Bodensee

8mR – Boote

Edle Boote, harte Renner: Die historische 8-Meter-Klasse gilt als die schönste und größte Bootsklasse auf dem Bodensee. Und mehr als das: Die internationale 8mR-Vereinigung hat am Bodensee die weltweit größte Flotte dieser ausgesprochen feinen, alten Regatta-Yachten. Auch wenn sie 90 Jahre und mehr auf den Spanten haben: Die 8mR-Boote werden von ihren stolzen Eignern im Wettkampf gnadenlos gesegelt.


8mR-Boote: Die Königsklasse der Regatta-Yachten

Der Zauber klassischer Regatta-Yachten – bei „Les Voiles de Saint Tropez“ oder vor Cannes kann man ihn erleben. Doch nicht nur: Am Bodensee hat die „Eight Metre Racing Class“, kurz „8mR“, eine Hochburg und mit rund 15 Booten die größte Flotte der klassischen „Achter“ weltweit.

Man nennt sie „Achter“, doch über die Länge sagt das nichts aus. Sie sind um die 14 Meter lang, unendlich schnittig, mit weißem Langkiel-Rumpf und Teakdeck. Sie heißen „Bayern II”, „Bera”, „Edit”, „Elfe II”, „Lucky Girl”, „Severn“, „Raven” und „Silhouette”. Die meisten haben über 80 Jahre auf den Spanten, doch sie strahlen wie am Tag ihres Stapellaufs. Der Großteil der Schiı e am See wurde in den frühen 1900er-Jahren gebaut und von den Eignern liebevoll in perfektem Zustand gehalten. Unter all den Booten sind sie die schönsten und stolzesten Schwäne auf dem Bodensee. Ob wie zu Kaisers Zeiten als Kutter getakelt mit Gaffelrigg, Gaffeltopp und mehreren Vorsegeln – oder als Sloop mit Bermuda-Rigg, wie es seit den früheren 1920er Jahren in Gebrauch kam: Ein Achter unter vollen Segeln ist ein ästhetischer Hochgenuss.

Hier wird auf Sieg gesegelt

Wer nun meint, die historischen Schätzchen werden gepflegt und in Watte gepackt, liegt völlig falsch und kennt die Segler nicht. Ein altes Sprichwort sagt: „Schiffe sind im Hafen am sichersten, doch dafür sind sie nicht gebaut.“ So werden die edlen Achter von ihren Eignern im Wettkampf hart gesegelt. Da nimmt man, wenn es schnell und eng zugeht, auch mal eine Delle in Kauf. Achter sind schließlich Regattaboote, und kaum eine historische Bootsklasse geht so scharf um die Boje wie die „8mR“.

Und das nicht nur vor der Haustüre auf dem Bodensee: Immer wieder werden die Boote aus dem Wasser gehoben und auf Trailer verladen, um an nationalen und internationalen „Eight Metre Class“-Regatten teilzunehmen. Der Transport der um die acht Tonnen schweren Kostbarkeiten quer durch Europa und sogar nach Übersee ist für Eigner und Mannschaften ein erheblicher Aufwand. Umso erfreulicher ist, dass er nach wie vor unbeirrt betrieben wird. Der Meterklassen-Virus erhält der Yachtwelt die schönen 8mR Yachten – vom aparten Klassiker bis zur modernen Rennmaschine.

Die Meterklassen: Das Rennen beginnt

Im Oktober 1907 wurde in London die International Yacht Racing Union IYRU gegründet und die sogenannte „Metre Rule“ ins Leben gerufen. Damit war erstmals möglich, „mit gleichen Waffen“ Regatten zu segeln, da die Boote nach dieser Regel gebaut wurden und in den Meter-Klassen vergleichbar gesegelt wurden.

First Rule, Second Rule….

Die Meter-Formel ist eine komplexe Berechnung der Schiffs-Takelage- und Segelgröße und muss je nach Klasse am Ende der Berechnung die Zahl 8 (deshalb werden diese Schiffe „Achter“ genannt) ergeben: Bei den „Sechsern“ eben 6 oder bei den „Zwölfern“ ist es dann 12. Die Original-Formel wurde von 1907 bis 1919 angewendet und wird heute die „First International Rule“ genannt. Die Schiı e aus dieser Zeit, mit ihren klassischen Gaffeltakelagen und Gaffeltoppsegeln, sind sicher mit am schönsten anzusehen. Im Jahr 1919 wurde die Formel angepasst, um die Schiffe etwas moderner und schneller zu machen. Dabei wurde die Breite etwas verringert und die Wasserlänge verlängert. Die Schiı e sind durch ihre Größe auch etwas schwerer geworden. Das Durchschnittsgewicht eines „Second Rule“-Schiffes liegt bei etwa neun Tonnen. Fast alle Schiffe ab der Second Rule sind nun sloopgetakelt. Diese Formel wurde bis 1933 angewendet. Seit 1933 gilt die „Third Rule“, die noch immer Gültigkeit hat. Die modernen Achter sind alle nach der gleichen Formel gebaut. In den letzten 20 Jahren wurden sie in Aluminium gebaut, um Gewicht zu sparen.

Die meistgesuchten Boote der Welt

Die „Achter“ sind die wohl ausgewogensten Schiffe der Meter-Formel. Mit ihrer ansehnlichen Größe, einer Länge über alles von rund 14 Metern und ihren klassischen Überhängen am Bug und Achtern sind sie ausgesprochen majestätisch aussehen. In den letzten 15 Jahren haben klassische Boote immer mehr an Status und Ansehen zugenommen. Damit wurden auch die alten Achter zu den am meisten gesuchten Booten überhaupt. Eine beeindruckende Zahl klassischer „8-Metres“ ist seither nach höchsten Standards restauriert worden, die früher undenkbar gewesen wären. Einschließlich der Werft-Generalüberholungen dürfte die Zahl der voll restaurierten Boote derzeit bei 100 weltweit liegen. Und man kann davon ausgehen, dass ständig um die 20 weitere Achter restauriert werden. Viele werden über Generationen in einer Familie gehegt und gepflegt – und gesegelt, gerne unter Wettkampf-Bedingungen.

Olympiasiegerin in Bregenz

In den 20er und frühen 30er Jahren war der „Achter“ olympische Segelklasse und die „Bera“, ein 1922er Johan Anker-Design, wurde im Jahre 1924 Olympiasiegerin. Das Schiff wurde von Werner Deuring im Jahre 2010 originalgetreu restauriert, ist im Yacht Club Bregenz stationiert und nimmt an internationalen Regatten teil. Die „Elfe II“ ist ebenfalls ein siegesgewohnter 8mR Klassiker: Sie wird heute gesegelt und gepflegt vom aktuellen Präsidenten des Deutschen Segler-Verbands (DSV), Dr. Andreas Lochbrunner aus Lindau.

Die „Bayern II“: Der Star am Genfer See Die „Bayern II“ aus Lindau etwa war letztes Jahr zur Regatta in Genf und holte dort den dritten Platz. Der Transport des historischen LSC-Clubschiı s war an sich schon eine Meisterleistung – und wäre ohne viele Helfer und die Unterstützung von Sponsoren gar nicht möglich gewesen. Der Präsident der Eight-Metre-Association,° John Lammerts van Buren, war wieder einmal begeistert von seinem Lieblingsschiff und dem Engagement der Lindauer, wie er in einem Artikel schrieb: ,Die Bayern mag ich besonders gerne, da sie seit 1935 im Besitz des Lindauer Segelclubs ist und von der Jugend des Clubs instandgehalten wird.‘ So sind schon viele Lindauer Segler auf diesem Achter von Henry Rasmussen aus dem Jahr 1910 großgeworden. Sie wird in ihrem Originalrigg erhalten und von denselben Jugendlichen in Schuss gehalten, die sie auch segeln. Sie haben auf die Welltmeisterschaft gezielt, ihre eigenen Sponsoren gefunden, um neue Segel und den Transport zu bezahlen. Der Club gab ihnen grünes Licht und so entschwand das Boot auf einem Lkw nach Genf.


John Lammerts war begeistert: „Sie sind mit knapp drei Sekunden Dritter im einem First Rule Cup geworden – aber sie führen klar als das beliebteste Team dieser Weltmeisterschaft.“


Das kommt nicht von ungefähr. 20 Minuten dauert es, bis auf der „Bayern II“ alle Segel gesetzt sind. Dabei muss jeder an Bord schon ganz genau wissen, wo er anpacken muss. Dass es dafür eiserne Disziplin und eine Menge Erfahrung braucht, ist selbstredend. So darf denn auch nicht jedermann mit. Nur wer bereit ist, von der Pike auf zu lernen und im Winterlager zu schuften, kann sich ein Platzauf dem „schönsten Schiff am Bodensee“ sichern.

„Bayern II“: Ein Schiff mit Geschichte

„Wo immer wir hinkommen, wird das Schiff mit seinen eleganten und klassischen Linien bewundert“, sagt der Präsident des Lindauer Segelclubs. Das Flaggschiff des Segelclubs ist ein Beispiel für die lange, bewegte Geschichte, die hinter jedem historischen „Achter“ steckt. Die 8-Meter-Rennyacht wurde 1911 als „Woge V“ für den°Hamburger Kaufmann Otto C. Ernst gebaut, bei der damals schon renommierten Werft Abeking und Rasmussen in Lemwerder an der Weser. Das 12,65 Meter lange Schiff galt 1911 als der schnellste und erfolgreichste Achter. 1913 kaufte der damals Großherzogliche Badische Yachtclub Überlingen die „Woge V“ und taufte sie in „Bodan“ um. 1937 erwarb der Lindauer Segler-Club das angeblich „zu weich“ gewordene Schiff für 1.665 Reichsmark. Die Überlinger bereuen heute den Verkauf. „Wir führen heute noch Diskussionen, ob wir die ,Bodan‘ damals nicht besser behalten hätten“, berichtete Ralf von Klösterlein, der frühere Präsident des Bodensee-Yachtclubs Überlingen bei der Festversammlung zum 100. Geburtstag des Schiı es in Lindau.

Nach dem Zweiten Weltkrieg benannte der LSC die „Bodan“ in „Bayern II“ um – in Erinnerung an die Bayern I. Die war von der französischen Besatzungsmacht übernommen worden. Heute ist die „Bayern II“ das von den LSC-Mitgliedern heiß geliebte und immer wieder restaurierte Flaggschiff – jeder kann sich mit der Yacht identifizieren, nahezu jeder im Verein hat Erinnerungen an nasse und sonnige Jugend-Segelreisen, an kitzlige Momente auf der Regattabahn oder an Erlebnisse beim gemeinschaftlichen Überholen des Unterwasserschiffs.

Abenteuer in der Bretagne

Eines der härtesten Rennen für den Achter „Bera“ vom Bodensee fand vor zwei Jahren in der Bretagne statt. Mit einem Rekord-Meldeergebnis von 28 Yachten aus elf Nationen wurden im September 2014 die°Weltmeisterschaften der 8mR Yachten in La Trinité sur Mer am Golf von Quiberon ausgetragen. Weder der lange Transportweg von zwei mal 1.360 Kilometern mit einem Spezial-Lkw, noch die umfangreichen Vorbereitungsarbeiten oder der Zeitaufwand von 15 Tagen konnten Werner Deuring davon abhalten, mit seiner 8mR-Yacht „Bera“ – immerhin Baujahr 1922 – bei dieser Weltmeisterschaft an den Start zu gehen. Nach der Komplett-Renovierung und dem „Rückbau“ zur ursprünglichen Formel der 8mR Neptune-Klasse musste die „Bera“ nach erfolgtem Ausbau des Dieselmotors erneut einer sehr umfangreichen Wasser- und Landvermessung unterzogen werden. Die YCB-Stammcrew mit Steuermann Werner Deuring, Markus Sagmeister, Alexander Deuring, Gerhard Sutter, Stefan Böhler und Klaus Costantini wurde mit Tobias Köb verstärkt. Ein professioneller Meteo-Profi sorgte vor Ort für tägliche Wetter-Expertisen und für eine profunde Einweisung in die Strömungsverhältnisse im Regattarevier des Atlantiks mit Tidenhub von 3,50 Metern. Nach einer Woche mit täglichen, intensiven Trainingseinheiten, nach vielen Feinarbeiten an Rigg und Boot ging es dann bei 4 bis 5 Windstärken an die Startlinie zur ersten von insgesamt 7 Wettfahrten.

27 Yachten an der Startlinie, Strömung, 4 bis 5 Beaufort, entsprechender Seegang: Da gilt es gute Nerven bewahren, wenn am Lee-Gate zehn oder zwölf Yachten mit voller Fahrt unter Spinnaker nahezu zeitgleich von links und rechts kommend um den Vorrang beim Runden der Bojen kämpfen. Die ungewohnt langen Wettfahrten mit einer Dauer bis zu 120 Minuten, Winddreher, Seegang, unzählige Manöver und Segelwechsel forderten der Crew um Werner Deuring alles ab. Doch der Einsatz machte sich mit guten Ergebnissen bezahlt – unter elf Teilnehmern in der Neptune-Klasse konnte sich das Lindauer YCB-Team mit dem 6. Gesamtrang um die prestigereiche Neptune-Trophy bei dieser ersten großen, internationalen Regatta durchaus zufrieden zeigen – inmitten von versierten Profi-Crews, die sich selbst in dieser Klasse eine ungeahnte Materialschlacht liefern und alles bis auf’s Äußerste ausreizen.

Jedes Jahr ein World Cup

Einmal im Jahr richtet die IEMA diesen internationalen World Cup der Achter aus. Vier Jahre wird in Europa gesegelt, jedes fünfte Jahr in Amerika, wo die Klasse ebenfalls stark vertreten ist. In diesem Jahr im Sommer ist der Königliche Yachtclub Toronto mit der Ausrichtung des World Cup vom 19. bis 27. August an der Reihe. Im kommenden Jahr wird der World Cup in Hanko in Norwegen stattfinden – zu Ehren des 80sten Geburtstages Seiner Königlichen Hoheit Harald von Norwegen. Er ist selbst ein hervorragender Segler und Eigner sowie Steuermann des Achters „Sira“, die 1936 für die königliche Familie gebaut wurde und heute von König Harald sehr wettkampforientiert in den Word Cups gesegelt wird.

2018: World Cup am Bodensee

Im Jahr 2018 wird der Yachtclub Langenargen die Ehre haben, den World Cup am Bodensee auszutragen. Die große Flotte der Achter am See wird hier hoffentlich um den Titel mitsegeln. Bei den Achterregatten werden immer alle der historischen Klassen gemeinsam gestartet. Die Startfelder bei großen Regatten sind zwischen 30 und 40 Schiffen. Der Zuschauer fühlt sich zurück versetzt in frühere Zeiten. Auf dem Wasser wird hart um Positionen gekämpft wie bei modernen Schiı en. Bojen-Manöver sind wegen der Gleichheit der Schiı e oft adrenalingepackt und sehr eng.

Moderne Achter: Bei uns Fehlanzeige Bei den Achtern gibt es drei verschiedene Klassen. Die bereits erwähnten First Ruler, die Klasse Neptun, wo alles im Originalzustand (Holzmasten, klassische, weiße Dakron-Segel, keine Hilfsmittel wie selbstklemmende Winschen etc. sind erlaubt) und die Klasse SIRA, wo moderne Carbonsegel, Alumasten etc. erlaubt sind – und schließlich die Modernen. Am Bodensee sind derzeit keine dieser modernen Achter im Einsatz. Dafür sind aber etwa fünf First Ruler vertreten und zehn Sira/Neptun Schiffe werden bei verschiedenen Regatten um den Bodensee gesegelt.

Renaissance der Königsklasse

Die Bodenseeflotte stellt eine der größten Flotten an Achtern weltweit dar. In den letzten Jahren sind einige zusätzliche Schiı e an den See gekommen und so erlebt die Klasse derzeit eine Renaissance. Der Grund ist das packende und enge Regattieren dieser majestätischen Schiı e im direkten Vergleichskampf. Erstes Schiff im Ziel ist Sieger, da es kein Rechnen und Vergütungen braucht, um den Sieger festzustellen, wie bei den modernen Handicap-Yachten.

Im Mai großer Start in die Saison

Wer die „Achter“ geballt und in voller Aktion auf dem Bodensee erleben möchte, hat schon Mitte Mai die schönste Gelegenheit dazu. Zum „8mR Winter Shake Out“ vom 14. bis 15. Mai treffen sich die Segler der Königsklasse in Bregenz. Und wenn sich die Achter vor dem Yacht Club Bregenz zum Start aufstellen: ein schöneres Bild kann man sich als Segler nicht vorstellen.

Artikel von www.top-magazin.de/bodensee