Wer kennt ihn nicht, den Tübinger Musiker Thomas Kuhn, der als Dieter Thomas Kuhn mit seiner Band über viele Jahre in Stuttgart drei Tage lang die Bühne am Killesbergpark gerockt hat. Dann kam Corona und Konzerte wie diese waren nicht mehr möglich. Bald geht es aber wieder los, im Dezember 2022 steht unter anderem auch in Stuttgart wieder ein Auftritt an. Im Gespräch mit top magazin lässt „Die singende Föhnwelle“ seine Karriere und die verschiedenen Projekte Revue passieren.
top: Thomas, wenn man kurz auf Deine Anfänge als Musiker zurückblickt: In das Schlagergeschäft bist Du 1992 mit Deiner Band ja irgendwie rein zufällig reingerutscht. Oder war das so geplant?
Kuhn: Überhaupt nicht. Musik haben wir selbstverständlich vorher schon gemacht. Entscheidend war dann der Moment, als es im Rahmen eines kleinen Italo-Projekts nach zwei Konzerten einen Riesenstreit mit dem italienischen Sänger gab und es zur Trennung kam. Daraufhin sagt unser Gitarrist Philipp Feldtkeller alias Howie zu mir: „Jetzt singst Du das einfach, das kannst Du auch.“ Das habe ich dann auch gemacht, viele der Lieder kannten wir ja schon aus der ZDF-Hitparade. Nach kurzer Zeit haben wir das dann in Richtung deutsche Schlager umgemodelt und daran sehr viel Spaß gehabt. Erst vor zwei Jahren meinte Howie: „Als ich Dich das erste Mal ‚Ein Bett im Kornfeld‘ singen hörte, war mir sofort klar, dass das Dein Ding ist und deutsche Schlager perfekt zu Dir passen.“ Danach haben wir dann einen Schlager nach dem anderen rausgekramt und sind dann relativ schnell auf Tour gegangen.
top: Und welche Art von Musik habt Ihr vorher gemacht?
Kuhn: Ich hatte eine Funky-Soul-Band und zusammen mit Howie bereits zu Schulzeiten schon eine Rock-Band.
top: Im damals angesagten Zentrum Zoo in Tübingen seid Ihr damit auch aufgetreten?
Kuhn: Das wären wir gerne, aber wir durften nicht. Die damaligen Macher des Zentrum Zoo wollten keine lokalen Bands und erst recht keine Amateure bei sich auftreten lassen. Aber sei’s drum.
Foto Wolfgang List
top: Mit dem deutschen Schlager seid Ihr auf Tour gegangen, als er eigentlich tot war. In gewisser Weise habt Ihr dem Genre also zu einem Revival verholfen.
Kuhn: Das kann man so sagen. Viele der „alten“ Hasen wie Bata Illic oder Michael Holm sind ja dann auch wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Von den meisten haben wir übrigens überaus positive Rückmeldungen bekommen. Die fanden toll, was wir machten.
top: Euer Erfolgsrezept war neben viel Power in der Musik und Herzschmerz im Gesang zweifelsohne auch Euer Glitzer-Outfit mitsamt Deinem Brusthaartoupet und der Föhnwelle.
Kuhn: Absolut, denn uns war klar, dass unser Cover-Konzept nicht in Jeans und T-Shirt funktioniert. Unsere Auftritte mussten sich einfach vom bis dahin Gewohnten abheben. Und das hat geklappt. Vieles wie etwa auch das schnellere Tempo und der etwas basslastigere Sound hat sich aber auch einfach so auf der Bühne ergeben. Ich glaube, das Publikum hat immer gespürt, dass wir mit viel Freude an die Sache rangehen. Und das ist bis heute so.
top: Den weiteren Vornamen Dieter hast Du Dir ja in Anspielung auf den Showmaster und Moderator der „ZDF-Hitparade“ Dieter Thomas Heck zugelegt. Hast Du ihn eigentlich mal getroffen?
Kuhn: Ja, und zwar auf der Stallwächterparty der baden-württembergischen Landesregierung in Berlin. Das war sehr unterhaltsam. Dort sagte er zu mir zu später Stunde: „Du heißt ja gar nicht Dieter. Aber ich heiße ja auch nicht Thomas.“ Dazu muss man wissen, dass sein eigentlicher Name Carl-Dieter Heckscher war.
top: Erinnerst Du Dich noch an Euer erstes Konzert?
Kuhn: Ja, das war 1992 im Weilheimer Kneiple. Ich habe erst neulich wieder in eine alte DVD reingeschaut. Da sind die Leute, darunter auch viele Studenten, auf den Biertischen gestanden und haben getanzt sowie kräftig mitgesungen.
top: Hast Du Lieblingsschlager?
Kuhn: Wenn ich drei Favoriten nennen müsste, wären das sicherlich „Es war Sommer“, „Fremde oder Freunde“ und „Eine neue Liebe“.
top: 1999 war ja aber erst mal Schluss mit dem Glitzer. Wieso das?
Kuhn: Weil wir zum einen nach sieben fantastischen Jahren völlig ausgepowert waren – wir hatten zum Beispiel mal zwei Jahre, in denen wir an jedem zweiten Abend ein Konzert gaben, dazu noch zahlreiche Plattenaufnahmen im Studio. Zum anderen wollten wir uns musikalisch neu orientieren. Wir haben uns dann zunächst dem Deutsch-Pop gewidmet, das 2002 gestartete Projekt der Dreigroschenoper wurde leider vom Suhrkamp Verlag aus rechtlichen Gründen gestoppt.
top: 2004 folgte dann aber der Neustart.
Kuhn: Ja, wir haben nach fünf Jahren gemerkt, dass uns etwas fehlt. Wir sind zwar mit unserem Deutsch-Pop auch auf Tournee gegangen, haben die Tour aber mittendrin abgebrochen, weil uns bewusst wurde, dass uns der Spaß verloren gegangen ist. Dazu kam, dass ganz viele Menschen immer wieder auf mich zukamen und meinten, wir sollten doch wieder wie einst weitermachen, das wäre etwas ganz Einmaliges. Aus einem Bauchgefühl heraus ging es dann 2004 mit einem Konzert in Hamburg um die Weihnachtszeit herum wieder los. Unser Hauptaugenmerk liegt seitdem wieder auf der Schlagerschiene, auch wenn wir uns nebenher regelmäßig auch weiterhin mit anderer Musik beschäftigen. Als Beispiel sei hier nur unsere 2021 in der Corona-Zeit produzierte CD “Eine Landpartie“ mit bekannten deutschen Songs im Country-Stil genannt.
top: Welche Musik hörst Du privat gerne?
Kuhn: Aufgewachsen bin ich mit Pink Floyd, Neil Young und 10cc. Die höre ich immer noch gerne. Daneben läuft bei mir aktuell viel von Harry Styles.
top: Stichwort Corona: Was hat die Pandemie mit Dir und Deiner Band gemacht?
Kuhn: Im ersten Jahr habe ich gedacht, das ist eine willkommene Auszeit – quasi wie ein Sabbat-Jahr. 2021 wurde es mir dann aber schon unheimlich. Wir waren glücklicherweise in der privilegierten Lage, finanziell die Corona-Zeit einigermaßen zu überstehen. Und wir haben bewusst auch gesagt, erst wieder aufzutreten, wenn einigermaßen wieder Normalität eingekehrt ist. Für 2023 sind die Planungen jedenfalls in vollem Gange.
top: Du warst ja dann ab Ende 2020 zusammen mit Howie auch intensiv in die Schnelltest-Aktion der bekannten Tübinger Notärztin Lisa Federle involviert.
Kuhn: Ja, und das waren für uns auch ganz wertvolle Erfahrungen, die wir nicht missen wollen. Dafür bin ich Lisa Federle sehr dankbar. Howie und ich haben deswegen auch sofort zugesagt, bei ihren Leseveranstaltungen anlässlich ihrer 2022 erschienenen Autobiografie den musikalischen Part zu übernehmen.
top: Hat die Politik in Corona-Zeiten aus Deiner Sicht richtig agiert?
Kuhn: Ich denke, der korrekte Umgang mit einer bis dahin unbekannten Viruserkrankung war für alle Beteiligten schwierig und mit vielen Herausforderungen verbunden. Man wusste ja tatsächlich nicht, wie man damit umgehen sollte. Klar ist man im Nachhinein immer schlauer. Aber ich denke, die vorgenommenen Corona-Einschränkungen waren insbesondere am Anfang sicherlich absolut richtig. Letztlich sind wir ja immer noch nicht durch. Wir wissen nicht, was der Herbst bringt. Insofern habe ich auch überhaupt kein Verständnis für die Impfgegner. Impfen ist die beste Möglichkeit, um das Coronavirus-Geschehen einzudämmen.
top: Zurück zur Musik: Welche Konzerte sind für Dich unvergesslich?
Kuhn: Das ist bei dieser großen Zahl an Live-Auftritten echt schwierig zu beantworten. Aber unsere Konzerte auf der Waldbühne in Berlin mit ihrer einzigartigen Kulisse waren schon einzigartig. Unvergesslich ist für mich selbstverständlich auch der Auftritt in Stuttgart bei der WM 2006 beim auf dem Schlossplatz vor sage und schreibe 80.000 Fans nach dem Spiel um den dritten Platz. Das war echt überwältigend.
top: Gab es auch Anfragen aus dem Ausland?
Kuhn: In Österreich und der Schweiz haben wir ja oft gespielt. Ansonsten stelle ich mir das im nicht deutschsprachigen Ausland eher schwierig vor. Eine Ausnahme würde vielleicht Japan machen. Aber dazu fühle ich mich zu alt.
top: Und Mallorca?
Kuhn: Tatsächlich bekamen wir viele Anfragen. Aber wir sahen und sehen uns nicht in der Ballermann-Schiene. An diesem Grundsatz werden wir auch nicht rütteln.
top: Was wünschst Du Dir für die Zukunft?
Kuhn: Gesund und fit bleiben, möglichst lange Musik machen und mit 80 nochmals die Waldbühne rocken.
ZUR PERSON:
1965 in Tübingen geboren, absolvierte Thomas Kuhn nach dem Abitur auf der Gesamtschule Waldhäuser-Ost ab 1984 eine Ausbildung als „Masseur und medizinischer Bademeister“ in Balingen. Anschließend arbeitete er bis 1992 im Tübinger Klinikum, um sich anschließend ausschließlich der Musik zu widmen. 1997 gewann Dieter Thomas Kuhn den Deutschen Schallplattenpreis, ein Jahr später wurde ihm der „Echo“-Preis verliehen. Während der Corona-Pandemie engagierte sich der Vater einer Tochter im Jahr 2020 gemeinsam mit seinem Bandkollegen Philipp Feldtkeller in Tübingen als ehrenamtlicher Helfer bei den Schnelltest-Aktionen der Notärztin und Pandemie-Beauftragen Lisa Federle.