Menschen

Hans Martz trifft Ben van Cauwenbergh


Erfolgreicher Segler, Gewinner der Kieler Woche 2010 bei den Drachenbooten, Belgischer Meister im Segeln aber auch: Tänzer des Jahres 1984, gefeierter Ballettchef am Aalto-Theater und Choreograf von „Schwanensee“,
„La vie en rose“ und „Tanzhommage an Queen“. Auf dem Weg von der Ballettprobe zum Baldeneysee sprach Hans Martz* mit ihm.

* Vorsitzender des Freundeskreises Theater und Philharmonie Essen e.V.

 

 

Ben van Cauwenbergh auf dem Baldeneysee. Die Segel sind gesetzt – auf gehts.

 

Herr Van Cauwenbergh, wir alle kennen Sie als erfolgreichen Ballettchef hier am Aalto-Theater. Dass Sie auch ein sehr erfolgreicher Segelsport-ler sind, wissen die Wenigsten. Im letzten Jahr haben Sie die Belgische Meisterschaft gewonnen. Was bedeutet das Segeln für Sie?

Segeln ist für mich Entspannung pur. Die Theaterwelt ist sehr anspruchsvoll und beim Segeln kann ich mich wunderbar erholen und neue Ideen entwickeln.

Was war denn ihr bisher größter Erfolg?

Das war sicher der Gewinn der Kieler Woche im Drachensegeln. Das Ereignis ist schon ein großes Erlebnis, und wenn man dann auch noch als Hobbysegler vor den Profis ins Ziel kommt, das vergisst man nicht mehr.

Man sagt ja oft: „Segeln ist etwas für ganze Kerle“ und Tanzen ist dagegen eher etwas Anmutiges, Schönes, Graziles. Wie passt das zusammen?

Na ja, ich kann beides gut kombinieren. Das war für mich immer ein Exit nach einer harten Spielzeit oder am Wochenende. Und man darf nicht vergessen, Tanz ist auch ein Hochleistungssport.

Jetzt sind wir also doch bei Ihrer eigentlichen beruflichen Passion angekommen. Wie kommt ein junger Mann wie Sie zum Tanzen?

Bei uns liegt Tanzen in der Familie. Meine Tante hat z. B. das „Königliche Ballett von Flandern“ gegründet und meine Mutter hat auch getanzt. Aber für mich war das zunächst nicht der entscheidende Punkt, ich wollte immer etwas Sportliches machen. Bei mir standen immer Segeln und Skifahren an oberster Stelle meiner Prioritätenliste. Auslöser für den Tanz war mein Bruder Tom, der sich schon früh für das Tanzen entschieden hatte. Ich habe ihm in der Schule immer zugeschaut und auf einmal hat es bei mir „Wow“ gemacht. Von da an war ich dem Tanz verfallen.

Sie haben mal gesagt: „Tanzen ist Leben“ – was meinen Sie damit?

Wenn man so voll Enthusiasmus war, wie ich damals, dann bedeutet Tanzen eben alles – es! ist! das! Leben! Für einen Tänzer gibt es dann nichts anderes mehr. Das ganze Leben dreht sich dann um den Tanz.

Sie haben im Laufe Ihrer Karriere viele internationale Auszeichnungen gewonnen. Sie waren zum Beispiel Tänzer des Jahres 1984. Wie wichtig waren diese Auszeichnungen für Sie?

Jede Auszeichnung war immer ein neuer Motivationsschub, jede Auszeichnung hat mich weitergebracht, hat mich mit wichtigen Menschen aus der Tanzszene zusammengeführt. Daraus sind tolle Freundschaften, aber natürlich auch sehr wichtige Engagements und ein großes Netzwerk entstanden. Wenn man als Tänzer eine Goldmedaille in dem internationalen Wettbewerb von Lausanne gewinnt oder in Varna so hervorragend abschneidet, dann hat man automatisch plötzlich viele Connections. Solche Wettbewerbe sind ein Mekka für Ballettdirektoren, Intendanten und anderen Companien. Da kommt die gesamte internationale Tanzszene zusammen, und man bekommt sofort neue Angebote. So habe ich auch das Engagement in London bekommen.
London war eine sehr wichtige Station für mich. Ich konnte mit Nurejew, der immer ein großes Vorbild für mich war, arbeiten und tanzen. London war aber auch sehr anstrengend, denn Nurejew hatte ein eigenes Festival und wir haben jeden Tag zwei Vorstellungen getanzt. Dazwischen mussten wir noch für ein neues Stück proben. Das war sehr hart und ich musste aufpassen, dass ich meinen Körper nicht überfordere.

 

 

Stijn Helsen, Frank Dobbels und Ben van Cauwenbergh mit dem Drachen auf Spi-Kurs

 

Damals hat Ihnen die Welt offen gestanden?

Ja, ich habe auf der ganzen Welt getanzt: in New York an der Metropolitan Opera, in China, in ganz Europa.

Nach einem kurzen Zwischenstopp in Belgien sind Sie mit Ihrer Frau Nadia nach Monaco gegangen.

Ja, auch das war eine schöne Zeit, auch wenn ich dort nicht getanzt habe. Nadia hatte dort ein Engagement. Kurze Zeit später hat sich dann Luzern bei mir gemeldet und wollte mich als Ballettdirektor engagieren. Das war ein kleines Haus mit einer tollen Intendanz, die mich auch hervorragend unterstützt hat in der neuen Rolle. So konnte ich „Step by Step“ in die neue Aufgabe hineinwachsen.

Nach Luzern kam Wiesbaden – wieder ein größeres Haus.

Ja, das war ein nächster wichtiger Schritt für mich. Klaus Leininger war damals Intendant. Das Haus war größer, hatte mehr Möglichkeiten, eine größere Bühne und noch mehr Tänzer. Daraus sind 15 Jahre geworden mit wahnsinnig viel Erfolg, eine tolle Zeit, eine wunderschöne Stadt. Nach 15 Jahren konnte mein Vertrag dort nicht mehr verlängert werden, weil ich dann unkündbar gewesen wäre. Das wollte man nicht, obwohl ich volle Häuser hatte und 10000 Unterschriften gesammelt wurden, weil ich dann unkündbar gewesen wäre. Das wollte man nicht, obwohl ich volle Häuser hatte und 10.000 Unterschriften gesammelt wurden, um mich in Wiesbaden zu halten. Ganz Wiesbaden stand hinter mir – ein schönes Gefühl. Dann kam der Ruf nach Essen. Das war natürlich noch einmal ein Sprung für mich, denn Essen hat eine fantastische Tanzhistorie und ein Aalto-Theater, das seinesgleichen sucht. Jetzt bin ich schon 10 Jahre hier.

10 Spielzeiten sind Sie jetzt hier in Essen. Das ist groß gefeiert worden mit „Ten by Ben“, ein Riesenerfolg, ausverkaufte Vorstellungen. Viele haben sich weitere Vorstellungen gewünscht.

Ja, das weiß ich, aber das ist natürlich auch eine Terminfrage, denn die Aufführungen müssen in den Spielplan passen. Aber es ist auch noch etwas anderes: Ten by Ben war ein Querschnitt durch meine Spielzeiten und Rückblick. Ein Fest muss aber auch irgendwann mal wieder aufhören. Einen Geburtstag feiert man auch nur einen Tag.

Das Ballett hier in Essen hat ja nicht nur eine lange und erfolgreiche Vergangenheit, es ist gleichzeitig aber mit Ihnen auch sehr erfolgreich. Worauf führen Sie den Erfolg zurück? Ist es die Kombination von klassischen und zeitgenössischen Produktionen?

Ehrlich gesagt: Es gibt nur einen Satz dafür: Ich bin da für das Publikum! Ich bin in jeder Vorstellung, ich weiß, wie das Publikum reagiert und ich spüre, was das Publikum sehen will. Ich kenne natürlich auch die Kritik, die in Richtung Entertainment geht. Aber wofür bin ich denn da? Ich bin doch da für das Publikum. Und ich vergleiche das oft mit früher bei der „Commedia dell’arte“, auch da sind die Künstler auf die Straße gegangen und haben ihr Publikum gesucht, und wenn sie gut waren und viele Zuschauer hatten, gingen sie mit dem Hut herum.
Natürlich muss ich auch für ein anderes Publikum denken, an die Besucher, die Ballett mit klassischen Produktionen lieben. Ich versuche beides: Ich bin im klassischen Ballett groß geworden und es hat für mich immer einen hohen Stellenwert gehabt. Aber ich versuche auch die richtige Balance zu halten und biete deshalb auch zeitgenössische Stücke an, damit auch neues Publikum den Weg ins Aalto findet. Und eine Auslastung von mehr als 85 Prozent ist ja für ein Ballett schon wahnsinnig gut. Aber ich erkenne auch, dass die Zeiten schwieriger werden. Ballett kostet Geld, und wir müssen schon viele Ideen entwickeln, um bei engen Finanzen den guten Standard zu halten. Da muss man „Schwanensee“ auch schon mal mit weniger Schwänen tanzen oder auf teure Requisiten verzichten.

Ihre Tochter Marie tanzt auch – haben Sie sie dazu ermuntert?

Nein, absolut nicht, ganz im Gegenteil. Ich habe gesagt: Marie mach es nicht, es ist sehr hart. Du musst immer diszipliniert sein, immer trainieren – auch mit Schmerzen. Die Gagen sind niedrig, und was machst du nach deiner Karriere. Sie hat es trotzdem getan und ist mit viel Engagement dabei.

Sie haben gerade die körperlichen Heraus-forderungen angesprochen. Wie lange kann man in einer Companie tanzen?

Das kann man natürlich nicht generell sagen, aber man ist Anfang 30 auf dem Höhepunkt, und es geht dann noch bis etwa 35, manchmal auch bis 40 Jahre.

Was machen die Tänzer und Tänzerinnen nach der Karriere?

Ja, das ist ein echtes Problem. Viele Tänzer denken nicht an die Zeit nach dem Tanzen. Viele lassen sich umschulen, manche haben das Glück, dass sie Ballettmeister in einer Companie werden.

Es gibt ja auch Kritiker, die gerne mehr klassisches Ballett sehen würden. Was wür-den Sie diesen Kritikern antworten?

Die Frage ist mir sehr willkommen. Wir sind eine Companie, die das klassische Repertoire sehr mag und ich selbst komme ja aus der klassischen Schule, aber wir müssen beide Seiten sehen. Es muss eine richtige Balance sein zwischen klassischen und zeitgenössischen Stücken, denn wir dürfen nicht stehen bleiben. Nicht nur das Theater ist vielfältig, auch das Publikum ist vielfältig und deshalb muss beides sein.
Ich mache auch klassische Stücke gerne kompakt, denn ich möchte nicht, dass mein Publikum nach drei Stunden und zwei Pausen erschöpft nach Hause geht. Es darf nicht langweilig sein. Schwanensee z. B. habe ich sehr kompakt choreografiert, damit das Publikum den Abend danach auch noch genießen kann.

Vielleicht noch ein Wort zu den Choreografien.

Ja gerne, bei einem klassischen Ballett hat man immer schon ein Gerüst, eine historische Vorlage. Daran kann man sich orientieren und eine Idee entwickeln. Bei eigenen Choreografien wie „La vie en rose“ zum Beispiel geht das nicht. Dieses Ballett muss ich von Anfang an konstruieren. Darin liegt dann meine Identität, das ist dann mein Stempel. Ich entwickle ein Ballett auch immer rund um meine Tänzer und Tänzerinnen. Für „La Vie en rose“ hatte ich das Glück in der Companie eine Tänzerin zu haben, die singen kann und Französin ist. So entwickeln sich dann im Laufe der Zeit immer mehr Ideen und die Choreografie wächst. Ich liebe Persönlichkeit und ich liebe Emotionen auf der Bühne. Für mich kommt es nicht nur auf die Technik an, die muss man als Tänzer beherrschen.

Sie haben ja sehr erfolgreiche eigene Cho-reografien gemacht. La Vie en rose ist gerade schon angesprochen. Aber da gibt es noch „Tanzhommage an Queen“ und „Schwanensee“. Worauf führen Sie den Erfolg zurück?

Ich denke für das Publikum und viele andere Choreografen denken für sich selbst. Ich bin aber hier von der Stadt Essen angestellt, um meinem Publikum etwas anzubieten und sie ins Theater zu holen. Thea-ter ist kein Selbstzweck, es soll Menschen begeistern und ein Aushängeschild für die Stadt sein.

Die nächste Spielzeit steht vor der Tür. Es gibt ein paar richtige Highlights. Was sollte sich das ballettinteressierte Publikum unbedingt ansehen?

Ja, natürlich „Onegin“, es ist ein tolles Stück, ich selbst habe es oft getanzt. Das ist ein Stück von John Cranko, und es ist ein Stück, das in der Tanzwelt einen großen Namen hat. Es ist zwar auch ein sehr teures Stück, aber es ist unglaublich schön. Das ist der eine Schwerpunkt der nächsten Spiel-zeit, der andere ist „Rock around Barock“. Ich will darin verrückt und witzig sein, aber mit Niveau und mit dem nötigen Respekt vor dem klassischen Ballett.

Wenn Sie einen Wunsch an das Publikum oder an die Politik äußern dürften, was würden Sie sich dann wünschen?

Vom Publikum wünsche ich mir, dass es mir treu bleibt, mir weiter vertraut und die Companie liebt. Von der Politik würde ich mir wünschen, dass das Theater weiter gut unterstützt wird, denn wir kommen jetzt an unsere finanziellen Grenzen, und ein solches Haus ist zu wichtig für die Stadt, dass die Qualität schlechter wird. Wenn wir die Qualität verlieren, verlieren wir auch das Publikum.

Der Freundeskreis Theater und Philharmonie unterstützt das Ballett ja seit vielen Jahren mit namhaften Beträgen. Was bedeutet die Förderung für Sie?

Das ist natürlich sehr wichtig für mich. Ohne eine solche Förderung gäbe es Theater in dieser Form heute nicht mehr. Ich kann nicht dankbar genug sein für die Unterstützung und möchte mich bei allen Mitgliedern des Freundeskreises und natürlich auch bei den Unternehmen für die großzügige Hilfe bedanken. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Menschen sich daran beteiligen würden, damit wir die Qualität des Balletts erhalten können.

Was würden Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben, die Tänzer oder Tänzerin werden wollen?

Ich würde sagen, wenn du talentiert bist, musst du alles dafür tun. Jeder freie Tag oder ein Tag ohne tanzen ist ein verlorener Tag. Es ist ein harter Job und sehr kurz. Denk an die Zeit nach deiner Karriere.

 

Ben van Cauwenbergh entspannt und zufrieden beim Fotoshooting

 

 


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Artikel von www.top-magazin.de/ruhr