriert Giovanni Mazzei

 

Empfangen werden wir jedoch nicht im historischen Dorfkern, der heute das Zentrum eines wunderbaren Agriturismo ist, sondern direkt in der neuen Weinkellerei. Sie liegt etwas abseits vom Dorf und thront über den Hügeln des Chianti-Classico-Gebiets, von denen man einen unvergleichlichen Blick auf das mittelalterliche Siena mit seinen Türmen und Mauern hat. Mit dieser Kellerei haben die Mazzeis gekonnt eine Verbindung von Tradition und Moderne geschaffen. Es war Agnese Mazzei, die dieses architektonische Kleinod in den Hügeln geplant hat und das von Weitem wenig spektakulär wirkt. Doch so-bald man seinen Fuß in das Gebäude setzt, kommt man ins Staunen. Der oberirdische Teil ist nur ein Bruch-teil der Kellerei und wirkt fast wie die Spitze eines Eisbergs. Der Großteil des Gebäudes ist zunächst dem Auge verborgen und auf drei Etagen unterirdisch in den Fels geschlagen. So können die Weine unter der Erde, geschützt vor der heißen toskanischen Sonne, in aller Ruhe reifen. Tausende von Fässern reihen sich aneinander, denn schließlich müssen die begehrten Spitzenweine für längere Zeit im Holzfass ausgebaut werden. In diesem unterirdischen Gewölbe schlägt das wahre Herz des Weinguts. Und doch ist dieses Kunststück der Architektur nur ein kleiner Baustein im Werden von großen Weinen, wie uns Giovanni eindrücklich vor Augen führt.

Der ganze Reichtum der Familie liegt in den einzigartigen Weinbergen. Die Böden aus Kalk, Galestro und Albarese bringen den ausdrucksstarken Charakter in die feinen Gewächse der Rebsorte Sangiovese. Wir besuchen die besonders typischen Lagen, die für den Chianti Classico „Gran Selezione“ die Sangiovese-Trauben liefern. Da wäre zunächst „Castello di Fonterutoli“. Dieser Gran Selezione stammt aus 11 Weinbergen, die rund um das gleichnamige Flüsschen liegen. Man könnte den Wein auch als „Château“ der Mazzeis bezeichnen. Sangiovese in purezza, seiner reinsten Form, mit 12 verschiedenen Klonen, von denen alleine acht über Massale-Selektion gewonnen wurden. Dies gibt den Weinen ihren unverwechselbaren und komplexen Charakter. Von Hand gelesen und schonend gekeltert, werden die Trauben langsam vergoren. Der Jungwein reift für 18 Monate in Barriques von 225 Litern Inhalt oder Eichenfässern von 500 Liter Volumen, die jeweils zur Hälfte neu sind. Vicoregio 36 heißt der zweite Gran Selezione aus einem spektakulären Weinberg, in dem 36 Sangiovese-Biotypen gepflanzt wurden, das Resultat von 50 Jahren Forschung mit dieser Rebsorte. In Castelnuovo Berardenga auf einer Höhe von 350 Metern über dem Meeresspiegel kann man dieses Kleinod finden. Das lokale Klima wird hier durch sonnige Tage und kühle Nächte charakterisiert. Dieser Spannungsbogen sowie die Böden aus Alberese und Sandstein bringen einen hervorragenden und üppigen Gran Selezione hervor. Das Gegenteil finden wir in Radda. Auf 570 über dem Meeresspiegel liegen die Weinberge des Badiola. Ein Ort mit kühlem Klima, der Weine von großer Eleganz und Frische hervorbringt und in dem die Aromen roter Beerenfrüchte eine maßgebliche Rolle spielen. Ein Aromenprofil, das durch die Böden aus Galestro und Arenaria unterstützt wird. Die Trauben in diesem Weinberg werden häufig zuletzt geerntet.

 

Konzentrierte Verkostung – Chianti Classico „Gran Selezione“ und der Kultwein Siepi

 

Eine Mischung aus all den vorgenannten Charakteristika zeigt sich im ganz einfachen Chianti Classico des Castello di Fonterutoli. Er ist die ideale Visitenkarte und die Begrüßungsflasche, im Freien unter einer üppig wuchernden Pergola genossen, holt uns sofort ab. Er zeigt auch die große Vielfalt der Weine, die vom Chianti Classico bis zum Super-Toskaner Siepi reicht. Seit 1435 gehört Siepi zum Reich der Mazzei und ist doch keine historische Reminiszenz. Denn hier nahm eine kleine Revolution ihren Anfang, als zu Beginn der Achtzigerjahre Sangiovese mit gleichen Teilen Merlot cuvetiert und in Barriques gereift wurde. So entstand schon damals ein komplexer Wein mit beeindruckender Eleganz und Kraft, der seine Frische über Jahre und Jahrzehnte hält.

Eine Pause mit Dennis Ihle im Garten von Ipsus

 

Der Wein entspricht ganz der Philosophie der Familie: Vornehmlich autochthone Rebsorten sind die Grundlage für individuelle Weine, die nicht nur den Geist und die Leidenschaft dieser weinbegeisterten Familie in den Vordergrund rücken, sondern auch ihr Bestreben, stets für die nächsten Generationen vorzusorgen. Das gilt für Fonterutoli ebenso wie für die Weine der Tenuta Belguardo in der Maremma oder das Weingut Zisola auf Sizilien. Giovanni ist überzeugt, dass nur eine nachhaltige Landwirtschaft das Gleichgewicht der Natur erhalten kann. Wasser ist dabei einer der Schlüssel für den Erfolg, dieses im Boden zu halten ist seiner Meinung nach die Garantie, den kommenden Generationen eine intakte Natur zu übergeben. Beim Abendessen im Ristorante Albergaccio di Castellina können wir den Erfolg der Familie mit einigen feinen und besonders schön gereiften Tropfen, die hervorragend zur regionalen Küche passen, erleben. Dies ist für Giovanni und seine Familie wichtig, schließlich ist der beste Wein die Flasche, die mit Freunden zu einem guten Essen geteilt wird. Zum Glück haben die Mazzeis viele gute Flaschen im Keller.

 

Giovanni Mazzei und Team mit Dennis Ihle und Markus Del Monego

 

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr