Menschen

Ich bin kein Promi ich bin Schauspielerin

Ulrike Kriener stammt aus Bottrop. Sie besucht ihre Geburtsstadt regelmäßig. Und ist bei den Menschen vor allen Dingen auf dem Bildschirm zu Gast.


 

Ulrike Kriener spielt die Kommissarin Lucas. Seit 2003 läuft die Serie erfolgreich im ZDF. Am 6. April wird der 28. Fall „Polly“ ausgestrahlt.

 

Sie ist die Kommissarin Lucas oder die Reporterin Renate Rottmann bei Bier Royal, sie kommt als Caroline Seitz mit den Dienstagsfrauen ins Wohnzimmer oder als Daniela Krüger bei Beste Freundinnen.  Sie spielt zusammen mit Heiner Lauterbach und Senta Berger in „Willkommen bei den Hartmanns“. Und sie stammt aus Bottrop: Ulrike Kriener. Geboren und aufgewachsen in der Stadt, die gerade jetzt 100 Jahre alt wird. Mit 17 Jahren hat sie sich von dort aus auf ihren eigenen Weg gemacht. Mit viel Erfolg und längst schon großer Bildschirmpräsenz. Ihre Wurzeln im Revier aber hat die Tochter eines Elektrosteigers, die heute in München lebt, behalten. Und sie pflegt sie. Mit regelmäßigen Besuchen beim Vater in der Heimatstadt.

Dann drehen sich in Bottrop die Köpfe um nach der schmalen blonden Frau mit ihrer ganz besonderen Ausstrahlung. Im Restaurant bei Große-Wilde, wo sie in ihrer Geburtsstadt gerne bei einem gepflegten Essen den Abend ausklingen lässt, im Altenheim, wo der Vater heute lebt, und auch in der Siedlung mit der elterlichen Wohnung. Die ist bis heute Anlaufstelle, wenn Ulrike Kriener sich auf den Weg „nach Hause“ macht. Eine Wohnung voller Erinnerungen, eine Zeit, diese zu sortieren, langsam auch Abschied zu nehmen. Denn eigentlich ist ihr Zuhause längst in der bayerischen Landeshauptstadt. „In München lebe ich seit 1986, schon viel länger als jemals im Revier.“ Nicht nur durch die regelmäßigen Besuche in der einstigen Heimat sind die Erinnerungen an die Zeit lebendig. Geboren in der Eigenheimstraße, da wo die Stadtgrenze zu Oberhausen genau zwischen zwei Häusern verlief. Grundschule in Oberhausen-Osterfeld, streng nach Konfessionen getrennt: links die katholischen, rechts die evangelischen Kinder. Ulrike ging „natürlich nach links“. Kirche spielte damals in der Familie Kriener eine wichtige Rolle. Und schuf Gemeinschaftsgefühl: „Wir Kinder aus der Siedlung sind immer alle zusammen in die Kirche gegangen, am liebsten dahin, wo es einen peppigen Pfarrer gab. Und gemeinsam zur Kommunion, auch das war verbindend.“ Gemeinschaft und Nähe, kurze Wege, jeder kennt jeden, auch weil der Hauptarbeitgeber die Zeche ist. „Wenn ich eine neue Freundin hatte, wussten es die Eltern immer sofort.“ Die Eltern sind streng, aber: „Mist gemacht haben wir natürlich trotzdem.“ Zum Beispiel im Gymnasium, das damals noch strikt nach Jungen und Mädels getrennt war. Ulrike setzte sich einfach mal zu den Jungens in die Klasse, mal sehen, ob es auffällt, schauen was passiert. Natürlich flog sie auf und achtkantig raus – „aber gegangen bin ich mit hoch erhobenem Kopf,“ sagt sie heute mit feinem Lächeln.

Das alles passiert in einer zunehmend politisierten Zeit. „Von Kennedys Ermordung habe ich auf dem Schulweg erfahren, irgendwie war man dadurch total elektrisiert.“ Die Zeit prägt und Ulrike Kriener wirft erst die Schule, dann die ungeliebte Ausbildung als Arzthelferin hin, geht nach Hamburg, macht dort das Abi nach und besucht dann die Schauspielschule. Zu der Zeit ist in Moers die große Zeit des Schlosstheaters mit Holk Freitag, ein Shootingstar in der Provinz, dem der Ruf eines engagierten Theaters vorauseilt. Das begeistert die frische Absolventin: „Ich habe mir damals gar nicht zugetraut, sofort an ein großes Theater zu gehen. Und es hat mir etwas bedeutet, dass es engagiertes Theater gibt.“ Also spielt sie dort, und schon sehr schnell kommt das Fernsehen hinzu. Berengar Pfahl, der Autor und Regisseur, der selber aus Mülheim stammt, entdeckt sie schon 1977 für sein Fernsehspiel „Britta“. In dem Zweiteiler spielt Ulrike Kriener Brittas Freundin Sigrid. Von Stund an holt Berengar Pfahl sie immer wieder für seine Produktionen, Ulrike Kriener schlüpft immer häufiger auch in die Hauptrolle. Doris Dörrie wird auf sie aufmerksam, sie lernen sich kennen. „Im Inneren des Wals hat dann unsere Freundschaft begründet“, erzählt Ulrike Kriener über Verbindungen, die ihr wichtig sind. Wie mit Gerburg Jahnke, der Kabarettistin aus dem Revier. Oder mit Gisela Schneeberger, der Kollegin, mit der es sich wunderbar entspannt schwatzen, lachen und blödeln lässt.

Und natürlich zu Regisseuren, die ihr in der Arbeit so viel bedeuten. Neben Doris Dörrie (unter anderem „Klimawechsel“) noch Matti Geschonneck oder aus der Kommissarin Lucas erst der Dortmunder Thomas Berger, jetzt Nils Willbrandt. Die Ellen Lucas, sie passt bei Ulrike Kriener zu den Anfängen mit dem engagierten Theater. „Das ist eine Super-Frauenrolle. Sie ist störrisch und moralisch, autoritär, oft ungeschickt in der Führung ihres Teams. Ihre düstere Seite ist die Einsamkeit. Sie ist überhaupt nicht konziliant oder gefällig. Das wollte ich gerne spielen.“ Und Ulrike Kriener weiß: „Auch die Zuschauer goutieren sehr wohl, dass die Kommissarin genau so ist. Ihr trauen sie die Kompetenz zu“, und muss darum auch Folge für Folge daran arbeiten, dass „diese Ellen Lukas nicht zu nett wird.“ Figuren, die Sympathieträger sind, auch mit Schwächen zu gestalten, das reizt die Schauspielerin  in ihr besonders. „Das Publikum findet das gut, weil es weiß, das Menschen eben so sind.“

Dahinter steckt harte Arbeit. Eine einzige Szene, immer wieder gespielt für immer neue Kameraeinstellungen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Immer wieder die gleiche Tasse heben, immer wieder mit genau der gleichen Geste, sie an genau den gleichen Platz zurückstellen. Der Zuschauer sieht es nicht – natürlich – genau das ist eben Professionalität. Texte lernen auch kein Thema. Für große Rollen, für kleinere. „Traumrollen“, sagt Ulrike Kriener, „gibt es für mich nicht, die habe ich nie gehabt.“ Vielmehr gilt ihr Engagement immer einem Projekt, den Inhalten, den Zusammenhängen, egal wie groß die Rolle ist. „Ich muss in die Rolle passen, muss Identifikation herstellen können.“ Und: „Ich möchte Futter für den eigenen Geist und auch tolle Kollegen.“ Die trifft sie seit 2003 in den nun 28 Epsioden der sperrigen Kommissarin aus Regensburg. Die Neuen im Team, wie nun Regisseur Nils Willbrandt, sind ihr willkommen: „Der hat mich wirklich noch einmal weitergebracht.“

Denn Schauspielerei ist Herzenssache, aber vor allen Dingen auch Beruf. „Ich bin nicht solistisch unterwegs. Beim Regisseur laufen alle Fäden zusammen und man einigt sich auf der Basis des Drehbuchs. Dafür muss man als Schauspielerin auch mal die Kontrolle abgeben. Andere beurteilen lassen, wie ich jetzt wirke. Es selbst zu wollen wäre ja absurd.“ Bekannt, berühmt, auf den Bildschirmen präsent, aber: „Promi ist ein anderer Beruf. Damit habe ich nichts zu tun. Ich bin Schauspielerin.“

Sagt Ulrike Kriener, die in der harten Männerwelt der früheren Zechen groß geworden ist. In Bottrop. Hier drehen die Menschen auf der Straße, bei Große-Wilde oder in der Siedlung die Köpfe nach der Schauspielerin um. Man kennt sie, weil sie im eigenen Wohnzimmer so oft zu Gast ist. Auf dem Bildschirm. Das nächste Mal wieder am 6. April im ZDF, wenn Ulrike Kriener wieder Ellen Lucas ist. Die Kommissarin mit Ecken und Kanten. Eine Super-Frauenrolle für die Schauspielerin aus dem Revier.

 

Kommissarin Lucas „Polly“, der 28. Fall

Eine tote Jugendliche, aufgebahrt im Geäst eines Baumes, zwölf Meter über dem Boden. Kommissarin Lucas sieht darin eine Art Bestattungszeremonie. Doch wer tut so etwas? Die Ermittlungen führen sie und ihr Team auf den idyllisch gelegenen Aschenbachhof, in ein Heim für schwer erziehbare Mädchen. Von dort war das Opfer Monate zuvor verschwunden. Polly (Marie Bloching), die beste Freundin der toten Moni (Luise von Finckh), ist psychisch labil und scheint von der Nachricht völlig mitgenommen.

Hat sich der private Träger des Heims unter Leitung des knallharten Geschäftsmannes Helmut Kroiß (Arnd Klawitter) etwas zuschulden kommen lassen? Und welche Rolle spielen die Heimleitung (Jule Ronstedt) und das Jugendamt? Oder ist das Motiv für den Mord vielmehr im direkten Umfeld des Opfers zu suchen? Für Kommissarin Lucas wird Polly zur zentralen Schlüsselfigur in diesem Fall.

 

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr