Ruhrrevier

Anne Bude

Die Trinkhalle gehört zum Ruhrgebiet wie der Käse auf die Stulle, oder – frei nach Loriot: Ein Leben ohne Trinkhalle ist möglich, aber sinnlos. Darum feiert die Metropole Ruhr 2016 als „Jahr der Trinkhalle“. Das steuert am 20. August auf seinen Höhepunkt zu: Diesen Samstag ruft Ruhr Tourismus zum „Tag der Trinkhallen“ aus.


“Komm wir gehen Anne Bude”

An 50 ausgewählten Büdchen steigt ein förmliches Programm-Feuerwerk, um diesen besonderen Begegnungsort der Kultur(en) zu würdigen. Den passenden Song dazu hat die Band „Ruhrschnellweg“ – und präsentiert natürlich „Anne Bude“ musikalisch am 20. August.

Anne Bude GummibärenEin Blick in die Geschichte zeigt, warum die bunten Büdchen von heute seit ihrem Beginn eine ganz besondere Bedeutung für das Ruhrgebiet hatten. Die ersten Trinkhallen gab es in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals wurden sie von Mineralwasseranbietern in Industriestädten errichtet, um die Volksgesundheit zu heben. Denn seinerzeit war es üblich, den Durst während der Arbeit mit Bier und Branntwein zu löschen. Manch ein Arbeitgeber zahlte gar einen Teil des Lohnes in Alkohol aus. Jedoch war Trunksucht unter den Arbeitern der großen Fabriken der bürgerlichen Gesellschaft ein Dorn im Auge und galt als Bedrohung für Ordnung und Moral. Also stellten die Städte und Gemeinden günstige Flächen für den Bau von Trinkhallen zur Verfügung. Der Gedanke, durch den Verkauf von „Heilwässern“ den kleinen Leuten das Gefühl einer „ambulanten Kur“ zu ermöglichen, findet sich vor allem in der Gestaltung der Trinkhallen wieder. Sie wurden den Pavillons des Adels nachempfunden mit offenen Seiten und vielen Verzierungen. 1859 entwarf Walter Gropius eine Form, die als Vorbild für Trinkhallen in Paris, Frankfurt, Hamburg und dem Ruhrgebiet diente.

Im Laufe der Jahre erweiterte sich das Angebot der Trinkhallen. Um die Jahrhundertwende boten sie nicht nur Mineralwasser, sondern auch Tee, Kaffee, Milch und Tabakwaren an. Bald kamen die ersten Speisen hinzu, dann Zeitungen, irgendwann sogar Alkohol. Die Trinkhalle wurde nach und nach zum Kleinstgeschäft für Dinge des täglichen Bedarfs und somit zum sozialen Treffpunkt in der Nachbarschaft. Hier traf man sich und konnte sich zwanglos austauschen, ohne sich verabreden zu müssen.

Den Höhepunkt erreichte der Trinkhallenboom 1960. Mit dem wachsenden Wohlstand wuchs auch das Angebot. Neben Zeitschriften nahmen Zigaretten und Süßigkeiten einen Großteil ein. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Trinkhalle den modernen Zeiten geöffnet. Trotz aller Konkurrenz haben die Büdchen ihren Status bewahrt. Heute gibt es noch 8.000, und sie sind nach wie vor lebendiger Ausdruck der Industriekultur, haben einen hohen Stellenwert für die lokale Versorgung sowie eine soziale Funktion in der Nachbarschaft.


Sie heißen Kiosk oder Bude, Büdchen oder Trinkhalle – und sie alle sind Bestandteil einer lebendigen Kultur in der Metropole Ruhr. 50 dieser ganz besonderen Einkaufsstätten und Nachbarschaftstreffpunkte zwischen Bochum und Duisburg hat die Ruhr Tourismus GmbH (RTG) nun ausgewählt und beschenkt sie und das Publikum zum „Tag der Trinkhalle“ am 20. August mit einem ganz besonderen Programm.

Beworben um diese Gunst hatten sich viele, und so hatte die von der RTG einberufene Jury schließlich die Qual der Wahl. Auswahlkriterien waren unter anderem die Lage, die Architektur, logistische Gegebenheiten und die Originalität der Büdchen. Auch, dass die Trinkhallen teilweise in fußläufiger Entfernung zueinander liegen, war den Veranstaltern wichtig.


„Wir stellen uns vor, dass die Besucher am 20. August statt einer Kneipentour eine Budentour machen und dabei mehr als nur eine Trinkhalle besuchen“, schildert RTG-Geschäftsführer Axel Biermann die Idee.


Herausgekommen ist eine bunte Mischung teils geschichtsträchtiger, teils moderner Trinkhallen, begehbar oder mit klassischer Verkaufsluke in (fast) allen Ecken der Metropole Ruhr.
Das Programm an diesem besonderen Trinkhallen-Samstag umfasst Darbietungen aus zehn Sparten – von Poetry Slam über Literatur bis hin zu Rock/Pop und sogar Fußball. Mit dabei sind zahlreiche Ruhrgebietskünstler, die mitunter ihre eigene Stamm-Bude bespielen.
Auf dem Programm stehen bisher: Poetry Slam mit Sebastian 23, Literatur mit Kathrin Butt, Georg Kentrup und Till Beckmann. Kabarett und Kleinkunst liefert Hajo Sommers, Physical Theatre Fabian Sattler, als Fußballfan kommt Jan-Henrik Gruszecki. Eine ganz bunte Musik-Mischung hat die RTG für diesen Tag überdies zusammengestellt: Weltmusik präsentiert Kazim Calisgan, Marcus Kalbitzer kommt mit Rock/Pop, für Jazz/Klassik steht Waldo Riedel, für Gesang Benedikte Baumann und als DJ ist Hans Nieswandt mit von der Partie.

Mehr wird im Moment noch nicht verraten, erst in der zweiten Juli-Hälfte präsentiert die RTG das gesamte Programm im Detail. Immer steht dabei dann die Nähe zum Publikum im Fokus, erklärt Axel Biermann, es soll interagiert und kommuniziert werden. Das gilt auch für die Buden, die zwar nicht zu den 50 Programm-Buden zählen, aber am 1. Tag der Trinkhallen etwas Besonderes für die Besucher bereithalten.

Dazu zählt das „Flotte Büdchen” am Baldeneysee. Hier präsentiert die Kultband Ruhrschnellweg, die selber in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiert, eine neue Version des RSW-Hits „Ehmaumme Ecke anne Bude gehn“ mit Dr. Stratmann. „Anne Bude“ am Baldeneysee steigt an diesem 20. August ab 15 Uhr gemeinsam mit Franz Josef Ewers und seiner Weißen Flotte eine große Buden-Fete, natürlich mit Live-Musik.

 


Bergkamen
Klümpchenbude
Weddinghofer Str. 59
Bochum:
Babo’s Trinkhalle
Wittener Str. 208
Kult-Kiosk Boretzki
Freigrafendamm 33
Ehrenfelder Feierabendladen
Joachimstr. 19
He Bo Minimarkt
Ehrenfeldstr. 2
Check-In Kiosk & More
August-Bebel-Platz 1
Bottrop:
Kiosk am Wäldchen
Hermann-Löns-Str. 44
Castrop-Rauxel:
Ullas kleine Welt
Ginsterweg 29 d
BonBonBude – Retro Kiosk
Am Markt 19
Markt-Kiosk
Am Markt 15
Dinslaken:
Kiosk am Neutorplatz
Neutorplatz 12
Dortmund
Adler 59
Adlerstr. 59
Bergmann Kiosk
Hoher Wall 36
Kiosk/Trinkhalle Koc
In der Meile 2
Alpha Stores GmbH
Kaiserstr. 203
Kiosk Zwischenstop
Kreuzstr. 103
Stadion Kiosk
Schillingstr. 42
Duisburg
Birgit Fuchs
Johanniterstr. 135
Trinkhalle Dirk Scholz
Düsseldorfer Str. 82
Kuki
Harmoniestr. 19
Blaues Büdchen
Amtsgerichtstr. 38
Shop 2 Go
Fabrikstr. 52
“Rosi”s Stübchen
Münzstr. 56
Essen
Bei „Mampf“-Fred
Humboldtstr. 190
Stephans Bude
Rüttenscheider Str. 155
Hexenstübchen am Walpurgistal
Walpurgisstr. 459
Kiosk Sven Lauer
Hedwigstr. 8
Zum Sporttreff
Vogelheimer Str. 2
Kiosk Yavavli
Vogelheimer Str. 166
Paulis Eck
Hospitalstr. 10
Kiosk am Markt
Vogelheimer Str. 3
Kiosk62
Rellinghauser Str. 181
Trinkhalle Oase
Altenessener Str. 449
Kiosk Bredki
Bredeneyer Str. 168
Gelsenkirchen
Erzbahnbude
Hinter Behmers Hof
Trinkhalle Dieter Tölle
Bergmannstr. 160
Gladbeck
Trinkhalle Schmidt
Scheideweg 100
Hattingen
Trinkhalle von Emmy Olschewski
Werksstr. 31-33
Herne
Elkes Bude
Richard-Wagner-Straß 84
Oelmann
Edmund-Weber-Str. 229
Mühlheim a. d. Ruhr
Kontny’s Kiosk
Duisburger Str. 411
Heiko’s Büdchen
Kesselbruchweg 49
Der Nachtkiosk
Duisburger Str. 67
Oberhausen
Kiosk am Ebertbad
Ebertstr. 48
Trinkhalle 27
Lothringer Str. 121
Trinkhalle Haase
Josefstr. 30
Kiosk 12/23
Grenzstr. 25
Recklinghausen
Kiosk Moske
Königsstr 70
Wesel
Mo’s Jump Kiosk
Grünstr. 2
Witten
Kiosk/cafe
Crengeldanzstr. 58
Artikel von www.top-magazin.de/ruhr