Wirtschaft

Auch im URLAUB stets zu DIENSTEN?

Das Top Magazin Augsburg wiegt das Für und Wider ab und wirft einen Blick ins Bundesurlaubsgesetz.


 

Gut geschützt vor Wasser, Sand und Sonnencreme hat Reiner W.* sein Smartphone auch im Strandurlaub stets in Reichweite. Morgens, bevor er mit seiner Familie das Hotelbuffet stürmt, checkt er noch schnell seine Mails. Ihn stresst das nicht. Ganz im Gegenteil: So weiß er, dass ihn nach seiner Rückkehr kein Chaos erwartet. Daniela K.* sieht das anders. Sie bevorzugt einen Urlaub fernab vom aufreibenden Arbeitsalltag. Für ihren Chef, die Kollegen und Kunden ist sie daher nicht erreichbar – weder per Telefon noch via Mail.

Zwei Arbeitnehmer, ein Streitthema: Sollten wir auch im Urlaub ein offenes Ohr für Dienstliches haben? Und was sagt das Bundesurlaubsgesetz dazu?

PRO

»Nicht ohne mein Smartphone«
(sagt Reiner W.)

Mein Job ist ein wichtiger Teil meines Lebens und auch wenn er mich ziemlich auf Trapp hält, mache ich ihn gerne. Warum sollte ich das während meines Urlaubs komplett ausblenden? Ein kurzer Anruf aus dem Büro tut mir nicht weh und hilft meinem Chef oder meinen Kollegen gegebenenfalls weiter. Ich erwarte natürlich, dass alle verantwortungsvoll mit diesem „Freifahrtschein“ umgehen. In der Regel melden sie sich aber nur in wirklich wichtigen Fällen. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Situation, in der ein elementares Passwort fehlte. Wäre ich da nicht erreichbar gewesen, hätte meine Vertretung nicht ordentlich arbeiten können.

Ich weiß, dass ich nicht zur Erreichbarkeit verpflichtet bin. Aber sind wir mal ehrlich: Nur wer vollen Einsatz zeigt, kommt im Job weiter. Und auch unter Kollegen macht man sich nicht gerade beliebt, wenn man außerhalb der Arbeitszeit für keinerlei Rückfragen zur Verfügung steht. Viele meiner Freunde sind Unternehmer – die laufen sogar Gefahr, einen Auftrag oder Kunden zu verlieren, wenn sie mal für ein paar Tage „abschalten“.

Mehr als das vibrierende Mobiltelefon stresst mich übrigens der Gedanke an meinen explodierenden E-Mail-Account. Daher nehme ich mir jeden Morgen ein wenig Zeit, meinen Posteingang zu scannen: Spam-Mails zu löschen, wichtige Anfragen zu beantworten und eventuelle Aufgaben an Kollegen weiterzuleiten. Das erspart mir nach meiner Rückkehr jede Menge Stress und meinen Kommunikationspartnern eine unpersönliche Abwesenheitsnotiz. Mittlerweile steht vielerorts kostenfreies WLAN zur Verfügung. Entstehen doch mal Kosten, lasse ich mir diese vom Arbeitgeber erstatten.

Kurzum: Ich bin dafür, die Chancen der modernen Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen, anstatt sie als elektronische Fessel abzutun. So nehme ich mir im Arbeitsalltag auch mal heraus, an einem sonnigen Nachmittag ein wenig früher dem Büro zu entfliehen. Mails und Telefonate kann ich schließlich auch im Biergarten beantworten. Smartphones, Tablets und Notebooks sei Dank.

 

»Wer abnimmt, hat mehr vom Telefon.«

 

 

§ RECHTLICHES

»Urlaubszeit ist Erholungszeit«
(sagt das BUrlG.)

Auch wenn es viele freiwillig anbieten, der Arbeitgeber darf nicht verlangen, dass seine Beschäftigten im Urlaub erreichbar sind – egal welche Position sie bekleiden. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sieht vor, dass Angestellte an ihren freien Tagen ganz von der Arbeit entbunden sein müssen. Das gilt selbst, wenn der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag einer ständigen Erreichbarkeit zugestimmt hat. „Solch pauschale Vereinbarungen widersprechen den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes und den Regelungen zur Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz und sind daher unzulässig“, sagt Prof. Dr. Dorothee Hallerbach, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht in der Anwaltskanzlei Epple, Dr. Hörmann & Kollegen. Arbeitgeber sind jedoch nur im Rahmen des gesetzlichen Mindesturlaubs (20 Arbeitstage in einer regulären 5-Tage-Woche) an die strengen Vorgaben des Bundesurlaubsgesetzes gebunden. Außerdem gilt: Urlaub, der bereits verbindlich festgelegt und durch einen Urlaubsantrag genehmigt wurde, darf nicht durch den Arbeitgeber verschoben (oder gar abgebrochen) werden – auch wenn sich plötzlich wichtige Termine ergeben oder sich die Auftragslage des Unternehmens ändert. Eine Verschiebung ist nach Unterzeichnung des Urlaubsantrags nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich. Ausnahmen zu diesen Regeln gelten lediglich in triftigen, nicht vorhersehbaren Notfällen. „Bei einer einvernehmlichen Aufhebung/Verschiebung des Urlaubs sollte eine Regelung zur Übernahme der Stornokosten oder bereits getätigter Anzahlungen getroffen werden“, rät Prof. Dr. Dorothee Hallerbach. Verpflichtet ist der Arbeitgeber hierzu nicht. Bei einem Widerruf des Urlaubs im Notfall sieht das anders aus: Hier kommt der Arbeitgeber um eine Kostenübernahme nicht herum.

 

 

CONTRA

Es gibt Geräusche, die gehören für mich zu einem Urlaub dazu – das sanfte Rauschen der Wellen zum Beispiel oder das leise Zirpen flirtender Grillen. Auf das „Brrrr“ und „Ping“ meines Handys kann ich im Urlaub jedoch verzichten. Wer es also wagt, mich dennoch zu kontaktieren, muss mit einer Automatenstimme vorlieb nehmen: „Dieser Anschluss ist vorrübergehend nicht erreichbar.“ Das betrifft meine Mutter genauso wie meinen Chef. Von letzterem möchte ich während meiner verdienten Auszeit erst recht nicht gestört werden. Auch nicht ausnahmsweise. Wo zieht man da die Grenze? Ist ein kurzer Anruf noch ok? Oder muss ich anschließend noch meinen PC hochfahren und scheinbar unverzichtbare Unterlagen raussuchen? Nein, danke. Wer ständig erreichbar ist, bleibt in Gedanken zuhause oder gar im Büro, statt so richtig am Urlaubsort auszuspannen.

Nie würde ich auf die Idee kommen, händeringend nach Netz oder WLAN zu fahnden, um irgendwo im Nirgendwo meine Dienst-Mails zu checken. Wer jetzt was von mir will, bekommt eine freundliche aber bestimmte Abwesenheitsnotiz: „Ich bin von dann bis dann nicht da. Wenden Sie sich in dringenden Fällen bitte ans Sekretariat.“ Es soll sogar Unternehmen geben, die ihren Mitarbeitern anbieten, E-Mails während der Urlaubszeit automatisch zu löschen. Der Absender erhält dann eine entsprechende Nachricht sowie einen Notfallkontakt und kann sich selbst überlegen, wie lange sein Anliegen noch warten kann. Der Urlauber, und das ist der Clou, wird nach seiner Rückkehr nicht von einem überquellenden Postfach überrollt. Klingt herrlich.

Ich für meinen Teil habe mich entschieden, den Jobstress während des Urlaubs ganz hinter mir zu lassen. Allein der Gedanke, mein (Dienst)Handy könnte jederzeit bimmeln, würde mich nicht richtig abschalten lassen. Wo bleibt da die Erholung? Das wäre doch auch nicht im Sinne meines Arbeitgebers. Stehe ich hingegen nicht immer und überall zu Diensten, kann sich mein Chef über eine Mitarbeiterin freuen, die gestärkt und zufrieden aus dem Urlaub zurückkehrt und sich anschließend wieder voller Elan in ihre Arbeit stürzt.

 

»Dieser Anschluss ist vorübergehend nicht erreichbar.«
(Telefonansage)

Artikel von www.top-magazin.de/augsburg