Wirtschaft

Recaro: Zurück für die Zukunft

Die Geschichte einer Marke ist etwas Einmaliges und nicht zu kopieren. Sie verleiht dem Unternehmen dahinter eine unverwechselbare Identität. Bestes Beispiel: Recaro. Generationen von Nutzern verbinden mit dem 1906 in Stuttgarter gegründeten Unternehmen ihre jeweils ganz persönlichen Erfahrungen. Dabei hat jeder Kunde seinen eigenen Bezug zur Marke. Sei es ein Nachrüstsitz als sportliches Highlight im ersten Auto, der erste wirklich entspannte Langstreckenflug oder das gute Gefühl, die Kinder in einem sicheren Kindersitz zu wissen – Recaro ist immer präsent und markant, eine Marke mit Tradition und bewegter Geschichte eben. Eines der jüngsten Kapitel in der über 100-jährigen Geschichte des Familienunternehmens ist der 2013 erfolgte Umzug der lange Zeit in Kaiserslautern ansässigen Recaro Holding zurück zu den Wurzeln nach Stuttgart.


 

Top-Magazin-Stuttgart_Zurueck-fuer-die-Zukunft-1Bestechend ist er, der Blick, der sich vom Stammsitz der Recaro Holding in Stuttgart-Degerloch auf die Schwabenmetropole bietet. Auf eine Stadt, in der einst alles angefangen hat und in die der traditionsreiche Sitzhersteller 2013 nach Jahrzehnten der Abstinenz ganz bewusst zurückgekehrt ist. Zur Erinnerung: Die Anfänge der heute von Martin Putsch geführten Unternehmensgruppe liegen in der Stuttgarter Carosserie- und Radfabrik, die 1906 von der Familie Reutter in Stuttgart gegründet wurde. Mit dem Verkauf des Karosseriewerks von Reutter an Porsche im Jahr 1963 wurde der Schwerpunkt vom Exterieur auf das Interieur verlegt, wodurch der Sitzspezialist Recaro (Kurzform für Reutter Carosserie) entstand. Doch dazu später mehr.

 

Martin Putsch

Martin Putsch

Im Laufe der Jahre haben sich unter dem Recaro-Dach selbstständige Spartengesellschaften entwickelt, die sich durch ihre ausgeprägte Kompetenz im Bereich Sitzen auszeichnen. Vor diesem Hintergrund dient der Standortwechsel von Kaiserslautern zurück zu den Ursprüngen in Stuttgart vor allem dem Ausdruck der Neuausrichtung als Markenunternehmen. Deutlich stärker als bisher ist die klare Orientierung an der Marke nun ein elementarer Kern der Recaro Holding, zu der heute Recaro Aircraft Seating und Recaro Child Safety gehören. „Die Stadt ist geprägt von einem innovativen, international ausgerichteten Mittelstand und sie ist als Technologie- und Design-Hochburg wieder der perfekte Standort für uns“, betont der geschäftsführende Gesellschafter Martin Putsch.

 

„Verkehrsknotenpunkt mit Netzwerkfunktion“

Besagte Holding widmet sich zusätzlich zu den klassischen Holding-Funktionen intensiv der Markenführung und dem Ausbau ihrer hohen Design-Kompetenz. Zudem arbeitet sie an der Entwicklung bestehender und neuer Geschäftsfelder.

„Als integrierende Markenholding nehmen wir dabei die Mittlerrolle ein, um für die unterschiedlichen Geschäftsbereiche die Einheitlichkeit der Marke zu garantieren“, erklärt Martin Putsch. Dabei sei es nicht immer einfach, den Spagat zwischen den verschiedenen Zielgruppen zu meistern – beispielsweise Müttern, die einen Kindersitz kaufen, oder aber Airline-Einkäufern, die sich für einen Flugzeugsitz interessieren. „Diese Zielgruppen müssen jeweils individuell angesprochen werden, und dennoch darf die Identität von Recaro nicht verloren gehen“, so Martin Putsch.

Hartmut Schürg

Hartmut Schürg

Um dies zu verwirklichen sowie gleichzeitig die Begeisterung für die Marke zu stärken, wurden in der Holding gezielt Kapazitäten aufgebaut. Ein Beispiel hierfür ist das Design: Die Holding-Mitarbeiter erstellen übergreifende Studien zu aktuellen Trends in den Bereichen Design und Ergonomie und stoßen Innovationsprojekte an, die im normalen Arbeitsalltag in den Sparten nicht immer bewältigt werden könnten. „Diese Erkenntnisse teilen wir dann mit den Geschäftsfeldern“, erläutert Hartmut Schürg, Geschäftsführer Marke & Design der Holding. „Unser Ziel ist es, die Kernkompetenzen von Recaro weiter auszubauen und den Austausch zwischen den Sparten zu fördern.“ Dabei ist es durchaus gewünscht, dass die Ansprechpartner aus den Sparten auch selbst regelmäßig am Firmensitz der Holding präsent sind. Das an ein Bügeleisen erinnernde markante Gebäude in Degerloch ist so quasi zum „Verkehrsknotenpunkt mit Netzwerkfunktion“ für alle Geschäftsfelder von Recaro geworden.

 


Die Geschäftsfelder von Recaro

Recaro Child SafetyTop-Magazin-Stuttgart_Zurueck-fuer-die-Zukunft-4
Recaro entwickelt Lösungen, die in puncto Sicherheit, Komfort und Design Maßstäbe setzen. Atmungsaktive Materialien sorgen für ein angenehmes Sitzklima; Kopf und Wirbelsäule werden durch die hochwertige Rückenlehne und den ausgeprägten Seitenaufprallschutz bestmöglich geschützt. Darüber hinaus erleichtern praktische Details den Eltern-Alltag. So ist zum Beispiel der Zero.1 um 360 Grad drehbar – für rückenschonendes Rein- und Rausheben des Kindes. Und der Zero.1 Elite integriert als weltweit erste Lösung eine vollwertige Babyschale in einen Kindersitz. Die Produkteigenschaften überzeugen übrigens auch regelmäßig Fachjuroren internationaler Designpreise. Mit dem German Design Award oder dem iF Design Award hat Recaro international renommierte Auszeichnungen in der Branche gewonnen. Beim German Design Award 2017 wurde das Unternehmen im „Juvenile Business“ gleich doppelt ausgezeichnet: Sowohl der Kindersitz Zero.1 als auch das Travel System Citylife überzeugten die Jury mit Funktionalität und klarer, dynamischer Ästhetik.

 

Recaro Aircraft SeatingTop-Magazin-Stuttgart_Zurueck-fuer-die-Zukunft-9
Mit innovativen Produkten für die Economy und Business Class hat sich Recaro als Flugzeugsitzlieferant bei führenden Airlines einen Namen gemacht. Heute zählt das global tätige Unternehmen mit Hauptsitz in Schwäbisch Hall zu den drei größten Flugzeugsitzanbietern weltweit und bietet ein perfekt auf die Bedürfnisse der Fluggesellschaften abgestimmtes Produktportfolio. Weniger ist dabei mehr. Deshalb wird im Hinblick auf Kraftstoff-Reduktion und Emissionsminimierung streng darauf geachtet, dass die Fluggastsitze so leicht wie möglich sind – bei gleichbleibend hoher Qualität. Gerade beim limitierten Platzangebot im Flugzeug profitieren die Kunden vom intelligenten Design der Sitze. Spezielle Materialien verbessern die ergonomischen Eigenschaften, passen sich optimal der Wirbelsäule des Passagiers an und reduzieren zudem die Dicke des Sitzes. Zahlreiche Auszeichnungen vom Designpreis über Zuliefererauszeichnungen bis zum Arbeitgeber-Award bestätigen das Unternehmen in seiner Philosophie.

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Recaro Automotive Seating
Seit 2011 ist das börsennotierte Unternehmen Adient (vormals Johnson Controls) Lizenznehmer der Marke Recaro für den Automotive-Seating-Bereich. Der weltweit größte Produzent und Zulieferer von Automobilsitzen nutzt die Marke in vertrauensvoller Partnerschaft mit der Recaro Holding. Von Recaro stammen neben dem ersten Sportsitz für Automobile (gleich zeitig der erste Nachrüstsitz) außerdem der leichteste Fahrzeugsitz der Welt, innovative Nutzfahrzeugsitze und neue Sportsitze in moderner Composite-Bauweise. Renommierte, weltweit aktive Hersteller von Automobilen und Nutzfahrzeugen sind Kunden von Recaro Automotive Seating. Darüber hinaus bedient das Unternehmen über den Fachhandel Endkunden mit Nachrüstsitzen und Motorsportler mit Rennschalen.


 

Zwischen Tradition und Vision

Das Unternehmensprofil von Recaro erstreckt sich heute über mehrere Sparten. Doch nicht immer war der Sitzspezialist so breit aufgestellt. Und nicht immer stand das Sitzen allein im Mittelpunkt. Ein Blick zurück lohnt sich. Wie eingangs schon erwähnt, haben alle Geschäftsbereiche ihre Wurzeln in der „Stuttgarter Carosserie- und Radfabrik“, die der Sattler Wilhelm Reutter 1906 in Stuttgart ins Leben rief. Nach der Umbenennung zum „Stuttgarter Karosseriewerk Reutter & Co.“ folgten bald erste Erfolge im Automobilgeschäft. Mit der Reform-Karosserie wurde der Vorläufer des heutigen Cabriolets patentiert, danach dann die Vorgänger und Prototypen des Volkswagens gebaut. Der erste Porsche aus Deutschland und die Prototypen für den Porsche 911 verließen ebenfalls hier die Werkshallen.

Nach dem Verkauf des Karosseriewerks im Jahr 1963 und der Verlagerung aufs Interieur präsentierte Recaro dann 1965 den Sportsitz, der das automobile Sitzen revolutionierte und neue Maßstäbe etablierte. Zahlreiche weitere Innovationen auf den Gebieten der Auto- und Flugzeugsitze sowie der Kindersicherheitssysteme folgten und verschafften der Firma im Lauf der Jahre eine Ausnahmestellung. Dafür sorgt auch heute noch der Anspruch, als Familienunternehmen mit der Marke etwas Besonderes zu schaffen. Der Nutzen für den Kunden steht dabei immer im Mittelpunkt. Die visionären Meilensteine der Produktgeschichte sprechen eine deutliche Sprache. Inzwischen haben neben dem Automotive-Geschäft auch der Bereich Aircraft Seating und die jüngste Sparte Recaro Child Safety ihre ganz eigene Geschichte. Bereits 1971 starteten die ersten Konstruktionen für Flugzeugsitze – heute ist das Geschäftsfeld erfolgreicher als je zuvor und bestens gerüstet für die anspruchsvollen Aufgaben der Zukunft. Und kein zweiter Hersteller von Kindersitzen kann auf die geballte Kompetenz aus den anderen Bereichen der Sitzproduktion zurückgreifen.

Um das Ziel der Innovationsführerschaft konsequent zu verfolgen, sind auch bei Recaro Child Safety die Markt- und Kundenorientierung noch mehr in den Fokus gerückt. Eigens zu diesem Zweck wurde der Produktionsstandort Marktleugast als „Kompetenzzentrum Operations“ Anfang 2017 um das „Kompetenzzentrum Vertrieb & Innovation“ am Sitz der Recaro Holding in Stuttgart ergänzt. In diesem sind die Bereiche Industrial Design, Innovation Management, Vertrieb, Marketing und Produktmanagement angesiedelt.

Ralf Kindermann

Ralf Kindermann

„Unser zusätzlicher Standort in Stuttgart schafft die Voraussetzungen für eine nachhaltige und erfolgreiche Entwicklung von Recaro Child Safety: Mit der einhergehenden Neuausrichtung des Unternehmens stärken wir auch in diesem Bereich nachhaltig unsere Kernkompetenzen“, sagt Ralf Kindermann, Chief Executive Officer bei Recaro Child Safety. Die Erfolgsgeschichte des renommierten Sitzherstellers dürfte somit auch in Stuttgart mit unverändert hohem Tempo weitergehen.

 


Die Geschichte von Recaro im Schnelldurchlauf

1906: Sattlermeister Wilhelm Reutter gründet in Stuttgart in der Augustenstraße die „Stuttgarter Carosserie- und Radfabrik“. Drei Jahre später erfolgt die Umbenennung in „Karosseriewerk Reutter & Co.“. Reutter produziert bis 1963 Karosserieaufbauten für alle namhaften Hersteller dieser Zeit.
1950: Reutter schafft nach dem Krieg den Neuanfang und produziert die kompletten Karosserien für den Porsche 356.
1963: Das Werk II Zuffenhausen mit etwa 1.000 Mitarbeitern wird an Porsche verkauft. Aus Reutter Carosserie wird Recaro. Mit 250 Mitarbeitern startet die „Fabrik für Fahrzeugsitze“ die Produktion als Systemlieferant für Automobilhersteller und Endkunden.
1983: Nach dem Verkauf an Keiper (Familie Putsch, 1970) entsteht 1983 durch Fusion die Keiper Recaro GmbH, die Flugzeugsitzproduktion wird komplett nach Schwäbisch Hall verlagert.
1997: Aus der Keiper Recaro GmbH entsteht die Keiper Recaro Group mit vier unabhängigen Unternehmen, darunter die Recaro GmbH & Co. KG im Automobilbereich und die Recaro Aircraft Seating GmbH & Co. KG, die mittlerweile zur Weltspitze der Flugzeugsitzlieferanten im Economy-Class-Bereich aufgestiegen ist.
1998: Recaro erweitert das Angebot und steigt mit der Recaro Child Safety GmbH & Co. KG in die Produktion von Kindersitzen ein.
2011: Recaro Automotive Seating nutzt unter neuer Eigentümerschaft die Marke in Lizenz der Recaro Holding, zu der die selbstständigen Sparten Aircraft Seating und Child Safety gehören.
2013: Mit dem Umzug von Kaiserslautern nach Stuttgart schlägt die Recaro Holding ein neues Kapitel in der Firmengeschichte auf und kehrt zu den Wurzeln des Familienunternehmens zurück.
2017: Recaro Child Safety baut seine Präsenz in Deutschland aus. Hierfür wird der bereits bestehende Standort Marktleugast als „Kompetenzzentrum Operations“ ausgebaut. Dazu kommt Stuttgart als neuer Standort: Schwerpunkte im hiesigen „Kompetenzzentrum Vertrieb & Innovation“ in der Jahnstraße in Degerloch sind die Bereiche Innovation Management, Industrial Design, Vertrieb und Marketing.

 

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Artikel von www.top-magazin.de/stuttgart