Essen & Trinken

An- Ein- Aussichten von Dennis Ihle über Gerümpel und Ungeheuer

Dr. Bürklin-Wolf gehört zu Deutschlands Premium-Weingütern und ist in der sonnenverwöhnten Pfalz zu Hause. Hier gibt es die wertvollsten Lagen. Meine Spurensuche.


Anstoßen auf eine besondere Begegnung: Bettina Bürklin-von Guradze und Dennis Ihle

 

Dennis Ihle ist Geschäftsführer des Metropol-Verlags Ruhr und erzählt in TOP RUHR Spannendes aus seiner Sicht.

 

Wachenheimer Gerümpel. Finden Sie nicht auch: Das klingt erst einmal merkwürdig. Und doch ist genau dieses sogenannte Gerümpel etwas besonders Feines. Wirklich guter Wein aus der Pfalz. Und für mich ein Anreiz, mich näher mit gutem Wein zu beschäftigen. Ein spannendes Thema. Und ein guter Anlass, mich auch einmal auf die Spuren dieses ganz eigenen Tropfens mit dem seltsamen Namen zu begeben. Denn das ist ja nicht irgendein Gerümpel. Der Rebensaft entsteht auf dem Pfälzer Premium-Weingut Dr. Bürklin-Wolf in Wachenheim. Und das Gerümpel, lerne ich bei einem Treffen mit der Inhaberin Bettina Bürklin-von Guradze, heißt die Lage, in der die Trauben angebaut werden. Spannende Ein- und Aussichten, nicht nur über Wein, auch über eine außergewöhnliche Familiengeschichte.

 

Nicola Libelli ist Kellermeister bei Dr. Bürklin-Wolf. 2012 hat er mit nur 26 Jahren die Aufgabe übernommen, als sein Vorgänger Fritz Knorr, Kellermeister-Legende des Gutes, plötzlich stirbt.

 

Die Pfalz ist gerade echt angesagt. Zentraler Ort und Anlaufstelle ist das Örtchen Deidesheim, bekannt auch durch Alt-Kanzler Helmut Kohl, der hier im bekannten Deidesheimer Hof viele Staatsgäste empfangen und typisch pfälzisch bewirtet hat. Der Ort inmitten von Weinbergen atmet fast mediterrane Atmosphäre. Die Gegend gilt insgesamt als klimatische Rarität, durchschnittliche 1850 Sonnenstunden im Jahr lassen Mandeln, Feigen, Kastanien, Kiwis und sogar Limonen reifen. Naja, und den besten Wein natürlich.

An diesen Rebstöcken wächst der Riesling, der das Weingut Dr. Bürklin-Wolf in Wachenheim so berühmt gemacht hat

Wachenheim, die Heimat des köstlichen Gerümpels, liegt zwei Örtchen weiter. Dazwischen kommt noch Forst, der Ort, der sich ganz offiziell „die besten Weinlagen der Pfalz“ als Qualitätsausweis auf seine Fahnen schreiben darf. Hier baut auch Dr. Bürklin-Wolf einige seiner bekannten Spitzenweine an. Dahinter fällt schon der Blick auf die Wachtenburg, das alte Gemäuer thront trutzig über Wachenheim und wacht über die Weinberge mit den wertvollen Rebstöcken. Unten im Ort ist Dr. Bürklin-Wolf zu Hause, Wein-Tradition seit 1597. Dabei hat das Weingut unten im Ort mittlerweile zwei Standorte; der Weinkeller an der Weinstraße An diesen Rebstöcken wächst der Riesling, der das Weingut Dr. Bürklin-Wolf in Wachenheim so berühmt gemacht hat und den angestammten Familiensitz an der Ringstraße. Die Gebäude sind wunderbar historisch geprägt, passen sich mit mediterraner Anmutung in die sonnige Atmosphäre ein und strahlen gleichzeitig unglaublich viel gelebte Geschichte aus. Das ist etwas, das mir hier besonders gut gefällt. Wenn ich das geahnt hätte, als ich zum ersten Mal dem Wachenheimer Gerümpel begegnet bin, hätte ich mich noch viel eher auf den Weg gemacht. Übrigens kann ich ruhig einmal verraten, wo ich meine neue Liebe zu gutem Wein entdeckt habe: Auf einer Kreuzfahrt. Der Sommelier hat mich auf Dr. Bürklin-Wolf aufmerksam gemacht. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit dem Gerümpel, und nun kommt auch noch das Ungeheuer dazu. Oder der Pechstein und der Gaisböhl.

 

Die Vinothek in Wachenheim mit dem großzügig angelegten Gartengelände davor lädt zum Verweilen ein. Hier finden Events wie „Bürklin Wein Zeit“, oder „Picknick im Englischen Garten“ oder besondere Weinproben statt.

 

Denn natürlich sprechen wir immer noch über Wein und seine wertvollen Lagen. Überall dort hat das Weingut Dr. Bürklin-Wolf einen Wingert, so heißen nämlich die Weinberge hier in der Pfalz. 85 Hektar Anbaufläche, auf denen heute vor allen Dingen die Rebstöcke für die trockenen Spitzenrieslinge stehen. Darauf hat sich die Familie spezialisiert. Riesling, die klassische Traube der Pfalz. Ihr Produkt mit Verstand genossen, ist offenbar sogar ein gutes Anti-Aging-Mittel: Senior-Chefin Jutta Bürklin-Wolf ist damit gerade stolze 100 Jahre alt geworden. Und das topfit, mit einem täglichen Spaziergang über den wunderschönen Familiensitz.

Jutta Bürklin und ihre Tochter Bettina Bürklin-von Guradze leben auf dem Familiensitz mit Park in Wachenheim

Hier steht auch die Vinothek, Anlaufstelle für die Gäste, die sich mit der Philosophie von Dr. Bürklin-Wolf bekannt machen wollen. Geschmackvoll hergerichtet mit vielen charaktervollen Möbelstücken aus der Familienhistorie, die einen Besuch hier besonders machen. Die Familiengeschichte ist hier deutlich spürbar. „Ja, die Vinothek ist ein wirklich emotionaler Ort“, sagt auch Bettina Bürklin-von Guradze, nicht nur die aktuelle Chefin, sondern auch diejenige, die das Weingut auf die derzeitige Spur gebracht hat. Zu der auch die Biodynamie gehört. Das alles auf der Basis einer spannenden Familiengeschichte, die sie mir bei einer Begegnung in ihrer Vinothek erzählt.

Die Wurzel dieser Weinbauer-Familie bildeten seit eben 1597 die Wolfs in Wachenheim. 1875 heiratet Geheim-rat Dr. Albert Bürklin Frau Luise Wolf aus Wachenheim. Das Paar lebt zunächst in Karlsruhe, dort ist der Ehemann Intendant des Hoftheaters und zugleich Vizepräsident des Deutschen Reichstages. Die Pfalz mit den Wolfschen Gütern dient zunächst als Sommerresidenz, wird erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Heimat der Familie. Hier in der Pfalz finden sich inzwischen mannigfaltige Spuren der Familie, die zum Beispiel auch das Bürgerspital in Wachenheim stiftete.

An der Weinstraße, mitten im Ort, enstand 1820 das Weingut in der man heute auch die erwähnte Vinothek findet, es gibt außerdem noch ein Hofgut im Örtchen Ruppertsberg. Das Weingut hatte sich zum Musterbetrieb für Qualitätsweinbau entwickelt, hat Bedeutung in der Region gewonnen und brauchte einen Erben. Aber die Ehe des Geheimrates mit Luise Wolf bleibt kinderlos. So steht plötzlich 1924 der gleichnamige Neffe mit 17 Jahren vor dem großen Erbe. Während Verwalter das Gut führen, studiert dieser zweite Albert Jura, lernt dazu Weinbau, engagiert sich danach in den Verbänden, bringt sich in die Weingesetzgebung ein. Und dem eigenen Weingut verhilft er durch Weine bester Qualität auch noch zu einem Spitzenruf im In- und Ausland.

1979 stirbt der Vater und seine Frau Jutta führt den Betrieb weiter. Mit ihren 100 Lebensjahren blickt die Senior-Chefin heute auf ein ereignisreiches Leben zurück. Das führt sie in erster Ehe an der Seite des Industriellen Konrad Henkel. Das Leben in Düsseldorf tauscht sie schließlich gegen das Weingut in Wachenheim ein, als sie 1958 Dr. Albert Bürklin heiratet. Der wird nur 72 Jahre alt, da ist die älteste Tochter Bettina gerade 19 Jahre. Sie studiert und lernt und übernimmt schließlich 1990 den Betrieb und gibt ihm ihre eigene Handschrift. Sie verkleinert die großen Anbauflächen von 130 auf 85 Hektar, spezialisiert sich auf Riesling. Dem traut sie zu, zu lagern und dabei immer besser zu werden. Ab 1994 legt das Gut Jahrgänge zurück, heute ein echter Schatz begehrter, gereifter Weine (Siehe Kasten rechts).

 

Nun erlebe ich also dieses Weingut Dr. Bürklin-Wolf nicht nur im Glas, sondern ganz persönlich vor Ort

 

Ab Anfang der 2000er-Jahre wird der Anbau auf Biodynamie umgestellt. Deutschland ist da aber noch längst nicht soweit, also holt Bettina Bürklin-von Guradze sich ihr Know-how in Frankreich. 2008 wird Dr. Bürklin-Wolf zertifiziert und als damals einziges deutsches Weingut in die angesehene französische Vereinigung biodynamischer Winzer Biodyvin aufgenommen.

Kompostarbeit ist eine wesentliche Säule der nachhaltigen Bewirtschaftung.

„Die Bürklin-Welt kann man nirgendwo so gut zeigen, wie in der Vinothek und dem englischen Garten. Das vermittelt viel mehr, als eine reine Weinprobe an einem anderen Ort“, weiß Bettina Bürklin-von Guradze um die besondere Aura, die die echte Heimat ihres Weins umgibt. Wichtig sind Kompetenz und Authentizität, unterstreicht die Chefin, nur so lässt sich vermitteln, was Dr. Bürklin-Wolf eigentlich ausmacht. So werden die Menschen empfangen, die sich für den Wein und seine Geschichte interessieren. Immer mehr junge Leute sind darunter, freut sich die Inhaberin, die sich auf dem guten Image ihres Hauses gar nicht ausruhen will und darum immer neue Ideen entwickelt, um den Namen und den guten Ruf von Dr. Bürklin-Wolf von der Pfalz aus weiter in die Welt zu tragen. Einer der ihr dabei zur Seite steht ist der Vertriebsmitarbeiter Thomas Dörr. Er zeigt auch mir geduldig die vielen offenen und auch verborgenen Winkel nicht nur des Weingutes, sondern auch die Highlights in seiner Heimat drumherum.

 

 


 

Die Bürklin-Wolf-Philosophie

Ein seit Generationen und über 400 Jahren inhabergeführtes Wein gut ist gerade in heutiger Zeit eine Selten heit. So sind wir immer wieder die Verwalter des Erbes der Urväter für unsere Kinder und hoffentlich noch vieler weiterer Generationen. Diesen Gedanken zugrunde legend, erschließt sich die Philosophie des Weingutes fast von alleine. Das Erbe von 15 Einzellagen, die zu den wertvollsten Rieslinglagen der Welt gehören, bedingt einen schonenden Umgang mit diesem teuren Gut. Klassifiziert à la Burgund in einem vierstufigen System, wurden erst malig im Jahr 1994 die Spitzenlagen wieder in den Fokus des Geschehens gerückt. Namen wie Kirchen stück, Jesuitengarten, Ungeheuer und Pechstein traten einen Siegeszug an, wie er bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf alten Weinkarten zu lesen war. Unser großes Streben ist es, den hohen Qualitätsanspruch in allen Weinen vom Grand Cru bis zum Guts riesling sichtbar und schmeckbar zu machen. Die starke handverlesene Selektion der Trauben aus den Spitzenlagen ermöglicht es, auch die Qualitäten im Orts- und Gutsweinbereich ausgesprochen hochwertig anzusiedeln. Wir sprechen von langsamen Weinen. Gemeint ist damit, dass wir ihnen alle Zeit der Welt lassen, um sich, möglichst vom Menschen unbeeinflusst, von der Traube zu einem Spitzenwein entwickeln zu können. Spätere Vermarktungszeitpunkte der Lagenweine sind die logische Konsequenz dieses Umgangs mit der Natur und für Sie die Garantie, trinkfähige und lagerfähige Weine zu erwerben. Die Natur und somit auch die Weine danken es uns in Form eines großen Fundus gereifter Spitzenrieslinge, die wir seit 1994 in unserem alten Weinkeller eingelagert haben, um die Weine dort zur Vollendung ge langen zu lassen und sie Ihnen dann zum perfekten Reifezeitpunkt anzuvertrauen.

 


 

Gebratene Blutwurst mit Walnuss-Krokant, Belugalinsen und Kartoffelpüree ist nicht nur ein Gaumenschmaus sondern auch eine Augenweide

 

Florian Spindler serviert in Forst moderne Köstlichkeiten aus der Pfälzer Küche

Und zu den Highlights gehört zweifelsohne auch ein typisches Pfälzer Essen. Wie der Saumagen. Klingt wie das Gerümpel eher komisch, ist aber inzwischen auch weltbekannt dank Altkanzler Kohl. Der führte seine Staatsgäste nämlich in das Hotel Deidesheimer Hof, weil er dort den Saumagen am besten fand. Der wurde übrigens von der Metzgerei Hambel geliefert. Heute gehört zu dem winzigen Metzgerladen ein eigenes Restaurant. Dort lasse ich mich überzeugen und probiere den Saumagen. Er ist deftig und schmeckt mir. Auch eine neue Einsicht dieser Pfalz-Tour. Hier in der Pfalz, wo Wein praktisch zu den Grundnahrungsmitteln der Menschen zählt, ist überhaupt deftiges Essen angesagt. In den modernen Küchen durchaus neu interpretiert. Wie die Blutwurst bei Florian Spindler in Forst. Dazu wird ein hauseigener Riesling serviert, denn der Bruder Markus Spindler bewirtschaftet das Weingut der Familie. Und ich lerne: Man kennt sich untereinander als Kollegen, Spindler hat seine großen Lagen in Forst neben denen von Dr. Bürklin-Wolf. Ungeheuer und Pechstein, aber auch frommer Kirchenstück und Jesuitengarten.

 

Die Metzgerei Hambel in Wachenheim ist bekannt für seinen Saumagen.

 

 


 

Am Paradiesgarten

Diesen verheißungsvollen Namen trägt nicht nur eine Weinlage in Deidesheim, es ist auch eine wohlklingende Adresse. Hier, direkt an den Weinbergen, steht das gemütliche Steigenberger Hotel. Durch den angrenzenden Stadtpark ist man zum Beispiel nach einem ausgiebigen Frühstück im wunderschönen Wintergarten ganz schnell zu Fuß mitten im Ort. Auf der anderen Seite liegt das Örtchen Ruppertsberg, ebenfalls in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen. Weithin leuchtet den Gästen hier der Schriftzug Bürklin-Wolf vom Hofgut Ruppertsberg schon am Ortseingang entgegen und lädt zu einer Einkehr in der dort beheimateten Gastronomie ein.

Buchstäblich paradiesisch gelegen: Das Steigenberger Hotel in Deidesheim am Rand der Weinberge

 


 

In einem Kellerteil des Weingutes aus dem Jahr 1889 lagern die Raritäten in der Schatzkammer von Dr. Bürklin-Wolf. Eine 1994er- Riesling-Trockenbeerenauslese aus dem Wachenheimer Gerümpel zeigt mir Thomas Dörr.

 

Wie große Gewächse aus wertvollen Lagen zu phantastischem Wein werden, kann ich mir dann wieder in Wachenheim ansehen, in dem Weinkeller, dem Herzstück eines jeden Weingutes. Das ist das Reich des Kellermeisters. Seine Kunst ist es, aus den Trauben das Ergebnis herzustellen, das dann die Weinkenner begeistert. Bei Dr. Bürklin-Wolf ist Nicola Libelli seit zehn Jahren mit kundiger Hand am Werk, seit 2012 als Kellermeister. Zwischen den Edelstahltanks und den Holzfässern spüre ich in dem dunklen kühlen Gewölbe: „Das hier ist eine Wissenschaft für sich.“ Und dann stehen wir vor der „Schatzkammer“. In einem Kellerteil aus dem Jahr 1889 lagern die Raritäten. Die ältesten Flaschen sind wirklich von 1898, erfahre ich von Thomas Dörr. Nach so vielen Einblicken in die Geschichte und die Produktion wünsche ich mir davon natürlich auch einige Flaschen für einen schönen Abend daheim, mit Menschen, die einen außergewöhnlichen Tropfen wirklich zu schätzen wissen. Schöne Aussichten für zu Hause.

Eigentlich sagt man ja Riesling oft nach, er müsse jung getrunken werden. Aber bei Dr. Bürklin-Wolf hat sich die Vision bewahrheitet, dass ihr Wein die Qualität hat, zu reifen. Das hat sich bei den Weinkennern herumgesprochen, und es ist gar nicht immer so einfach, von jedem Jahrgang den eigenen Wunsch-Wein wirklich zu bekommen. En Grand Cru vom Forster Kirchenstück, der Referenzlage des Weingutes, ist, wenn überhaupt, auf Anfrage zu haben.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr