Wirtschaft

Neuerungen durch das zweite „Corona-Steuerhilfegesetz“


 

Das Steuerrecht gilt zwar ohnehin als „Recht auf Rädern“, allerdings nimmt die gesetzgeberische Dynamik aufgrund der Corona-Pandemie gegenwärtig mehr Fahrt auf denn je. Die nachfolgend skizzierten Neuerungen sollen mit einem Volumen von insg. EUR 130 Mrd. für steuerliche Entlastung sorgen, die Verlustverrechnung verbessern und Konsum- sowie Investitionsanreize setzen.

 

A. Relevante Neuerungen für Privatpersonen

I. Kinderbonus

Ein Impuls für einen kurzfristigen Nachfrageanstieg soll für Familien durch die Erhöhung des Kindergeldes um EUR 300 gesetzt werden. Anspruch besteht für jedes Kind, für das zumindest in einem Kalendermonat im Jahr 2020 ein Anspruch auf Kindergeld bestand.

 

II. Entlastung für Alleinerziehende

Aufgrund der durch Corona eingeschränkten Betreuungsmöglichkeiten wird der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende von bislang EUR 1.908 für die Jahre 2020 und 2021 auf insg. jeweils EUR 4.008 angehoben. Der Erhöhungsbetrag von EUR 240 für jedes weitere Kind bleibt unverändert.

 

III. Absenkung der Mehrwertsteuersätze

Für Furore gesorgt hat die Absenkung der Mehrwertsteuersätze von 19 % auf 16 % und von 7 % auf 5 %. Die Absenkung ist befristet vom 30.6.2020 bis zum 31.12.2020 und soll einen Konsumimpuls setzen. Die Finanzverwaltung hat einige der zahlreichen durch die temporäre Steuersatzsenkung evozierten Probleme in einem unlängst veröffentlichten BMF-Schreiben aufgegriffen.

 

B. Relevante Neuerungen für Unternehmen und Unternehmer

I. Verbesserung der Verlustverrechnung

Zur Verbesserung der Liquiditätslage von Steuerpflichtigen, die aufgrund der Corona-Krise starke Umsatz- und Gewinneinbrüche erlitten haben, werden die Verlustverrechnungsmöglichkeiten erheblich verbessert.

1. Anhebung der Höchstgrenzen

Ein Verlustrücktrag war bislang in Höhe von EUR 1 Mio. möglich. Nunmehr wurde diese Grenze für die Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 auf EUR 5 Mio. angehoben. Bei Zusammenveranlagung verdoppelt sich dieser Betrag.

2. Pauschaler Verlustrücktrag

Die neu eingefügten §§ 110 und 111 EStG sehen vor, dass auf Antrag

1. der für die Bemessung der Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019 zugrunde gelegte Gesamtbetrag der Einkünfte gemindert werden kann und

2. ein vorläufiger Verlustrücktrag für 2020 im Veranlagungszeitraum 2019 vorgenommen werden kann.

Beide Regelungen gleichen sich weitestgehend. Es kann pauschal eine Minderung der Vorauszahlungs-Bemessungsgrundlage bzw. ein Verlustrücktrag in Höhe von 30 % des Gesamtbetrags der Einkünfte 2019 erfolgen.

Abweichend davon kann der zugrunde gelegte Gesamtbetrag der Einkünfte auch um einen höheren Betrag als 30 % gemindert werden, wenn ein voraussichtlicher Verlustrücktrag für 2020 in dieser Höhe nachgewiesen werden kann. Die Minderung des Gesamtbetrags der Einkünfte darf den Betrag von EUR 5 Mio. (bei Eheleuten EUR 10 Mio.) nicht überschreiten.

 

II. Wiedereinführung der degressiven Abschreibung

Zur Förderung betrieblicher Investitionen können (Wahlrecht) bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in den Jahren 2020 oder 2021 angeschafft werden, fortan wieder degressiv abgeschrieben werden. Die Abschreibungsrate beträgt bis zu 25 %, höchstens aber das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung.

 

III. Verlängerung von (Re-)Investitionsfristen

Zur Vermeidung von Rücklagenauflösungen werden für in der Vergangenheit gebildete Rücklagen nach § 6b EStG und § 7g EStG die entsprechenden (Re-)Investitionsfristen um ein Jahr verlängert. Die Verlängerungen gelten für solche Fälle, in denen eine (Re-)Investition spätestens in 2020 hätte erfolgen müssen.

 

IV. Förderung der Elektromobilität

Zur „Förderung einer nachhaltigen Mobilität“ wird der maximale Bruttolistenpreis für Elektrofahrzeuge von EUR 40.000 auf EUR 60.000 angehoben. Dies ist zu begrüßen, da nach der vormaligen Grenze viele Modelle nicht begünstigt waren. Die „1-Prozent-Regelung“ wandelt sich bei diesen Fahrzeugen im Ergebnis zu einer „0,25-Prozent-Regelung“.

 

V. Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die steuerfreie Forschungszulage

Bislang wurde die Forschungszulage in Höhe von 25% von EUR 2 Mio. gewährt. Zur Schaffung von Investitionsanreizen wird die Bemessungsgrundlage auf EUR 4 Mio. verdoppelt. Damit beträgt die maximale Höhe der steuerfreien Forschungszulage künftig EUR 1 Mio. Die Erhöhung wird begrenzt auf förderfähige Aufwendungen, die im Zeitraum vom 30. Juni 2020 bis zum 1. Juli 2026 entstanden sind.

 

VI. Verbesserung der Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer

Unabhängig von konkreten Auswirkungen durch die Corona-Krise, sondern vielmehr ausgelöst durch die stetige Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze in den letzten Jahren, wurde der Anrechnungshöchstbetrag in § 35 EStG vom 3,8-fachen auf das 4,0-fache des (etwaig anteiligen) Gewerbesteuer-Messbetrags erhöht. Dies führt – bei Mitberücksichtigung der korrespondierenden Reduktion des Solidaritätszuschlages – (und vorbehaltlich anderweitig bedingter Anrechnungsüberhänge) zu einer vollständigen Anrechnung der Gewerbesteuer bis zu Hebesätzen von rd. 420 %.

 

VII. Erhöhung des Freibetrages bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung

Der Freibetrag bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung, etwa von Finanzierungsaufwendungen oder Miet- und Pachtzinsen (§ 8 Nr. 1 GewStG), wird von EUR 100.000 auf EUR 200.000 erhöht. Der gewerbesteuerliche Freibetrag von EUR 24.500 bleibt unverändert.

 

C. Fazit

Zusammenfassend ist anzuerkennen, dass der Gesetzgeber durch zahlreiche Begünstigungen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern sucht. Einige dieser Neuerungen, wie z.B. die (wenngleich insuffiziente) Erhöhung des Gewerbesteuer-Anrechnungsvolumens, waren längst überfällig. Gleichzeitig führen die Regelungen jedoch auch zu einer erheblichen Komplexitätssteigerung. Dies trifft zuvörderst auf die kurzzeitige Absenkung der Mehrwertsteuersätze zu, die für Unternehmen zu erheblichem Zusatzaufwand führt und bei der insbesondere die Erreichung des intendierten Effekts – der Entlastung von Beziehern geringer und mittlerer Einkommen – höchst zweifelhaft erscheint.

 


 

Zum Autor:

Dr. Sebastian Mirbach, M.Sc., Steuerberater/Fachberater für Internationales Steuerrecht, ist Partner bei VBR in Aachen und Lehrbeauftragter an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in der steuerlichen Gestaltungs- und Abwehrberatung, der Planung von Umstruk-turierungen und Generationennachfolgen sowie der Besteuerung grenzüberschreitender Tätigkeiten.

Weitere Informationen unter: www.vbr.de

Artikel von www.top-magazin.de/aachen