Wirtschaft

Das Klima wird rauer

der richtige Umgang mit Kreditverträgen in der Krise


 

Als Auswirkung der Corona-Pandemie und den damit einher gehenden Belastungen der Wirtschaft wird die Kreditwürdigkeit vieler deutscher Firmen kritisch bewertet. So berichtete bereits das Handelsblatt in einem Artikel vom 26.05.2020 von einer Ankündigung der Ratingagentur Moody‘s, die Kreditratings zahlreicher deutscher Konzerne hinterfragen und ggf. neu bewerten zu wollen.

Felix Hufeld, der Chef der Finanzaufsicht BAFin wird mit den Worten zitierte, „das dicke Ende kommt erst noch“.

Privatkunden bemerken eine restriktivere Handhabung von Banken in der Berechnung des Beleihungsauslaufes von Immobilienkrediten mit der Folge, dass häufig mehr Eigenkapital eingesetzt werden muss, als dies im Durchschnitt vor Beginn der Krise der Fall war.

Täglich mehren sich Meldungen über Entlassungen in großen Betrieben. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht dürfte das wahre Ausmaß der wirtschaftlichen Schwierigkeiten vieler Betriebe derzeit noch kaschieren.

Diese Entwicklungen lassen jedoch in Summe erwarten, dass die Zahlungsfähigkeit vieler Unternehmen und vieler Verbraucher in den kommenden Monaten arg strapaziert wird. Viele Haushalte haben sich in guten Zeiten wirtschaftlich auf stabile Nettogehälter eingerichtet und geraten auch durch die Reduzierung auf Kurzarbeitsgeld bereits in Zahlungsschwierigkeiten.

Es ist daher zu erwarten, dass auch die Häufigkeit und Intensität von Auseinandersetzungen zwischen Banken und ihren Kunden im Falle ausbleibender Ratenzahlungen wieder zunehmen wird. Derartige Streitigkeiten hatten aufgrund der jahrelang stabil guten Konjunkturwerte in den letzten Jahren deutlich nachgelassen.

 

Kreditkündigung und ihre Folgen

Es empfiehlt sich dabei dringend, mit seiner Bank im Falle von Zahlungsschwierigkeiten frühzeitig das Gespräch zu suchen. Gemeinsam können die zeitweise Aussetzung von Tilgungen, die Verlängerung von Laufzeiten oder ähnliche Maßnahmen vereinbart werden, um vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten zu bewältigen. Ist ein Kredit erst einmal gekündigt, greifen die erheblichen Einschränkungen der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit eines Verbrauchers wie auch eines Unternehmers, wenn aufgrund der Meldung gekündigter Kredite und Kreditlinien die Bonitätswerte der einschlägigen Auskunfteien und Inkassounternehmen herabgestuft werden.

Kann eine Einigung nicht erzielt werden und können die Zahlungen nicht geleistet werden, kann der Kreditgeber (zumeist die Bank) einen Kredit kündigen, wenn der Kreditnehmer mit mehr als zwei Raten in Verzug ist und diejenige Summe, mit der der Darlehnsnehmer in Verzug ist, den Grenzwert überschreitet. Dieser liegt bei Immobiliendarlehn bei 2,5% der ursprünglichen Darlehnssumme, bei anderen Darlehn bei 5% oder 10%. Hinzu treten Kündigungsrechte wegen allgemeiner Vermögensverschlechterung oder ähnlicher Gründe.

Folge der Kündigung ist, dass der Darlehnsnehmer die restliche Kreditsumme unmittelbar zurückzahlen muss und die Bank gestellte Sicherheiten verwerten darf.

Im Gegenzug hat die Bank bei eigener Kündigung jedenfalls bei Immobilienkrediten keinen Anspruch mehr auf Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung, sondern nur noch den Anspruch auf Zahlung des gesetzlich bestimmten Verzugszinses von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszins. Dies hat der Bundesgerichtshof im Jahre 2016 entschieden, da mit der Kündigung der Anspruch auf den Vertragszins wegfällt.

 

Vermeidung der Zwangsversteigerung

Kreditnehmer sollten dringend mit ihren jeweiligen Banken in Gespräche eintreten, um die zwangsweise Versteigerung einer Immobilie abzuwenden.

Ist abzusehen, dass sich ein problematischer Kreditvertrag nicht wird einhalten lassen, ist es an der Zeit, das Gespräch zu suchen. In einem solchen Gespräch können einvernehmlich Maßnahmen verhandelt werden, die eine geordnete Vermarktung der Immobilie erlauben. Ist einmal bekannt, dass die zwangsweise Versteigerung droht oder diese bereits beantragt, lässt sich für eine Immobilie häufig nicht mehr annähernd derjenige Kaufpreis erzielen, der erforderlich ist, um die restliche Verbindlichkeit ablösen zu können.

Die Folge der in Deutschland geltenden persönlichen Haftung für die Kreditverbindlichkeiten ist, dass nach Versteigerung und Verteilung des Versteigerungserlöses häufig noch Restschulden bestehen, die ihrerseits nicht bedient werden können. Dem Verlust des Eigenheimes folgt dann in der Regel ein Verfahren zur Privatinsolvenz mit anschließender Restschuldbefreiung.

Spätestens, wenn die Bank eine zur Sicherheit gestellte Grundschuld kündigt, sollte schnellstmöglich eine Einigung herbeigeführt werden. Denn sechs Monate später droht die Versteigerung der Immobilie.

In der Regel sollte beiden Vertragspartnern daran gelegen sein, eine sachgerechte Vermarktung zu ermöglichen, um eine anschließende Insolvenz des Kreditnehmers mit den damit einher gehenden Forderungsverlusten zu vermeiden.

 

Der wilde Westen …

Unbedingt vermeiden sollten beide Vertragsparteien, dass das Gesprächsklima durch Maßnahmen der einen oder der anderen Seite derartig vergiftet wird, dass eine einvernehmliche Regelung nicht mehr gelingen kann.

Geht es auf Seiten der Bank zwar um das berechtigte wirtschaftliche Interesse an der Rückführung ausgereichter Kreditmittel, so steht auf Seiten des Darlehnsnehmers in den ganz überwiegenden Fällen die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel. Im Fall unternehmerischer Darlehn sind auch in aller Regel noch Arbeitsplätze betroffen. Da viele Unternehmer auch privat für die Kredite ihrer Unternehmen haften, wirken auch solche Kredite zumeist in die Privatsphäre der Familie hinein.

Der wirtschaftliche Existenzdruck erlaubt hierbei häufig keine objektive und sachliche Auseinandersetzung mit der Gegenseite. Verwertungshandlungen der Banken werden häufig als Angriff auf die persönliche Lebensshpäre empfunden.

Andererseits gehen einzelne Verwertungsabteilungen auch mit regelrechten „Wild-West-Methoden“ gegen ihre Kunden vor.

Insgesamt ist es wichtig, frühzeitig professionelle Hilfe einzuholen, um in der Frühphase der Zahlungsschwierigkeiten zu moderieren, Einigungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die von Kreditgeberseite rechtlich auch umsetzbar sind und schlimmstenfalls Vollstreckungsmaßnahmen auf ihre gesetzliche Berechtigung zu überprüfen. Denn eine einmal vergiftete Bank-Kunden-Beziehung ist kaum heilbar und verhindert so, dass zielführende Lösungswege für beide Seiten gefunden werden können.

 

Martin Speicher

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Gründungsgesellschafter der AIXLAW Rechtsanwälte Speicher Betzer PartGmbB

 

 

Artikel von www.top-magazin.de/aachen