Sport & Gesundheit

Der Pandemie-Planer

Es geht ums Schützen und Dienen, um vorausschauendes Handeln und um das klare Management einer außergewöhnlichen Situation, damit sie für die Menschen nicht zur echten Krise wird. In Essen hat Stadtdirektor Peter Renzel dafür ein Lagezentrum auf die Beine gestellt, längst bevor Covid-19 im Land als großes Thema wahrgenommen wird. Denn Essen hat als eine der wenigen Kommunen überhaupt einen eigenen Pandemieplan – und eine Nähanleitung für Masken, die um die Welt zieht.


 

Das Karnevalswochenende 2020 wird Peter Renzel wohl für immer im Gedächtnis bleiben – unendlich dicht und kurz drängen sich die Wochen und Monate seither aneinander. Jeder einzelne Tag eine neue Herausforderung, die jeden Morgen und jeden Abend im Lagezentrum erkannt, behandelt und bewältigt werden will. Zu schlimm sind die Bilder aus Italien und Spanien, die auch die Ruhrstadt fluten. Corona, Co-vid-19 ist aus dem fernen China nach Europa geschwappt, wütet förmlich unter den Menschen, Gesundheitssysteme halten dem Drang nicht stand. Das, weiß der Essener Stadtdirektor, der als Dezernent für Soziales, Arbeit und vor allem Gesundheit zuständig ist, darf in Essen nicht passieren. Die Lektion aus der Schweinegrippe 2009 hat die Stadt gelernt und eine umfassende Pandemieplanung erstellt, eben um die Menschen zu schützen. Dafür stehen alle Antennen auf Empfang, als im eigentlich fernen Wuhan eine neue bisher in der Form nicht bekannte Seuche ausbricht: Corona. Vermummte Menschen, erschöpfte Ärzte, erschreckende Sterbezahlen, rigide Abschottungs- und Quarantäneregeln sind schon zur Jahreswende 2020 für die Verantwortlichen gar nicht so weit weg. Darum geht im Februar, als schließlich klar wird, dass die neuartige Krankheit über Südosteuropa sichtbar nach oben „wächst“, in Essen auch alles ganz schnell.

Am Rosenmontag, erinnert sich Peter Renzel, schlägt Messechef Oliver Kuhrt Alarm – muss die Weltmesse Sanitär, Heizung, Klima abgesagt werden? Das ist der der 25. Februar, einen Tag später wird nach einem Gespräch mit dem Gesundheitsamt das „Lagezentrum Untere Gesundheitsbehörde“ bei der Feuerwehr eingerichtet und ein Bürgertelefon geschaltet. Binnen weniger Stunden wird der Essener Pandemieplan, der bereits 2009 entwickelt wurde, auf die neue Situation „SArs-Cov 2“ angepasst. Gerade noch rechtzeitig: Am 1. März wird die erste Infektion in der Stadt gemeldet – eine Pflegerin ist erkrankt.

 

Juliane Böttcher hat als Leiterin des Gesundheitsamtes der Stadt Essen großen Anteil an der Bewältigung der Pandemie. Als langjährige stellvertretende Leiterin hat sie ihr Amt als Leiterin just am 1. März, dem Tag der ersten Corona-Infektion in Essen, begonnen.

 

„Dann ging es Schlag auf Schlag, und niemand wusste, was auf uns zu kommt“, erinnert sich Renzel. Eines ist dabei immer gegenwärtig: Bilder aus dem gebeutelten Italien und dem überforderten New York, die Triage, die bittere Auswahl, welchen Patienten in den überlasteten Kliniken überhaupt noch geholfen werden soll. Peter Renzel kennt nur ein Ziel: Das muss Essen und seinen Menschen unbedingt erspart bleiben. Die Kliniken ziehen die Kapazitäten für die Intensivmedizin hoch, im Lagezentrum ackern die Mitarbeitenden des Gesundheitsamtes und der Feuerwehr vom Morgengrauen bis in die späten Abendstunden. Und weil die Pandemie wirklich alle angeht, ist der gesamte Verwaltungsvorstand von OB Thomas Kufen als Krisenstab für das gemeinsame Management eingesetzt worden.

 

Peter Renzel hat in Essen unglaublich dichte Monate mit der Bewältigung der Corona-Pandemie hinter sich gebracht. Heute blickt er schon beruhigter zurück: Das Management hat funktioniert, Katastrophen wie in anderen Ländern sind ausgeblieben.

 

Die Kernaufgabe: Die Pandemie eindämmen. Das bedeutet Infektionsketten aufzuspüren und einzudämmen, immer in engster Abstimmung mit den Experten vor Ort, den Virologen aus dem Uni-Klinikum. Essen erstellt kein zentrales Testzentrum, schickt mobile Teams zu den Menschen, damit potenziell Infizierte nicht durch die Stadt fahren müssen. Tests gibt es nur bei begründetem Verdacht, bei einschlägigen Symptomen. Damit geht Essen fortan seinen eigenen Weg, nicht unumstritten, doch schließlich, im August fordert auch die Bundeskanzlerin so eine zielgerichtete Teststrategie statt der anlasslosen Massen-Aktionen. Essen ist nicht nur mit seiner Teststrategie der Zeit voraus, sondern setzt auch bei der Debatte um Masken früh Maßstäbe. Schon Ende März entwirft Jörg Spors bei der Feuerwehr eine Nähanleitung für ein „BMNS“ – ein „Behelfsmäßiger Mund-Nasen-Schutz“ – und stellt ihn online. Und während öffentlich die Experten noch über die Sinnhaftigkeit der Mund-Nasen-Bedeckungen als Schutzmaßnahme debattieren, wird die praktische Anleitung über alle Medien in ganz Deutschland verbreitet, tritt ihre Reise in die Welt bis zur New Yorker Feuerwehr an. Und in Essen selber nähen nach dem Muster unzählige Freiwillige aus Bergen von gespendeten Stoffen Masken, Masken, Masken. 30000 Stück kommen so zusammen, die die Stadt an Pflegedienste und Senioreneinrichtungen weitergibt. Heute, beim Blick zurück, gehört das zu den Erfolgen in einer Zeit zwischen Höhen und Tiefen. Ganz schlimm, erinnert sich Peter Renzel, sind die ersten Todesfälle. Sie zeigen die Verwundbarkeit vor allem der Altenheime. Um die Menschen dort so gut wie möglich zu schützen, setzt die Stadt auf konsequente Kohortierung, also Abgrenzung einzelner Gruppen in den Häusern, um Massen-Infektionen zu verhindern. Das Konzept hat Erfolg und auch der gibt den Pandemie-Managern der Stadt recht.

Lange noch kein Grund zum Jubeln. Nicht vergessen ist das Gefühl der Machtlosigkeit in der ersten Zeit, „das ging an die Seele“, sagt Peter Renzel. Heute hat die Stadt die Situation im Griff, ohne den Ernst zu verkennen. Das Lagezentrum ist zur ständigen Einrichtung geworden, um so lange wie es nötig ist, die Herausforderungen der Pandemie im Griff zu behalten.Den Menschen selber, weiß Peter Renzel, kommt neben den Gesundheitsexperten und dem Management der Stadt dabei eine zentrale Rolle zu. Abstand – Hygiene – Atemschutz, die neuen „AHA-Regeln“ beachten, Risikogebiete meiden und sich im Zweifel an die Quarantäne halten. Und wenn der Weg bis hierher in der Rückschau auch hart war – ein gutes Stück des Erfolges in Essen gehört den Menschen. Denn sie haben mitgemacht, lobt Peter Renzel. Sich in Stadtteilinitiativen gegenseitig geholfen und so jeden Tag das Motto selbstständig mit Leben gefüllt: schützen und dienen.

 


 

Die BMNS-Nähanleitung der Stadt Essen

Jörg Spors ist Hygienebeauftragter und hat die ATF (Analytische Task Force Bio) aufgebaut

Folgende Materialien werden benötigt: Zwei 90 cm lange und 2 cm breite Stoffstreifen (kochfeste Baumwolle). Zwei 17 cm lange und 2 cm breite Stoffstreifen (kochfeste Baumwolle), ein 15 cm langer dünner rostfreier und biegsamer Draht, ein 17 cm x 34 cm großes Stofftuch aus atmungsdurchlässigem kochfestem Baumwollstoff (z. B. Stoffwindel, T-Shirtstoff, leichtes Baumwolltuch). Stofftuch zur Hälfte falten und bügeln. In das Stofftuch drei gleichmäßig verteilte Falten bügeln (Faltentiefe 1,3 cm). Zwei 90 cm lange und 2 cm breite Streifen (Kopfbänder) und zwei 17 cm lange und 2 cm breite Streifen (Kantenverstärkung) aus Baumwollstoff ausschneiden. Eventuell die Ränder versäubern. Oder fertiges Köperband verwenden. Alle vier Streifen zur Hälfte bügeln (Schrägstreifen). Stofftuch oben und unten in die Kantenverstärkungen einlegen. Am Oberteil Draht in die Kantenverstärkung einlegen. Stofftuch einfassen. Kantenverstärkungen feststecken und vernähen. Die eingebügelten Falten des Stofftuchs zusammenlegen und mittig auf beiden Seiten in die Kopfbänder einlegen. Kopfbänder feststecken und vernähen.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr