Eine Frage der Null – da weiß dieser Mann genau, wovon er spricht. Als einstiger Kämmerer der Stadt Essen und heutiger Finanzvorstand der Stadtwerke dreht sich bei Lars Martin Klieve im Beruf alles um Zahlen, und letztlich eben um die Null. Für die Stadt bei den Schulden, für die Stadtwerke beim künftigen CO2-Wert.
„Lars Klieve” – die Stimme klingt gleichsam entschlossen wie erwartungsvoll durch das Telefon.
Sie gehört einem Mann, der seit jeher entschlossen seine Aufgaben anpackt und erwartungsvoll seine Ziele ansteu-ert. Erwartungsvoll und nicht minder entschlossen, sein Bestes dafür zu geben, genau diese Ziele zu erreichen, auch wenn es nicht immer sofort funktioniert. Dabei ist das eher gar nicht typisch für seinen Weg. Der zeichnet eher eine steile Karriere, angefasst mit Mut, Ehrgeiz, Know-how und getragen durch einen klaren Kompass.
„Ich wollte schon früh Beigeordneter werden und Kämmerer“, sagt Lars Klieve schlicht, denn aufzutrumpfen ist gar nicht seine Art. Muss er auch gar nicht, schließlich hat er erreicht, was ihn von Anfang an bewegt hat. Bewegt im Wortsinn – immer weiter nach vorne nämlich. Mit 40 wollte er sein Ziel erreicht haben, er ist gerade 31, als er über die selbst gesetzte Ziellinie läuft. Und dann geht es rasant weiter.
Dazu gehört eine frühe politische Verortung, schon mit 15 Jahren schließt er sich der Jungen Union an, wird in der Jugend-Organisation der Christdemokraten nach dem Abitur von der reinen Mitgliedsnummer zum Aktivposten. Erst stellvertretender Ortsunions-Vorsitzender, dann Mitglied im Kreisvorstand, schließlich wird der Castroper-Rauxeler mit gerade 22 Jahren stellv. Bezirksvorsitzender, erst hinter Oliver Wittke, später hinter Thomas Kufen. Dann führt sein Weg in den Bundesvorstand, dort gilt er als der „Kommunal-Fuzzi“. Für Klieve ist das okay: „Weil mich wirklich interessiert, was vor Ort passiert.“
Parallel zum Ehrenamt geht er seinen beruflichen Weg: Banklehre nach dem Abitur, dann Jura-Studium. Vier Semester erst in Münster, dann vier Semester in Bonn – ein strammes Pensum, das nicht viele in der Zeit bewältigen. „Ach wissen Sie, da gibt es ja den Freischuss, wenn die Ergebnisse nicht gut sind, kann man wiederholen“, zuckt er mit den Achseln. Doch: Den Freischuss gibt es nur für die, die nicht so schnell sind wie er. Und er braucht die Wiederholung nicht – natürlich nicht. Das Ergebnis passt, und das Tempo bleibt hoch. „Ich wusste ja, dass es ein bisschen dauern kann, mein Ziel zu erreichen, da wollte ich den Grundstein schnell legen.“ Also verbindet er das Angenehme mit dem Opportunen, will aus Bonn zurück ins heimatliche Revier und findet in Essen den Landgerichtsbezirk mit der kürzesten Wartezeit auf das Referendariat.
Und weil er eben Lars Martin Klieve ist und nicht so schnell ausgelastet, engagiert er sich nach dem 1. Examen bei der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) NRW, dem Bildungswerk der CDU. „Das passte gut, es sitzt in Recklinghausen. Da habe ich erste Kurse gegeben, erste Euro verdient, zwei Bücher mitgeschrieben.“ Für Lars Klieve, den ja ohnehin interessiert, was vor Ort passiert, viel mehr als ein Job: „Es war toll, Fraktionen zu beraten, vor allem im ländlichen Raum. Da konnte man schon als junger Mensch etwas weitergeben. Und ich habe mit jeder Veranstaltung auch etwas dazugelernt.“
Er reist mit der Aufgabe viel herum, das weitet den Blick, sagt er und nimmt eine Erkenntnis mit: „Es gibt eine gemeinsame Wertebasis, ein gemeinsames Menschenbild. Ob Arbeitnehmerflügel oder Unternehmerschaft, Jung oder Alt – CDU-Fraktionen ticken alle ähnlich“. So wächst in der Zeit der hohe Respekt vor all den Ehrenamtlichen, die ihre Zeit und Energie in ihre Ämter stecken, und er gewinnt „die in-trinsische Motivation, denen allen so zuzuarbeiten, dass sie ihre Ämter optimal ausfüllen können“.
Die Chance ergibt sich schneller als gedacht, als in Hürth die Stelle des 1. Beigeordneten ausgeschrieben ist. „Eigentlich hab’ ich nicht geglaubt, dass es funktioniert, aber wenn man seinen Hut nicht in den Ring wirft, kann es auch nichts werden.“ Er gewinnt das Rennen um den Job mit gerade 32. Dann kommt sein 35. Geburtstag, „ein emotionales Datum, denn es bedeutet den Abschied von der Jungen Union“. Also feiert Lars Klieve mit seinen Weggefährten und Oliver Wittke, mit gerade frischer Ernennungs-Urkunde zum NRW-Minister, nimmt ihn zur Seite: „In Gelsenkirchen geht der Kämmerer, das musst Du jetzt machen.“ Gesagt – getan: Der langjährige JU und KPV-Mann wird Kandidat der CDU in Gelsenkirchen und als Kämmerer gewählt. Der nächste Schritt ist nicht ohne Tragik: In Essen stirbt sehr jung der Kämmerer aus seinem Amt heraus, die Stelle bleibt ein Jahr lang unbesetzt, dann läuft alles auf Lars Klieve zu, der den Reiz der Aufgabe erkennt: „Die Lage, die Wirtschaftskraft, die Stadtgesellschaft, privates Mäzenatentum – das ist alles echt einmalig im Revier.“ Also bewirbt er sich und hat bis heute den Tag der Entscheidung parat: „Am 24.6.2009, es war ein Mittwoch, da sind immer Ratssitzungen, bin ich gewählt worden.“
Und damit beginnt für Lars Martin Klieve der Kampf mit den Schulden, das Rennen zur Null. „Gelsenkirchen war schon nicht auf Rosen gebettet, aber in Essen gab es ein Minus von 410 Mio. Euro jährlich, also mehr als eine Mio. Schulden machte die Stadt pro Tag.“ Er stemmt sich gegen die Entwicklung, kümmert sich um die Sicherung günstiger Kommunal-Kredite, wirbt überall für die Überzeugung, dass auch große Defizite zu überwinden sind. So kommt Essen selbst durch die große Finanzkrise der frühen 2010er-Jahre hindurch, ab 2014 werden Schulden getilgt, 2017 legt Klieve den ersten ausgeglichenen Haushalt der Stadt seit 1992 vor. Der erste ausgeglichene und zugleich Klieves letzter – er wechselt als Finanzvorstand zu den Essener Stadtwerken. Und muss hier durch die große Gas- und Strommangellage wieder ringen. Die ist bewältigt, jetzt gehört die Kraft dem neuen Ziel: Eine zuverlässige, die Menschen nicht überfordernde Wärmeversorgung, die bis 2040 in Essen klimaneutral sein soll. Auch eine Aufgabe, die Lars Klieve entschlossen anpackt.