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Corona: Durchstarten mit neuem Sanierungsgesetz

Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen in eine Krise gestürzt. Der Gesetzgeber hat nicht nur durch Subventionen reagiert. Zur Vermeidung von Insolvenzen trat zum Jahresanfang 2021 in Umsetzung einer europäischen Restrukturierungsrichtlinie ein Gesetz zur Vermeidung von Insolvenzen – das sogenannte Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) – in Kraft. Nach dem Motto „früh, schnell und still“ bietet das Verfahren einen Rahmen, der Unternehmen eine frühe außergerichtliche Sanierung ermöglichen soll. Mit einem Reorganisationsplan können sich Krisen-Betriebe wieder fit machen.


Doris Zur Mühlen, RST-Partnerin und Vizepräsidentin von DIE FAMILIEN-UNTERNEHMER

 

Trotz des starken Konjunktureinbruchs durch die Corona-Pandemie ist die Zahl der Insolvenzen in Deutschland im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um ca. 13,4 Prozent gesunken. Zur Abfederung der Pandemiefolgen hatte die Bundesregierung bekanntlich Ende März 2020 schnell reagiert und betroffene Unternehmen mit umfangreichen Überbrückungshilfen gestützt. „Doch die Insolvenzstatistik, die auf den ersten Blick vermuten lässt, dass die getroffenen Maßnahmen greifen, ist nur bedingt aussagekräftig“, kommentiert Rechtsanwalt Dr. Dietmar Rendels, Insolvenzrechtsexperte und Partner der RST Beratung (Köln).

 

AUSSETZUNG DER INSOLVENZ-ANTRAGSPFLICHT

Dr. Peer-Robin Paulus, Mitglied der Geschäftsleitung bei DIE FAMILIEN-UNTERNEHMER

Bis zum 30.09.2020 war die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit – sofern die Krise auf Corona beruhte – ausgesetzt. Seit dem 01.10.2020 ist wegen Zahlungsunfähigkeit bei juristischen Personen die Antragspflicht wieder „scharf“ gestellt. Zur Überschuldung lief die Aussetzung zum Jahresende 2020 aus. Doch nach Anordnung des zweiten harten Lockdowns im Dezember brachte der Gesetzgeber aber ganz kurzfristig eine erneute partielle Aussetzung der Antragspflichten bis Ende Januar 2021 auf den Weg. „Die Abschaffung des Insolvenzgrunds der Überschuldung stellt seit langem eine Forderung des Verbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER dar. Der Gesetzgeber scheint dem nun entgegenzukommen“, erklärt hierzu Dr. Peer-Robin Paulus, DIE FAMLIEN-UNTERNEHMER (Berlin). Erst nach dem Auslaufen der Maßnahmen wird man ein klares Bild der Lage zeichnen können. Die Insolvenzbranche rechnet jedoch mit einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen im Jahr 2021. Doch nicht jedes Insolvenzszenario muss für ein Unternehmen das Ende bedeuten. „Geschäftsführern, die im eigenen Unternehmen Krisenanzeichen feststellen, empfehlen wir, sich möglichst frühzeitig mit der Situation zu befassen. Mit Blick auf die Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber die Handlungsalternativen

Dr. Sandra Körner, RST-Partnerin

gerade noch einmal erweitert“, führt Rechtsanwältin Dr. Sandra Körner, RST Beratung (Köln), aus. Bereits seit einigen Jahren existiert die Option eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Bei dieser Form der Insolvenz bleibt der Unternehmer – regelmäßig unterstützt durch geeignete Sanierungsexperten – im „Driver Seat“. Das Insolvenzgericht stellt ihm einen sogenannten Sachwalter zur Seite, der das Verfahren wie ein Aufsichtsrat überwacht. Der Schuldner kann eine Entschuldung über einen Insolvenzplan, eine Art Zwangsvertrag mit seinen Gläubigern, erreichen. „Unsere Erfahrung aus zahlreichen Eigenverwaltungen zeigt, dass der Erfolg des Verfahrens von einer ordnungsgemäßen betriebswirtschaftlichen Vorbereitung abhängt. Unerlässlich sind ein Sanierungsgrobkonzept und eine Finanzplanung“, erklärt Karsten Zabel, RST Beratung (Essen). Mit einem „Corona-Schutzschirm“ hat der Gesetzgeber nun einen erleichterten Zugang zum Eigenverwaltungsverfahren für Unternehmen geschaffen, deren Schieflage auf die Pandemie zurückzuführen ist. „Wir sind erfreut, dass damit unsere Forderung umgesetzt wurde, das Instrument der Eigenverwaltung für coronabedingt zahlungsunfähige Unternehmen zu öffnen“, erläutert Doris Zur Mühlen, Vizepräsidentin des Verbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER (Berlin) und Partnerin der RST Beratung (Essen).

 

INSOLVENZ-PRÄVENTION MIT MO-DULAREM INSTRUMENTENKASTEN

Allerdings ist auch die Insolvenz in Eigenverwaltung ein förmliches Insolvenzverfahren, das spätestens mit der Verfahrenseröffnung öffentlich bekannt gemacht wird. Viele Unternehmer scheuen das Verfahren aus Sorge vor einem Reputationsverlust bei Kunden, Lieferanten und Kreditgebern. Zur Vermeidung des „Insolvenzmakels“ gab es seit längerem Bestrebungen auf europäischer Ebene zur Schaffung eines neuen, außergerichtlichen Sanierungsverfahrens. Der Gesetzgeber hat die Corona-Pandemie nun zum Anlass genommen, eine entsprechende europäische Richtlinie schneller als ursprünglich geplant umzusetzen und in das SanInsFoG zu gießen, das zum 01.01.2021 in Kraft getreten ist. Der Rechtsrahmen soll außergerichtliche Sanierungen mithilfe eines Reorganisationsplans fördern. Die Instrumentarien dieses Gesetzes sind aber nur bei einer drohenden, d. h. noch nicht eingetretenen Zahlungsunfähigkeit und bei guter betriebswirtschaftlicher Vorbereitung anwendbar.

Dr. Dietmar Rendels, RST-Partner

Das Verfahren ist wie ein Instrumentenkasten ausgestaltet, aus dem ein Sanierungsberater situationsgerecht verschiedene Module auswählen kann. Zu den Stabilisierungsinstrumenten gehören eine Sanierungsmoderation durch einen gerichtlich bestellten Sanierungsmoderator und die Anordnung eines Vollstreckungsstopps. Hierdurch soll Verhandlungsdruck erzeugt werden, damit Gläubiger einer insolvenzvermeidenden Lösung, dem sogenannten Reorganisationsplan, zustimmen.

Bei allem darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass die Schäden bei Gläubigern gestiegen sind. Durch Insolvenzen haben sich die ForderungsausKarsten Zabel, RST-Partner fälle im Jahr 2019 (von 1,2 Mrd. Euro) in 2020 auf 2,2 Mrd. Euro erhöht. Zurückzuführen ist das insbesondere auf Großinsolvenzen wie Kaufhof oder wirecard. Aus Sicht von Unternehmern, die versuchen ihre Forderungen durchzusetzen, besteht das Risiko, dass Schuldner den neuen Instrumentenkasten missbräuchlich nutzen.

 

DIE EIGENTLICHE FEUERPROBE LIEGT NOCH VOR UNS

Karsten Zabel, RST-Partner

Am heikelsten wird im Jahr 2021 die Phase nach dem Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in Verbindung mit der fortdauernden großen Wirtschaftskrise. Es wird definitiv für viele mehr als haarig. In den zurückliegenden Monaten seit März 2020, als es galt, all die zu retten, die gerettet zu werden verdienen, haben die Experten der RST Beratung in vorderster Front an der Seite des Verbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER und gemeinsam auch mit den Experten der CDU-nahen Mittelstandsunion gestanden. Die Politik bekam einiges an wichtigem fachlichem Input im Dreieck Berlin – Essen – Köln. Denn, so Paulus weiter, „auch im Rettungswagen wird nicht zuerst nach der Kasse gefragt“. 2021 wird noch einmal schwer. Aber echte Musketiere haben auch darauf eine Antwort.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr