Trockene Augen sind nicht nur lästig, sie können auch schmerzen. Besonders in der kalten Jahreszeit, wenn drinnen viel geheizt wird, plagen sich viele Menschen damit herum. Abhilfe tut also dringend Not. Die Behandlungsmöglichkeiten sind dabei äußerst vielfältig und müssen daher individuell zur Ursache sowie den Beschwerden passen.
Das trockene Auge ist nach Angaben des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands (BVA) eine der häufigsten Augenkrankheiten in Deutschland. Hochrechnungen zufolge sind davon bis zu 14 Millionen Menschen betroffen. Die Inzidenz der Erkrankung nimmt mit dem Alter zu, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Allerdings wächst das Wissen um die Prozesse, die zu dieser Krankheit führen. „Damit können Augenärzte ihren Patienten immer bessere, individuell angepasste Behandlungen anbieten“, sagt Prof. Dr. Gerd Geerling, Leiter des Ressorts „Trockenes Auge“ im BVA.
Für die einwandfreie Funktion der Augen ist der Tränenfilm ein ganz entscheidender Faktor. Denn durch ihn wird die Augenoberfläche so glatt, dass das Licht möglichst gleichmäßig bricht. Außerdem versorgt er die Hornhaut nicht nur mit Feuchtigkeit, sondern auch mit Sauerstoff und Nährstoffen. Außerdem dient der Tränenfilm als Gleitmittel, damit sich die Augenlider geschmeidig über Hornhaut und Bindehaut bewegen können. Und er leistet eine wichtige Schutzfunktion, da er Keime, Reizstoffe sowie Fremdkörper von der Augenoberfläche schwemmt.
Beim trockenen Auge gerät die Zusammensetzung des Tränenfilms aus dem Gleichgewicht. Dafür muss man wissen, dass der Tränenfilm aus mehreren Schichten besteht. Zum Auge hin sorgt eine Muzin- beziehungsweise Schleimschicht dafür, dass der Tränenfilm an der Hornhaut haftet. Sie geht über in die wässrige Schicht, die neben Wasser Nährstoffe, Sauerstoff und keimtötende Substanzen enthält. Ganz wesentlich für die Stabilität des Tränenfilms ist die darüber liegende ölige Schicht, die Lipidschicht. Sie verhindert, dass die Tränenflüssigkeit zu rasch verdunstet.
Was das gestörte Gleichgewicht im Hinblick auf die Zusammensetzung des Tränenfilms anbelangt, sind laut BVA zwei Unterformen zu unterscheiden gibt: Bei der hypovolämen Form werden zu wenige Tränen produziert, bei der evaporativen Form verdunsten die Tränen besonders schnell, so dass der Tränenfilm instabil wird. Nur etwa jeder zehnte Betroffene leidet alleine unter einem Tränenmangel, bei den weitaus meisten Menschen liegt eine Mischform aus zu geringer Produktion und instabilem Tränenfilm vor oder die evaporative Form steht im Vordergrund. Eine Entzündung und Schädigung der Augenoberfläche kann die Folge sein und auch die Nerven in der Hornhaut können beeinträchtigt werden, was zu neuropathischen Schmerzen führt.
So vielschichtig die krankhaften Prozesse beim trockenen Auge sind, so viele Ansatzpunkte bieten sie auch für die Therapie. Mit dem richtigen Verhalten kann man die Augenoberfläche schonen: Spaziergänge an der frischen Luft und viel trinken tragen dazu bei; bei der Computerarbeit sollte man immer wieder mal bewusst blinzeln und wer im Auto unterwegs ist, sollte die Luftzirkulation drosseln und den Luftstrom nicht direkt auf die Augen richten. Bei andauernden Beschwerden sollte man aber eine Augenarztpraxis aufsuchen. Hier lässt sich klären, ob genügend Tränenflüssigkeit gebildet wird, wie lange der Tränenfilm stabil ist und ob die Augenoberfläche entzündet ist. „Das trockene Auge ist ein Krankheitsbild, mit dem wir täglich in unserer Praxis zu tun haben“, weiß Dr. Mirka Höltzermann, die zusammen mit Dr. Annette von Schnakenburg als Augenärztinnen in Schwaikheim niedergelassen sind. Seit der zusätzlichen Bildschirmbelastung im Home Office habe die lästige, aber durchaus gut zu therapierende „Sicca-Symptomatik“ noch einmal deutlich zugenommen. Durch den konzentrierten Blick auf den Bildschirm reduziert sich die Lidschlagfrequenz drastisch, weswegen sich das Auge beim Lidschlag nicht ganz schließt und der Tränenfilm nicht verteilt werden kann. Als Hauptfaktoren, die neben der Arbeit am PC zum trockenen Auge führen können, benennt Dr. Mirka Höltzermann Klimaanlagen, Heizungsluft, Grunderkrankungen wie das Sjögren-Syndrom, Lidrandentzündungen etwa durch Hauterkrankungen wie Rosazea, Hormonumstellungen oder auch chirurgische Eingriffe am Auge. „Man spricht hier von einer multifaktoriellen Erkrankung“, so die Augenärztin. Am Anfang jeder Therapie des trockenen Auges sollte deshalb eine ausführliche Erhebung der Krankengeschichte und der Belastungsfaktoren des einzelnen Patienten stehen.
Wichtig zu wissen: Das trockene Auge äußert sich beileibe nicht immer nur mit Kratzen und Fremdkörpergefühl. Auch tränende Augen können trockene Augen sein. „Wenn die Tränendrüse zum Beispiel auf äußere Reize wie Kälte oder Wind vermehrt Tränensekret produziert, so ist dies meist nur wässrig“, erläutert Dr. Mirka Höltzermann. Der Tränenfilm, wenn er ausgewogen sei, habe dagegen eine wässrige, ölige und schleimige Phase. Oftmals würden die beiden letzten Phasen allerdings fehlen. In diesem Fall empfiehlt sich eine ausführliche Tränenfilmdiagnostik etwa mit Hilfe des IDRA Dry Eye Analyzers. Damit wird berührungslos und schmerzfrei die Verteilung und Benetzungsfähigkeit des Tränenfilms sowie die Menge und Funktion der Meibomdrüsen bestimmt, die für die Produktion der Tränenfilm-Fettschicht zuständig sind. Diese Analyse liefert wesentliche Informationen für die individualisierte Behandlung des trockenes Auges wie auch der chronischen Lidrandentzündung.
Um Abhilfe zu schaffen, greifen viele Betroffene zu speziellen Augentropfen. Nach Ansicht der Schwaikheimer Fachärztin sind jedoch oft keine wässrigen oder hyaluronhaltigen Augentropfen, sondern eher fetthaltige ölige Augentropfen indiziert, die den Tränenfilm besser auf der Augen-Oberfläche haften lassen. Eine Augentropfen-Therapie allein ist freilich nicht immer ausreichend. Vielmehr empfiehlt Dr. Mirka Höltzermann gemäß der Weltgesundheitsorganisation eine Stufentherapie: „In unserer Sicca-Sprechstunde zum trockenen Auge stellen
wir den Patientinnen und Patienten einen individuellen Plan zusammen – oft ist es sinnvoll, die Augentropfen-Therapie mit einer Lidkantenpflege in Form einer Wärme- und Massagetherapie sowie Omega-3-Fettsäuren zu ergänzen.“
Ein häufiges Krankheitsbild sind beim trockenen Auge auch entzündete Lidränder. Darüber hinaus sind oftmals die Drüsen in diesem Bereich, die Öl und Schleim für die Haltbarkeit des Tränenfilms produzieren, gestört. „Hier ist nach neuesten Studienerkenntnissen aus der Universitäts-Augenklinik München eine Behandlung mit IPL beziehungsweise Intense Pulsed Light empfohlen“, berichtet die Fachärztin. Hintergrund: Mit der auf Pulslicht-Technologie basierenden Behandlungsmethode E- Eye werden die für die Meibomdrüsen zuständigen Nervenfasern durch regulierte Lichtimpulse aktiviert und somit indirekt auf die Sekretproduktion Einfluss genommen. Ihrer Erfahrung nach bräuchten die Patienten nach drei Anwendungen in zwei bis vier Wochen Abstand bedeutend weniger Augentropfen.
Dr. Mirka Höltzermann