Menschen

Hans Martz trifft Michael Nobis

Erfolgreicher Unternehmer, sozial engagiert, voller Tatendrang, mit dem Blick für Familientradition sieht sich selbst als „Stellvertreter für eine gewisse Zeit“. Vor dem Aachener Dom sprach Hans Martz* mit ihm über Printen, Familientradition und geheime Rezepturen. *Hans Martz, Vorsitzender des Freundeskreises Theater und Philharmonie Essen e. V.


Hans Martz und Michael Nobis im Gespräch vor dem Flagship-Store am Aachener Dom

 

Michael Nobis in Arbeitskleidung vor dem Backofen

Herr Nobis, mit Ihrem Namen verbindet man ein bestimmtes Produkt aus Aachen – die Nobis-Printen. Sie leiten das Unternehmen nunmehr in der vierten Generation. War das für Sie immer klar oder hatten Sie auch andere Berufsvorstellungen?

Na ja, ich bin ein echter Aachener Junge und wurde 1964 in diese traditionsreiche Bäckereifamilie hineingeboren. Mir war schon sehr früh klar, dass ich gerne in diesem Familienbetrieb arbeiten würde. Ehrlich gesagt, habe ich über eine Alternative auch gar nicht nachgedacht, denn wenn man mit diesem Namen geboren wird, dann liegt der Beruf quasi im Blut. Ich zitiere hier gerne einen Aufsatz aus meiner Grundschulzeit, in dem ich schon damals auf die Frage: „Was möchtest du einmal werden?“ ein klares Bekenntnis zum Bäckereihandwerk formuliert habe. Also kurz gesagt: Mein Herz hängt seit frühester Jugend an diesem Betrieb, in dem ich nun seit meinem 17. Lebensjahr arbeite.

Nun wird man ja nicht als Unternehmenschef geboren, sondern man muss sich die Sporen erst verdienen. Wie war das bei Ihnen?

Sie haben recht, das war schon ein anstrengender Weg, den ich da gegangen bin. Über die Ausbildung zum Bäckermeister und einem betriebswirtschaftlichen Studium habe ich das Rüstzeug für diese verantwortungsvolle Aufgabe erworben. Mein Vater hat mir aber schon mit Anfang 20 Verantwortung übertragen. Das hat mich gefordert, aber daran bin ich auch gewachsen. Ich hatte von Anfang an viele Freiheiten bei meinen Eltern. Und das Wichtigste ist: Die Aufgabe macht mir nach wie vor unglaublich viel Freude, und ich bin immer noch voller Tatendrang.

Es ist zwar noch viel zu früh, über die Nachwuchsfrage zu sprechen, aber wie sieht es mit der fünften Generation der Firma Nobis aus?

Also, da bin ich sehr zuversichtlich, denn ich habe drei Kinder und es sieht so aus, dass dort das Interesse groß ist, die Familientradition weiterführen. Ein Sohn hat sein betriebswirtschaftliches Studium schon abgeschlossen und wird jetzt die Ausbildung zum Bäckermeister machen, um auch die ganze Basis kennenzulernen. Und unsere Tochter sammelt nach ihrem International-Business-Studium gerade Erfahrungen im Handel. Die Chance auf eine fünfte Generation ist also ganz realistisch, und darüber bin ich natürlich sehr froh.

 

Ein kleines Kunstwerk als Verpackung – die Silberkassette „Aachener Dom“ mit verschiedenen erlesenen Printen-Sorten

 

Sie haben 2008 zum 150-jährigen Jubiläum des Unternehmens eine Initiative ins Leben gerufen, in der Sie karitative Einrichtungen, Hilfsorganisationen, Kindergärten insbesondere in dem Thema „Ernährung“ unterstützen. Warum ist Ihnen das wichtig?

Zunächst einmal finde ich es ganz naheliegend, weil das Thema Ernährung unsere Branche betrifft. Aber wir sind da auch hineingewachsen, denn Nobis unterstützt seit vielen Jahrzehnten obdachlose oder in Not geratene Menschen mit dem Grundnahrungsmittel Brot. Es gibt da eine langjährige Zusammenarbeit mit der Schervier-Stube, das ist eine Einrichtung der Franziskanerinnen, die in der Aachener Innenstadt eine Anlaufstelle haben und dort obdachlose Menschen täglich nicht nur mit Brot versorgen, sondern viele weitere Hilfsleistungen anbieten.

Sie haben einen sogenannten „Schervier-Taler“ kreiert – was ist darunter zu verstehen?

Ja, das ist richtig. Wir haben zusammen mit den Schwestern des Ordens überlegt, wie wir den Menschen helfen können. Und da haben wir uns überlegt, einen „Schervier-Taler“ herauszugeben. Den kann man in unserer Bäckerei für 50 Cent kaufen und hilfsbedürftigen Menschen geben. Damit können diese sich ein Frühstück in der „Schervier-Stube“ kaufen.

Was ist ein „Schervier-Taler“ – übersetzen Sie das mal allgemeinverständlich.

Das ist eine Münze, geprägt mit dem Logo der „Schervier-Stube“, und der Begriff geht auf den Namen der Gründungsschwester des Ordens zurück.

Das Thema „Soziale Hilfe“ ist Ihnen offensichtlich ja sehr wichtig. 2011 ist Ihnen der „Aachen-Sozial-Preis“ verliehen worden. Was bedeutet der Preis für Sie?

Ja, ich war darüber sehr stolz und habe diesen Preis gerne stellvertretend für das Unternehmen entgegengenommen. Ich finde es auch persönlich sehr wichtig, dass ein erfolgreiches Unternehmen der Gesellschaft und den Menschen, denen es nicht so gut geht, etwas zurückgibt.

Noch einmal zurück zur Familiengeschichte. Was hat Ihre Ur-Ur-Großeltern bewogen, Printen zu machen?

Also, Printen sind eine Aachener Spezialität und es gibt sie schon seit Jahrhunderten. Früher wurden die Printen nicht gegessen, sondern sie dienten als Schmuck. Im 18. Jahrhundert verhängte Napoleon aber die sogenannte Kontinentalsperre, die dazu führte, dass bestimmte Zutaten, wie z. B. Rohrzucker nicht mehr eingeführt werden durften. Deshalb musste man die Rezeptur verändern, und so wurde aus der Schmuckprinte ein schmackhaftes Produkt, das wir auch heute noch im Wesentlichen nach der gleichen Rezeptur herstellen. Nobis hat sich dann sehr früh auf qualitativ hochwertige Produkte konzentriert, und das ist sicher auch heute noch unser Alleinstellungsmerkmal.

Sie haben ja eine sehr lange Familientradition. Was bedeutet es für Sie, ein Familienunternehmen zu sein?

Ich fühle mich schon in einer starken Verpflichtung, das, was meine Vorfahren geschaffen haben, in die heutige Zeit zu transportieren, Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu übernehmen, um das Unternehmen dann wieder in die Hände der nächsten Generation zu übergeben. Vielleicht kann man es so formulieren: „Ich sehe mich als Stellvertreter für eine gewisse Zeit“.

 

Sichtbare Tradition – ein VW-Bully aus dem Jahr 1964

 

Sie haben das Unternehmen ja auch eine Zeitlang mit Ihrem Vater gemeinsam geführt. Nun kennen wir alle den Begriff „Generationskonflikt“, war das bei Ihnen auch so?

Nein, ich durfte schon sehr früh, mit 20 Jahren, Verantwortung übernehmen. Mein Vater hat mir da viel Freiraum gegeben und ich durfte schon damals selbst entscheiden. Ich habe dieses Vertrauen schon als sehr besondere Geste empfunden, denn ich weiß natürlich auch, dass das in vielen Familienbetrieben nicht so gut funktioniert. Ich hoffe auch, dass ich das – wenn es mal soweit ist – genauso mache und meinen Kindern den gleichen Freiraum lassen werde.

Die Branche ist ja vor große Herausforderungen gestellt. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Unternehmens. Müssen Sie weiter wachsen oder setzen Sie eher auf „Qualität“ und es bleibt bei einer überschaubaren Unternehmensgröße?

Ich halte Wachstum für notwendig, aber es kann nicht die alleinige Lösung sein. Unsere Chance liegt darin, Besonderes zu bieten, anders zu sein als andere Anbieter und uns über die Qualität und einem fairen Preis zu präsentieren. Nach innen müssen wir natürlich ein attraktives Arbeitsumfeld anbieten, denn wir brauchen ja nicht nur Kunden, wir brauchen auch gute Mitarbeiter, die mit Herzblut für unsere Produkte stehen. Das war unsere Philosophie in den letzten 160 Jahren, und das wird auch für die Zukunft der Schlüssel zum Erfolg sein.

Wer entwickelt denn neue Produkte bei Ihnen. Stehen Sie morgens auf und haben „die“ neue Idee?

Nein, daran sind alle beteiligt: Unsere Bäckermeister, die Familie, jeder im Unternehmen. Hier ist natürlich Kreativität gefragt. Aber was viel wichtiger ist: Wir müssen unseren Kunden zuhören und die Produkte entwickeln, die dort gefragt sind. Unser Credo ist: Wir machen kein Brot oder keine Printen für uns, sondern für unsere Kunden.

Sie setzen immer noch sehr stark auf Handarbeit. Das ist ja eine sehr teure Produktionsmethode, warum versuchen Sie nicht, mehr automatisiert zu machen?

Ja, der Gedanke ist natürlich immer verlockend. Aber jede Branche – auch unsere – durchläuft verschieden Zyklen. Wir sind jetzt gerade wieder an einem Punkt, an dem die Besinnung auf gute Produkte deutlich zugenommen hat. Ich will das mal so beschreiben: Die Brötchen müssen heute nicht immer größer werden, sondern müssen schmecken. Wir merken ganz deutlich: Traditionelle und hochwertige Backverfahren sind plötzlich wieder „en vogue“. Und deshalb setzen wir weiter auf Menschen, die unsere Produkte herstellen.

Sie haben rund 40 Niederlassungen hier in Aachen und Umgebung. Können Sie sich vorstellen, auch in andere Regionen, z. B. ins Ruhrgebiet, zu gehen?

Nein, im Moment kann ich mir das nicht vorstellen. Wir brauchen kurze Wege, um unsere Produkte in die Filialen zu bringen, damit sie dort frisch ankommen. Wir fahren jede Filiale täglich dreimal an und garantieren so einen hohen Frischegrad. Insofern sind wir geografisch begrenzt und das ist auch gut so, und es passt auch zu unserer Unternehmensgröße, die mit 700 Mitarbeitern für uns optimal ist. Und im Zeitalter der Technik ist es ja auch kein Problem, viele Produkte heute im Internet über unsere Website zu bestellen. Das funktioniert völlig problemlos und wird natürlich vor allem von der etwas jüngeren Generation gerne angenommen. Wer es aber noch bequemer haben möchte und vielleicht auch ein „Kauferlebnis“ haben möchte, der kann natürlich auch gerne in unserem Flagship-Store direkt am Aachener Dom einkaufen.

Weihnachtszeit ist Printenzeit – wann ist denn die Back-Hochsaison für Printen?

Also, das ist klar die Zeit von Oktober bis Dezember. Auch das unterscheidet uns von industriell gefertigten Produkten. Wir backen, wenn die Nachfrage nach diesen Produkten anspringt, dann machen wir – bildlich gesprochen– den Ofen an.

Sie haben ja hohe Qualitätsansprüche an Ihre Produkte. Da spielen natürlich die Zutaten eine ganz entscheidende Rolle. Wo kaufen Sie Ihre Zutaten ein?

Ich will mal so antworten: Je nachdem! Wir kennen alle den Trend zur Regionalität, und der ist nach meiner Meinung auch sehr sinnvoll, weil er z. B. Verkehrswege spart. Manche Produkte müssen wir natürlich einführen. Wir verarbeiten aber nur Produkte, die unsere Qualitätsansprüche erfüllen. Für die Printen z. B. verarbeiten wir nur Schokolade mit einem sehr hohen Kakaoanteil von 70 Prozent, das ist schon außergewöhnlich viel.

Wenn Sie sich etwas wünschen dürften, was wäre das?

Na, Wünsche hätte ich ganz viele, aber wenn ich richtig überlege, dann wünsche ich mir ein intaktes, gutes Unternehmen mit sehr zufriedenen Mitarbeitern, und das ich dieses irgendwann an die nächste, ebenso verantwortungsbewusste Generation weitergeben kann.

 

Nobles Printengeschäft am Aachener Dom. Kauferlebnis pur – auch für den Chef Michael Nobis

 

Kommen wir mal auf ein ganz wichtiges Thema: Wer hütet denn die geheimen Rezepte der Familie?

In der Tat gibt es viele Rezepte, die schon 160 Jahre alt sind. Die Grundrezepturen der Mischungen hütet die Familie natürlich persönlich. Aber wir ändern auch an diesen Rezepturen nicht ständig etwas. Für uns ist es wichtig, Tradition zu wahren – das ist ein wichtiger Baustein unserer Unternehmensphilosophie.

Welche besonderen Talente haben Sie und welche hätten Sie gerne?

Ich glaube, dass ich gut mit Menschen umgehen kann, denn ich finde es sehr wichtig, ein Gefühl dafür zu haben, was Menschen bewegt und wo man sie abholen muss, um erfolgreich zu sein. Ein Talent, das ich gerne hätte: Ich wäre gerne in meiner Arbeitsweise noch etwas strikter und ich könnte mich noch besser organisieren.

Welche Botschaft würden Sie als Unternehmer denn noch gerne vermitteln?

Ich würde mich darüber freuen, wenn die Erkenntnis, dass es wichtig ist, gute Lebensmittel zu genießen – und zwar unabhängig von unseren eigenen Produkten – als Teil der Lebensqualität noch weiter zunehmen würde. Jeder Verbraucher soll durchaus kritisch sein und sich überlegen, ob nicht vielleicht die Devise: Etwas weniger, aber dafür etwas besser, richtiger wäre.

 


 

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Artikel von www.top-magazin.de/ruhr