Kultur

„Oper ist eine breite Kunst“


Die in Kroatien geborene Mezzosopranistin Diana Haller und die Sopranistin Ana Durlovski aus Mazedonien gelten als Ensemblelieblinge der Stuttgarter Oper. Schon seit Jahren legt die Oper Stuttgart einen besonderen Schwerpunkt auf ein hochklassiges Ensemble. Sängerinnen und Sänger gehören über mehrere Spielzeiten oder länger zum Staatstheater und verkörpern so in vertrauter Umgebung im Laufe der Jahre ganz unterschiedliche Rollen. In der Neuinszenierung von Händels Oper Ariodante sind Diana Haller (Foto, li.) und Ana Durlovski (Foto, re.) in der gleichnamigen Titelrolle als Ritter und dessen Braut Ginevra zu erleben. Wie befruchtend diese Kontinuität für die Künstlerinnen und Künstler ebenso wie für das Publikum sein kann, und was die beiden Sängerinnen an Stuttgart so mögen, hat top magazin im Gespräch mit ihnen erfahren.

 


 

Ana Durlovski, Sopran, geboren in Štip, Mazedonien. Studium an der Musikakademie der Universität St. Kyrill und Method in Skopje. An der dortigen Nationaloper Debüt mit der Titelpartie von Lucia di Lammermoor. Es folgten Auftritte an den Nationalopern in Belgrad, Sarajewo, Tirana und Zagreb. 2006 Debüt als Königin der Nacht an der Staatsoper Wien, Auszeichnung mit dem kroatischen Kulturpreis „Marijana Radev“. 2006-2011 Ensemblemitglied des Staatstheaters Mainz, wo sie als Lucia, Sophie (Der Rosenkavalier), Musetta (La Bohème) und in der Titelpartie von Massenets Manon auftrat. Gastengagements u.a. an den Staatsopern in Wien und Berlin. Weitere wichtige Rollen: Donna Anna (Don Giovanni), Adele (Die Fledermaus), Gilda (Rigoletto). Seit 2011 gehört sie dem Ensemble der Oper Stuttgart an. 2012 erhielt Ana Durlovski den Deutschen Theaterpreis DER FAUST als beste Sängerdarstellerin im Musiktheater für ihre Amina in Die Nachtwandlerin. Außerdem wurde sie in der Umfrage der Zeitschrift „Opernwelt“ für dieselbe Rolle zur besten Nachwuchssängerin ernannt. 2014/15 debütierte Ana Durlovski als Königin der Nacht an der Metropolitan Opera in New York und gastierte 2015/16 mit dieser Partie an der Semperoper Dresden und am Teatro Real Madrid. Nach ihrer Darstellung der Titelrolle von Berenike, Königin von Armenien, der Olympia in Hoffmanns Erzählungen und der Elvira in Die Puritaner in der vergangenen Spielzeit ist Ana Durlovski 2016/17 als Alcina in Händels gleichnamiger Oper und als Ginevra in der Neuinszenierung von Ariodante zu erleben.

 

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Diana Haller, Mezzosopran, geboren in Rijeka, Kroatien. Gesangstudium zunächst in ihrer Heimatstadt, anschließend am Conservatorio di Musica Giuseppe Tartini in Triest, an der Royal Academy of Music in London sowie in Stuttgart bei Dunja Vejzović. 2012 erhielt Diana Haller den 1. Preis beim Internationalen Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart. 2009/10 debütierte Haller als Mitglied des Opernstudios der Oper Stuttgart als Knappe in Parsifal, zu ihren weiteren Rollen zählten Glascha (Katja Kabanova) und Mercédès (Carmen). Seit der Saison 2010/11 sang sie, nun als festes Ensemblemitglied der Oper Stuttgart u.a. Laura (Luisa Miller), Mère Jeanne (Gespräche der Karmeliterinnen), Berta (Il barbiere di Siviglia), Erste Magd (Elektra) und Cherubino (Figaros Hochzeit). In 2011 gab Diana Haller mit der Titelpartie in Siroe, Re di Persia von Hasse ihr Debüt beim London Handel Festival und in Il noce di Benevento von Giuseppe Balducci beim Festival Rossini in Wildbad. 2013 wurde Diana Haller in der Kritikerumfrage der „Opernwelt“ zur Nachwuchssängerin des Jahres für ihre Stuttgarter Cenerentola gewählt. 2014 gastierte Diana Haller als Ines (Il trovatore) bei den Salzburger Festspielen und 2015/16 als Angelina (La Cenerentola) am Gärtnerplatztheater in München. 2016/17 übernimmt Diana Haller an der Oper Stuttgart die Partien Ruggiero (Alcina) und Enrichetta (Die Puritaner) sowie die Titelpartie in der Neuinszenierung von Ariodante.

 


 

top: Bei den Kritikerumfragen in der Zeitschrift „Opernwelt“ wurden Sie beide schon als „Nachwuchssängerinnen des Jahres“ ausgezeichnet. Nun hat im Opernblog Chefdramaturg Sergio Morabito von Ihnen als den „Ensemblelieblingen“ geschrieben. Wie kommt man zu dieser Ehre?
Durlovski: Ich weiß es nicht. Ich würde das nicht so sagen. Aber wir lieben uns alle hier. Es ist pure Liebe in Stuttgart. Hier zu arbeiten, macht extrem viel Spaß.
Haller: Dem kann ich nur zustimmen, hier in Stuttgart ist das wirklich etwas Besonderes. Das ist lang nicht an allen Häusern so. Dass an der Stuttgarter Oper eine so tolle Atmosphäre herrscht, liegt auch am Intendanten, an Jossi Wieler und seinem Team. Man redet auch privat über die Probenzeit hinaus vielleicht noch über einen Charakter oder eine Szene.

top: Wirkt sich diese besondere Atmosphäre auch auf Ihre künstlerische Arbeit aus? Haller: Unbedingt, denn es macht ja schon etwas aus, dass wir uns so gut kennen. Wenn wir proben, dann haben wir keine Berührungsängste. Wir kommen auf der Bühne viel schneller zusammen.
Durlovski: Es ist einfacher zu spielen, man ist viel freier auf der Bühne und probiert auch einfach mal etwas aus. top: Frau Haller, Sie debütierten in Stuttgart ja im Opernstudio. War dies das Sprungbrett für Ihre Karriere?
Haller: Ja, das war überraschend. Ich habe mich ja seinerzeit nicht beworben, sondern ich wurde gehört und dann eingeladen. Über das Opernstudio kam ich dann an die Oper. So hat sich eines aus dem anderen entwickelt. Für mich war das ganz toll, deshalb bin ich Stuttgart treu geblieben.
top: In dieser Spielzeit liegt ein Schwerpunkt auf den Barockopern. In Händels Ariodante spielen Sie beide nun ein Paar, das sich liebt, nicht immer versteht und viel miteinander durchmacht. Wie wirkt es sich hier auf die Arbeit aus, dass Sie sich schon so gut kennen?
Durlovski: Im Detail ist es viel Regiearbeit, und das kommt auch vom gesamten Team. Dass wir so sehr gut befreundet sind, ermöglicht uns auch, auf der Bühne viel von uns zu geben. Regiearbeit ist schließlich ein Geben auf beiden Seiten. Die Regie hat eine Idee, und dann müssen wir etwas anbieten. Und weil wir uns so gut kennen, sind unsere „Angebote“ auch mutiger und stärker.

Diana Haller brilliert in Stuttgart in der Titelpartie von Händels Oper „Ariodante“

Diana Haller brilliert in Stuttgart in der Titelpartie von Händels Oper „Ariodante“

top: Sie haben schon ganz unterschiedliche Partien gesungen, Strauß, Verdi, Mozart. Jetzt mit Händel ist Barock angesagt. Liegt Ihnen das besonders?
Haller: Für mich und meine Stimme ist das perfekt. Sie ist jetzt ideal dafür geeignet. Wenn ich älter werde, dann entwickelt sich die Stimme in Richtung eines fülligeren Belcanto-Repertoires. Aber für eine junge Sängerin ist es wichtig, diese Leichtigkeit in der Stimme zu behalten. Bei Verdi muss man ja mitunter auch viel Power in die Stimme legen. Und schon allein die Vorstellung, dass man dann mit Druck singen sollte, kann für die Stimme gefährlich sein. Dass ich diese Spielzeit zwei Händel-Opern machen darf, empfinde ich als ganz großes Glück.
Durlovski: Ich komme mehr aus dem Belcanto-Repertoire. Deshalb hat es für mich auch eine große Bedeutung, dass ich jetzt meine Stimme in diese Richtung entwickeln und mehr Barockmusik singen darf. So kann ich meine Stimme in der Leichtigkeit pflegen. Denn wenn man lange in einem Fach ist, verliert man unter Umständen die Facetten.

top: Wechselt man dann idealerweise Spielzeit für Spielzeit das Fach?
Haller: Man kann absolut mischen, auch innerhalb einer Spielzeit. Man sollte auch immer mischen, sonst läuft man Gefahr, dass man in die eine oder andere Stilrichtung etwas verliert. Man sollte sogar die Gattungen immer mischen, also neben der Oper auch noch Lied und Oratorium singen. Jeder sollte ausprobieren, wie weit er da gehen kann.
Durlovski: Ja, es ist wichtig, dass man dann und wann auch mal wieder ein Konzert singt. Man profitiert von der Mischung, man bleibt wacher und kreativer.

top: In der Oper hat man Schauspiel und Gesang. Frau Durlovski, Sie wurden bereits 2012 mit dem FAUST-Theaterpreis als beste Sängerdarstellerin im Musiktheater ausgezeichnet. Wie bereitet man sich auf eine Rolle vor? Wann schlüpft man in die andere Person, die man dann auf der Bühne ist?
Durlovski: Bedingt durch die Art der Regiearbeit hier in Stuttgart, mache ich mir im Voraus keine Bilder von einer Person. Das würde definitiv nur stören. Ich komme ganz neugierig zur ersten Konzeptionsprobe. Natürlich ist man stimmlich und musikalisch vorbereitet. Aber das, was auf der Bühne passiert, ist eine gemeinsame Arbeit. Ich bleibe auch gerne offen, weil man nicht unbedingt weiß, ob das, was man am Vormittag geprobt hat, am Nachmittag weitergeht oder ob es neu oder anders wird. Immer neugierig zu bleiben, zahlt sich aus. So entsteht dann nach und nach die Rolle.

top: Sie schauen sich nie vorab andere Interpretationen an? Die digitalen Medien ermöglichen dies ja mit minimalem Aufwand.
Haller: Ich finde das völlig falsch, sich schon weit im Voraus Aufnahmen einer Rolle anzuhören, von der man weiß, dass man sie nächstes Jahr singen wird. Man kann sich beispielsweise alle möglichen Händel-Opern anhören, aber nicht diejenige, die man dann selber singen wird. Ein barockspezifischer Faktor ist zum Beispiel die Da-capo-Arie. Bei der Wiederholung kann und soll man variieren. Höre ich andere Interpretationen an, dann hört man auch deren Variationen. Und selbst wenn man das nicht unbedingt genau nachmacht, so bleibt doch im Unterbewusstsein davon etwas hängen und lässt einen nicht völlig frei sein für die eigenen Variationen. Dann singe nicht mehr ich. Lieber mache ich einen Fehler und der Maestro sagt mir dann, das passt so aber nicht, das ist so nicht richtig, als dass ich jemand anderen imitiere.
Durlovski: Nicht nur das. Alles, was wir auf der Bühne machen, korrespondiert auch mit dem Gesang. Jede Verzierung muss zusammenpassen mit unserem Agieren. Das, was wir mit unserem Gesang erzählen, muss in Übereinstimmung mit unserem Spiel auf der Bühne sein. Das ist eine Symbiose. Zu hören, was andere gemacht haben, kann die Individualität beschränken.

Ana Durlovski glänzt in der Stuttgarter „Ariodante“ als Ginevra

Ana Durlovski glänzt in der Stuttgarter „Ariodante“ als Ginevra

top: Aufgrund der Tatsache, dass Sie einander so gut kennen, geben Sie sich gegenseitig Tipps oder Feedback nach den Proben?
Haller: Ich meine, dass ein Sänger nicht so weit gehen darf, außer wenn er gefragt wird. Wenn Ana mich fragt, was ich von dieser oder jener Verzierung halte, sage ich ihr aber schon, was ich denke.
Durlovski: Das hat auch mit gegenseitigem Respekt zu tun. Auch oder gerade weil wir so gut befreundet sind. Ich kann sie bewundern und fragen, sag mal, wie machst Du das? Oder: Kannst Du mir Tipps für diese Stelle geben, ich komme mit dieser Stelle nicht klar.
Haller: Ja, es gibt Kritiker, die sollen uns kritisieren. Wir geben uns gegenseitig Kraft und Mut, wir unterstützen uns und schauen auf das, was positiv ist. Und dadurch dass wir zwei Sängerinnen sind, wissen wir sehr wohl, was es bedeutet, zu singen. Wir können in der Kategorie des Sängers denken und wissen dann beispielsweise, wie schwer das ist, was die andere gerade singt. Und wie sie perfekt sein will in ihrer Rolle. Das ist etwas, was der Kritiker in dieser persönlichen Erfahrung nicht kennt. Perfektion gibt es sowieso nicht. Es gelingt nicht immer alles. Eigentlich wollen wir immer alle dahin, aber das ist eine Welt, die wir nie erreichen werden. Zumindest ich werde das nicht.
Durlovski: Wozu muss etwas überhaupt perfekt sein? Wenn etwas perfekt ist, dann ist es überhaupt nicht mehr interessant. Man darf nicht dogmatisch sein. Oper ist eine breite Kunst.

top: Wenn es nicht die Perfektion ist, so erreicht man aber vielleicht doch ein Stadium des Glücks und der Freude darüber, dass man auf der Bühne steht und weiß, dass man im richtigen Moment am richtigen Ort ist und wirkt?
Haller: Es liegt auch ein Glück darin, dass man eine Vorstellung macht und am nächsten Tag sagt: Ok, gestern war das und das nicht besser, aber dafür ist mir das und das sehr gut gelungen. Es gibt also noch was zu tun. Wenn ich den Punkt erreiche, dass ich sagen kann, die Vorstellung war von Anfang bis Ende super, ich bin die Beste …
Durlovski: … dann ist das der künstlerische Tod. Dann geht nichts mehr weiter, weil man nichts mehr hat, an dem man arbeiten will. Haller: Ja, jede Stunde, in der man sich mit Musik beschäftigt, entdeckt man ja auch etwas Neues.

top: Wann schlüpfen Sie an einem Abend vor der Vorstellung in Ihre Rollen? Beim Einsingen, in der Maske, beim Anziehen?
Durlovski: Bei mir fängt das schon auf dem Weg zum Theater an. Oder eigentlich schon früher, den ganzen Tag über. Man spricht unter Kollegen auch von einer „Depression“ vor der Vorstellung, wenn man sich ganz zurückzieht und mental vorbereitet. Ich muss nicht denken, dass ich beispielsweise „Ginevra“ bin, aber ich begebe mich dann in die Atmosphäre des Abends hinein.
Haller: Bei mir ist das ein bisschen anders. Ich bin frei von der Rolle, bis ich in der Maske fertig bin.
Durlovski: Ja, das weiß ich. Du kommst immer als Letzte in die Maske.
Haller: Ja, ich bin frei von diesem Stress. Ich verbringe den Tag, ohne an die Vorstellung zu denken. Natürlich hängt das auch ein bisschen davon ab, ob es eine Rolle ist, die ich schon mehrmals gesungen habe. Ich gehe in die Vorstellung und in meine Rolle gedanklich bewusst erst nach der Maske rein.
Durlovski: Und in die Maske kommst Du eine halbe Stunde vor der Vorstellung.
Haller: Ich würde gerne erst 20 Minuten vorher kommen. Aber dann sind die Maskenbildner verärgert. Das wäre nicht schön.

top: Sie haben vorher beim Fotografieren in einer anderen Sprache miteinander gesprochen. Wir unterhalten uns in wunderbarem Deutsch. Wie viele Sprachen sprechen Sie beide?
Haller: Deutsch habe ich hier im Land gelernt, als ich für mein Studium an die Musikhochschule kam. Untereinander sprechen wir Kroatisch. Aber Ana kommt ja aus Mazedonien, sie spricht tausend Sprachen.
Durlovski: Ich bin eine andere Generation. Wir haben damals noch in Jugoslawien als zweite Amtssprache Serbokroatisch gehabt. Das haben wir ganz selbstverständlich gelernt. Und Serbokroatisch und Kroatisch sind sich sehr ähnlich. top: Wenn Sie unter sich sein wollen im Ensemble, dann sprechen Sie Kroatisch?
Haller: Ja, es ist auch einfach schön. Für mich ist es ja die Muttersprache.
Durlovski: Für mich ist es mit Kroatisch auch viel leichter, weil gerade viele Wörter aus der Umgangssprache einem nur in Kroatisch einfallen. Der Humor im Mazedonischen und Kroatischen ist auch sehr ähnlich, das kann ich nicht auf Deutsch ausdrücken, da nehme ich dann die kroatische Sprache.

top: Und gibt es für Sie beim Singen eine Lieblingssprache?
Durlovski und Haller: Italienisch.
Haller: Mittlerweile auch Deutsch. Gerade bei Liedkonzerten ist es ganz wunderbar, was man mit der deutschen Sprache vermitteln kann.
Durlovski: Deutsch ist in der Tat eine reiche Sprache, mit der man unglaublich gut malen kann.
Haller: Die Originalsprache einer Komposition ist aber immer am besten. Da kommt man der Seele der Musik am nächsten. Wenn ich daran denke, um wieviel leichter es mir fiel, beispielsweise Lieder von Hugo Wolf zu singen, nachdem ich angefangen habe, Deutsch zu lernen. Man sollte immer ein bisschen die Sprache lernen, in der man singt.
Durlovski: Es ist gut, wenn man die Sprachmelodie im Kopf hat.

top: Zurück zum Stuttgarter Haus. Wenn die neue Saison besprochen und überlegt wird, wer welche Rolle singt, dann wird man ja gefragt, ob man das machen möchte. Kann man als Sänger auch eine Rolle ablehnen?
Haller: Natürlich. Das muss man sogar, wenn man etwa eine Partie singen soll, die vielleicht zu weit weg vom eigenen Repertoire ist. top: Welches sind Ihre Wunschpartien, die Sie in den nächsten Jahren vielleicht singen möchten?
Haller: Verdi: Abigaille in „Nabucco“ und Lady Macbeth – wenn überhaupt, dann aber erst in ferner Zukunft. Das hängt natürlich davon ab, wohin sich die Stimme entwickeln wird in den nächsten Jahren. Sie kann wachsen, im schlimmsten Fall ruiniert man sie. Es ist sehr individuell. Im Belcanto gibt es Rollen, die ich noch nicht annehmen konnte wie „Favorita“ oder „Romeo“ oder dann auch Richard Strauß. Ich freue mich, wenn ich sie eines Tages singen werde.
Durlovski: Bei manchen Stimmen kann man auch steuern, wohin sie gehen und welchen Weg sie nehmen. Ich persönlich freue mich auf interessante Charaktere, und davon gibt es noch sehr viele. Ich bin dafür, dass das ganze Paket stimmt, also nicht nur meine Rolle, sondern überhaupt die ganze Produktion.

top: Wie pflegt man seine Stimme über die künstlerische Arbeit hinaus im Alltag?
Haller: Ach, man sollte ein ganz normales Leben führen. Wenn ein Infekt kommt, dann hat man Pech gehabt, und man muss eben absagen, oder, wenn man noch nicht ganz krank ist, ganz vorsichtig singen, eben nur mit Technik.
Durlovski: Das ist uns schon mehrmals passiert. Das ist eine ganz normale Sache, vor allem wenn man noch Kinder hat.
Haller: Aber man sollte schon ein gesundes Leben führen und fit sein für alles, was man auf der Bühne machen muss.

top: Wie halten Sie sich neben dem Stimmtraining körperlich fit?
Haller: Ein bisschen Fahrradfahren, ein bisschen Gymnastik, alles, was andere Leute auch machen. Sport ist immer gut und wichtig. Ich schwimme auch gerne. Das finde ich fantastisch, auch wegen des Atmens. Früher habe ich Synchronschwimmen trainiert. Das war heftig und schwierig, aber auch wunderbar.
Durlovski: Also ich habe drei kleine Kinder – und das ist mein Sport. top: Gefällt es Ihnen in Stuttgart?
Haller: Ja, die Stadt ist nicht zu klein und nicht zu groß, sie ist perfekt.
Durlovski: Ich pendle zwischen Mazedonien und Stuttgart. Ich bin gerne hier, natürlich wegen des Theaters und der Menschen, die ich hier kennengelernt habe. top: Welche Beziehungen pflegen Sie zu Ihrer jeweiligen Heimat? Sind Sie dort auch künstlerisch aktiv? Haller: Ich singe sehr viel in Kroatien.
Durlovski: Ja, ich singe auch viel in Mazedonien. Haller: Man muss einen Teil dessen, was man im Ausland gelernt hat, auch in seine Heimat zurückbringen. Und wir können so auch den jungen Sängerinnen und Sängern, die nach uns kommen, etwas zeigen und geben.
Durlovski: Ich finde es sehr wichtig, meine Erfahrungen mit den Nachwuchskünstlern in Mazedonien zu teilen und nicht „egoistisch“ für mich zu behalten.
Haller: Es geht nicht ums Geld oder das Renommee, es geht darum, etwas von sich und seiner Kunst mitzubringen. In meiner Heimatstadt Rijeka gibt es ein Opernhaus. Ich bin gerne dort, und bringe etwas von der Welt dort draußen mit. Wenn dann auch Familie kommt, ist das sehr schön.
Durlovski: Ja, diese Verbindung ist wichtig. Man muss immer mal wieder „back to the roots“, die Seele auftanken.
top: Wo tanken Sie sonst noch auf?
Durlovski: Überall, wo es Sonne gibt.
Haller: Für mich ist es eine Freude, wenn ich nach Hause gehe und meine ganze Familie sehe. Das ist für die Seele am Schönsten. Und dann liebe ich die Badewelten in und um Stuttgart.
Durlovski: Man braucht ab und an alles, was einem von der Kindheit her vertraut ist. Das kann auch ein Geruch oder ein Gericht sein.

top: Kochen Sie dann auch Ihre jeweilige Landesküche hier?
Haller: Oh Gott, ich kann nicht gut kochen. Ana lädt mich ein, um etwas Gutes zu essen.
Durlovski: Man kann hier ja auch alles finden, das ist überhaupt kein Problem. Außer der speziellen mazedonischen roten Paprika, die Ajvarka. Das ist die Paprika, aus der man die Ajvar-Paste macht.

Die Fragen stellte Gabriela Rothmund

Artikel von www.top-magazin.de/stuttgart