Ruhrrevier

An/Ein/Aussichten von Dennis Ihle

Wow, die Kulisse ist echt filmreif. Und das mitten im Revier, in Bochum. Passt ja. Schließlich kommt einer der spannendsten Filmhelden aus Wattenscheid, früher Nachbarstadt, heute Teil von Bochum. Ein Filmheld mit rauen Sitten, vielen schönen Frauen und besonders coolen Autos: James Bond, Agent 007, im Geheimdienst Ihrer Majestät mit der Lizenz zum Töten. Ganz schön spannend – nicht nur seine inzwischen 25 Abenteuer, auch die Geschichte oder vielleicht besser die Geschichten seiner Geburt. Denn, und das ist schriftlich verbrieft, die war am 11. November 1920 eben in Wattenscheid. Das will ich als Bochumer doch mal genauer wissen und gehe auf Spurensuche, finde einen Bond-Club, Bond-Bier, alte Häuser und viele tolle Geschichten.


Das hätte James Bond ganz bestimmt auch gefallen: Die Zeche Hannover in Bochum ist eine spannende Kulisse. Nicht nur für unser Fotoshooting mit einem Aston Martin auf Bonds Spuren in Wattenscheid. Es ist echte Industriekultur und ein interessantes Museum für Groß und Klein noch dazu.

 

Diese Spuren führen mitten ins Revier. Genau ins industrielle Herz, zu Krupp und dem Bochumer Verein. Diese Fährte legt kein Geringerer als John Pearson in seiner 1973 erschienenen „autorisierten“ Biografie von James Bond, und er notiert darin als Geburtsort des Super-Agenten Wattenscheid im Ruhrgebiet. Pearson ist Freund und enger Mitarbeiter des Bond-Erfinders Ian Flemming und schwört: Es war Flemming selber, der ihm dies in die Feder diktiert habe.
Es ist also ein wahrscheinlich grauer 11. November in diesem Nachkriegsjahr 1920, als der kleine James das Licht der Welt erblickt. Der Vater Andrew Bond, ein schottischer Ingenieur aus Glencoe, ist im Ruhrgebiet stationiert, um hier nach dem Ersten Weltkrieg die deutschen Rüstungsbetriebe zu zerschlagen, speziell Krupp und den Bochumer Verein. Seine Mutter Monique stammt aus der Schweiz, wo sie auch eigentlich ihr Erstgeborenes zur Welt bringen will. Das Schicksal in der Geschichte will es anders: Monique steht am Bahnhof in Wattenscheid – aber der Zug kommt nicht. Man sagt, durch einen Eisenbahnerstreik. Die Mutter bleibt hier, James wird in Wattenscheid geboren, so kommt die Stadt zu diesem berühmten Sohn, und ich bin augenzwinkernd ein bisschen stolz, als Bochumer mit ihm die Herkunft praktisch zu teilen …

Um sofort keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich ist das alles nicht wahre Geschichte, aber immerhin doch eine echt schöne Story, die der Biograf John Pearson da aufgeschrieben hat. Dadurch haben eingefleischte Bond-Fans aus aller Welt Wattenscheid nun auf dem Schirm. Da fällt mir meine Beichte fast schon ein bisschen schwer: Diese Erzählung kannte ich offen gestanden lange nicht, habe aber festgestellt, dass ich diese „Wissenslücke“ mit ganz vielen Menschen aus der Region teile. Wie war das noch so sprichwörtlich: Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.

 


 

ZECHE HANNOVER BURG FÜR DEN BERGBAU

Einst war sie Ort schwerer Arbeit, heute ist sie Industriemuseum: Mit ihrem wuchtigen Malakowturm erinnert die Zeche Hannover an eine Burg aus dem Mittelalter. Erbaut wurde sie Mitte des 19. Jahrhunderts, heute kann man dort Geschichte und Innovation erleben. Innovativ ist die Fördertechnik, die hier erfunden wurde und die bis heute weltweit im Einsatz ist. In der Maschinenhalle dreht sich bei Schauvorführungen die große Treibscheibe der Dampffördermaschine von 1893. Sie ist das älteste Exemplar, das man im Ruhrgebiet am Originalstandort sehen kann. Ein Highlight für die Jüngsten ist der Bergbauspielplatz „Zeche Knirps“. Das alles gibt es wieder ab März und mehr Infos unter: https://zeche-hannover.lwl.org/de/

 


 

Treffpunkt Villa Baare – hier hat 007 seine ersten Kinderjahre im Revier verbracht. Die Story kennt auch Mario Schiefelbein (l.), der Chef von Bochum Marketing, die den berühmten Geheimagenten zum 100. Geburtstag kräftig gefeiert haben.

 

Aber das Leben vermittelt uns eben immer wieder neue Einsichten – also auch die vom Thriller-Helden aus dem Revier. Der ist übrigens, folge ich den Überlieferungen, auf einem großen Anwesen mit viel Personal sowie jeder Menge Hunde und Pferde groß geworden. Das haben Kenner dann schnell als die Villa Baare identifiziert. Die war 1880 vom Bochumer Verein für den Generaldirektor Louis Baare und seine Familie errichtet worden. Dort also glaubt man, sei James Vater, für die ersonnene Mission, Krupp zu zerschlagen, stationiert gewesen. In dem großen Haus mit tollem Park wuchs James als kleiner Junge auf. Ich finde klasse: Heute sind da wieder ganz viele Kinder. Die Anlage in Höntrop zwischen Feuerwehr und Reitverein Wattenscheid mit der schönen Adresse Reiterweg 13 ist nämlich inzwischen Heimat einer Waldorf-Kita.

 

Für Martin Lenz ist der Spion seiner Majestät bis heute mittendrin in Wattenscheid. Grund genug, mit einem James Blond auf den berühmten Sohn der Stadt anzustoßen.

 

Aber tatsächlich gibt es in Wattenscheid noch ein anderes Geburtshaus von James Bond zu bestaunen. Das entdecke ich durch echte Insider-Tipps an der Bochumer Straße. Die Ecke kenne ich von früher ganz gut, in Wattenscheid habe ich nämlich bei der Caritas meinen Zivildienst gemacht. Seit meiner Zeit hier hat sich natürlich eine Menge verändert. Und ich stehe nun staunend vor der Fassade der Hausnummer 46, der man leicht abnimmt, dass hier vor mehr als 100 Jahren schon Kinder geboren wurden. Die alte Holztür des Hauses knarrt geheimnisvoll, dahinter öffnet sich eine ganz eigene Welt: Eine Bond-Ausstellung mit fantasie- und liebevoll zusammengetragenen Exponaten rund um den legendären 007 und seine Kinderjahre. Babywäsche und Kinderspielzeug, Klassenfotos und alte Urkunden, Koffer und ein betagtes Gewehr zeichnen (vermeintliche) Stationen des Geheimagenten nach. Das ist das Gemeinschaftswerk vom Bond-Club Wattenscheid mit Tobias Schwesig und der Initiative „Mittendrin“ mit ihrem Kopf Martin Lenz. Mit ebenso viel Herzblut wie Augenzwinkern haben sie die Story um den Filmhelden für ihre Heimatstadt gekapert und locken damit Leute in die Stadt. Eine echt coole Aktion mit der Mission, auch mal ganz andere Ansichten des Reviers zu vermitteln. Auch wenn echte „action à la 007“ im Moment noch ein bisschen ausgebremst ist, schmieden die Wattenscheider spannende Pläne rund um ihren berühmten Sohn in Diensten des britischen Geheimdienstes MI6. Zunächst haben sie ihn und viele Zutaten an der Hochstraße buchstäblich ins Schaufenster gestellt, aber 2021 lassen sie es richtig krachen.

 


 

DIE VILLA BAARE ORT DER KINDHEIT

James Bond hat seine Wattenscheider Kindheit auf einem großen Anwesen verbracht. Das ist für Insider die Villa Baare, ein Haus mit einer eigenen spannenden Geschichte. 1880 vom Bochumer Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation errichtet, ging sie 1888 an Generaldirektor Louis Baare. Der war zu jener Zeit der bedeutendste Bochumer und einer der führenden Industriellen des Ruhrgebiets. 1898 ergänzte Baare die Villa durch ein großes Wirtschaftsgebäude. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich (Fritz) Baare ließ das Haus 1903 durch einen Turm und Anbauten erweitern. Das Innere wurde umgebaut und im Stile englischer Landhäuser eingerichtet. 1945 haben die englischen Besatzer unter dem Kommando von Major Couddoc das Anwesen dann tatsächlich beschlagnahmt, so wie es Pearson in der Bond-Biografie für den Ersten Weltkrieg beschrieben hat. 1974 kauft schließlich die Stadt Wattenscheid die alte Villa und stellt sie dem Waldorf-Schulverein zur Verfügung. Seither dient sie als Kindergarten.

 


 

JAMES BLOND – BITTE NICHT SCHÜTTELN

Zu Ehren des berühmten Geheimagenten hat sein Geburtsort ein eigenen Bier aufgelegt. Ein bekömmliches, süffiges Ale, das als „James Blond“ in der hellen und als „James Dunkelblond“ in der dunklen Variante gebraut wurde. Kreiert hat die goldenen Bierspezialitäten Braumeister Gerhard Ruhmann aus Bochum-Hordel. Ende 2019 ist das Bond-Bier in Wattenscheid entstanden und wurde zum runden Geburtstag noch einmal im größeren Stil aufgelegt.

 


 

Dann wird mit Wattenscheid aus dem Schauplatz einer erfundenen Geschichte – wie sagen wir im Revier so schön – „ganz in echt“ eine Pilgerstätte für Bond-Fans. Die hat Tobias Schwesig mit dem neuen Bond-Club ganz schnell für sich gewonnen und ist sich schon tatkräftiger Unterstützung sicher. Besonders gerne unterstützt Chris Distin, ein britischer Bond-Sammler der in Niedersachsen lebt, die Aktionen im „Geburtsort“. Distin hat eine Menge echter Exponate aus den berühmten Agenten-Streifen zusammengetragen und stellt sie dem Club im Revier für die geplante Ausstellung zur Verfügung. Alles will Tobias Schwesig natürlich noch nicht verraten, aber zwei Motorräder werden dabei sein – und die Waffe aus „No Time to Die“.

Wen das aus aller Welt nach Wattenscheid lockt, der darf sich hier auf eine ganz besondere Zugabe freuen. Ganz typisch für das Revier: Ein eigenes Bier, James Blond, gibt’s als helles und als „Dunkelblond“. Tja, Ideen muss man eben haben. Wie Bochum Marketing, die haben 007 zu seinem 100. Geburtstag auch schon richtig hochleben lassen, Plakate geklebt und Postkarten gedruckt: „Liebe Grüße aus Wattenscheid.“ Für mich jedenfalls ist nach dieser Spurensuche klar: Hier in Wattenscheid braucht es gar keine Liebesgrüße aus Moskau mehr. Ich halte es mit einer Headline aus der Welt: „Ach 007, wärest du in Wattenscheid geblieben“.

 

„Geburtshaus Nummer zwei“: An der Bochumer Straße 46 hat der Bond-Club gemeinsam mit der Initiative Mittendrin eine Gedenkstätte für den Geheimagenten geschaffen

 


 

BOND CLUB WATTENSCHEID

Sie brennen für ihre Stadt und sie brennen für Mr. Bond, den berühmten Sohn. Und so haben sie im Jahr des 100. Geburtstags des Geheimagenten im Dienste Ihrer Majestät den Bond-Club Wattenscheid aus der Taufe gehoben. Noch so jung, hat das Team um Tobias Schwesig damit doch schon bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Bond-Fans und Experten von nah und fern unterstützen den Club. Wie der Braunschweiger Autor und Bond-Experte Danny Morgenstern. Er hat in seinem Buch „James Bond für Besserwisser“ verschiedene Ereignisse aufgelistet, die alle am einem 11. November im 007-Universum verankert sind. Wer mehr wissen will wird fündig unter https://bond-club.de/

 


 

WIE ES WEITERGEHT: VON WATTENSCHEID ALS AGENT NACH WANGEROOGE

Eines ist klar: Irgendwann hat James Bond Wattenscheid den Rücken gekehrt. Doch damit ist seine deutsche Geschichte noch nicht vorbei. Wer wissen will, wie es weitergeht, wird bei Hoagy Carmichael und „Flemings Vorstellung von James Bond“ fündig. Und die geht so: Die Eltern Bonds sterben 1931 bei einem Ski-Unfall in Chamonix (Drehort „Die Welt ist nicht genug“). James kommt zunächst zu einer Tante nach Canterbury, mit 13 Jahren ins Elite-Internat Eton College, vom dem er zwei Jahre später fliegt – nach einem „Zwischenfall“ mit einem Zimmermädchen. Die Ausbildung beendet er im Fettes College in Edinburgh, geht danach zur königlichen Marine und beobachtet im Zweiten Weltkrieg im Nachrichtendienst die deutsche U-Boot-Flotte. Dafür wird er auf der Insel Wangerooge abgesetzt. Im Inselsand eingegraben, sollte er die Schifffahrtsrinne observieren, die die U-Boote auf dem Weg zum Reichskriegshafen Wilhelmshaven nutzten. Bald erreichte er den Rang eines Commanders, damit stand ihm der Weg in die Doppel-Null-Abteilung offen. Die Doppel-Null seiner Agen-tennummer steht für die Lizenz zum Töten.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr