Essen & Trinken

Eine Reise zum Wein


 

Hoch über dem Moseltal:
Ein Glas Riesling mit Adolph Huesgen VIII.

 

Mit schönstem Postkartenwetter, strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und einigen weißen Wolken empfängt uns das Moseltal. Bereits beim Verlassen der Eifel auf dem Weg talwärts lag es vor uns, das atemberaubende Panorama: Malerisch schlängelt sich die berühmte Mosel durch das enge Tal, eingerahmt von steil aufragenden Weinbergen mit teils abenteuerlichen Terrassen, auf denen die Reben ihre Wurzeln tief in den Boden schlagen. Es ist Spätsommer und wir sind in einer der beeindruckendsten Kulturlandschaften Deutschlands angekommen. Das Ziel ist die renommierte Weinstadt Traben-Trarbach, Ende des 19. Jahrhunderts einer der weltweit größten Umschlagplätze für Wein, nach Bordeaux der zweitgrößte Handelsplatz in ganz Europa. Von diesem goldenen Zeitalter zeugen noch heute historische Kellergebäude und großartige Weinhändlervillen, zu denen auch die Villa Huesgen zählt. 1904 ließ Adolph Huesgen das imposante Gebäude für seine Familie errichten, das fortan als zentraler Punkt für den Alltag und die festlichen Anlässe galt. Eindrucksvoll mit Blick auf die Burgruine Grevenburg gelegen, ist sie bis heute größtenteils im originalen Zustand zu bewundern. Ein kleines Juwel, geplant von einem der bedeutendsten Architekten des Jugendstils in Deutschland, Bruno Möhring. Und seine Idee gilt bis heute. Die Villa ist das Herzstück des gleichnamigen Weinguts, ein Dokument der Zeitgeschichte und Lebensart, aber auch ein Beweis für den Wandel der Zeit

 

Zurück in die Vergangenheit:
Villa Huesgen – Jugendstil in reinster Form

 

Heute zeichnet mit Adolph Huesgen VIII und seiner Frau Christine die achte Generation für den Familienbetrieb verantwortlich. Von beiden werden wir am ersten Abend direkt am Moselufer empfangen, denn dort liegt der historische Gartenpavillon. Dieser wurde während der Pandemie kurzerhand zur Straußwirtschaft umfunktioniert. Wo früher die Weingutsbesitzer ihren Tee schlürften oder sich von edelsüßen Auslesen verzaubern ließen, ist heute ein traumhafter Ort am Wasser entstanden, der zum Verweilen und Genießen einlädt. Neben Weinen und Sekten des Weingutes gibt es kleine kulinarische Köstlichkeiten aus der Region. Die Zusammenarbeit mit Wolfgang Schulz-Balluff von „Wein küsst Käse“ und der Bäckerei Johann Utters & Sohn trägt mittlerweile Früchte, denn besser kann man die gutseigenen Weine kaum begleiten. „Genießen heißt Handwerk zu schätzen.“ So sagt es Ado Huesgen. „Gute Weine zu machen, zeichnet sich für mich auch in der Wahrung der Natur und in der Tradition meiner Vorfahren aus.“ Mit seinen innovativen Ideen beweist er, dass für ihn Tradition weit mehr als Bewahren bedeutet. Es ist die konsequente Weiterentwicklung und nachhaltige Gestaltung der Zukunft. Angeregt sind die Gespräche in entspannter Runde mit der prächtigen Villa und dem Park mit seinen mächtigen Bäumen im Hintergrund. Erst spät am Abend treten wir den Weg ins Romantik-Jugendstilhotel Bellevue an, auch dies ein Gebäude Bruno Möhrings. Am nächsten Morgen geht es mit Ado Huesgen in die Weinberge, aus denen die verschiedenen Gewächse vom Vorabend stammen. Erst zwischen den Rebzeilen wird uns so richtig bewusst, was es bedeutet ein Steillagenwinzer zu sein. Im Schiefergeröll guten Halt zu finden, ist eine echte Herausforderung. Dabei sind wir lediglich Spaziergänger und weit davon entfernt, zu arbeiten. Große Weine stammen aus anspruchsvollen Lagen, ein Satz, der hier mehr denn je an Bedeutung gewinnt.

 

Verkostung im historischen Ambiente:
Frische Rieslinge und Weine aus uralten Reben

 

Doch genau diese exponierte Lage, durch das große Gefälle direkt der Sonne zugewandt, erlaubt den erfolgreichen Weinbau in den nördlichen Gefilden. So wird das Sonnenlicht vollständig aufgefangen, gleichzeitig speichert der steinige Schieferboden die Wärme des Tages und der Fluss trägt als temperaturausgleichendes Element zum besonderen Terroir bei. Was es bedeutet, solche Weine zu keltern, beweist Ado Huesgen bei einer Probe in den historischen Räumen der Villa. Von saftig-fruchtbetont bis hin zu mineralisch, mit ausgeprägten Noten von reifen Aprikosen und reifen Weinbergpfirsichen zeigen sich seine Rieslinge. Unterstützt werden diese von einer durch den Schieferboden entstehenden, typisch würzigen Aromatik. Eine große Besonderheit sind die Weine aus uralten, wurzelechten Rebanlagen. Hier hatte die Reblaus keine Chance und aus diesen Trauben werden bis heute Weine gewonnen, die sich genauso präsentieren wir vor mehr als 100 Jahren. Darüber hinaus hat Ado Huesgen aber auch ein exzellentes Gespür für die Weintrends dieser Zeit und dies, obwohl er mit seiner Ausbildung im Bankfach und einem Betriebswirtschaftsstudium eigentlich ein Quereinsteiger ist. Früh lernte er den charismatischen Winzer Robert Mondavi kennen, arbeitete für ihn in Kalifornien und Deutschland. Später war er einer der Gründer der Firma TXB, die mit internationalen Spitzengewächsen arbeitete.

Doch sein Wunsch, auch eigene Weine zu keltern, wurde immer stärker und das Weingut Villa Huesgen wurde geboren. Mittlerweile koordiniert er nicht nur die familieneigenen Weinberge, sondern auch den Vertrieb von einigen erstklassigen Weingütern, wie der Tenuta San Leonardo der Marchesi Guerrieri Gonzaga oder des La Motte Estates und der Leopards Leap Winery. Ado Huesgen ist angekommen und hat Traben-Trarbach wieder zum Umschlagplatz für feine Weine gemacht.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr