Architektur & Immobilien

Der Schatz liegt heute über Tage

Am Fuße von Kohlelager und Halden, an Emscher und Rhein-Herne-Kanal, liegt der größte Schatz des Ruhrgebiets. Er ist nicht unter der Erde begraben, sondern liegt offen zwischen den Städten Essen und Bottrop auf einem Areal von 1700 Hektar Fläche – der Freiheit Emscher. Denn hier, wo früher das schwarze Gold geborgen wurde, findet man heute eine beinahe noch kostbarere Währung: Flächen. Ein Gut, das endlich ist, das nicht angebaut werden kann und an dem es allen großen Metropolen mangelt. Das wissen auch Thomas Kufen, Bernd Tischler und Markus Masuth. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Schatz zu heben, gegen Widerstände zu verteidigen und gemeinsam alle Anstrengungen zu unternehmen, um eine der größten Flächenreserven der Region nutzbar zu machen. Und auch das wissen sie: Nur gemeinsam können sie Erfolg haben.


Auf der Brücke zwischen Bottrop und Essen, zwischen der Vogelheimer Straße und der Hafenstraße: Mit dem Projekt Freiheit Emscher schlagen Essen OB Thomas Kufen, sein Bottroper Amtskollege Bernd Tischler und Markus Masuth von der RAG Montan Immobilien GmbH, auch eine Brücke zwischen den Revierstädten

 

Lautloser Verkehr und innovative Mobilitätsdienstleistungen, Start-ups und moderne Produktion am Hafen, Freizeit-Hotspots und Radwege am Wasser – so könnte 2030 der Alltag im neuen urbanen Zentrum Freiheit Emscher aussehen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, doch der Grundstein für eine Brücke zwischen den Städten Essen und Bottrop ist bereits gelegt. „Als wir das Projekt mit der Machbarkeitsstudie vor zwei Jahren gestartet haben, war das ein Versuch, Stadtgrenzen zu überschreiten und neue Formen der Kooperation zu etablieren. Inzwischen wissen wir, dass Stadtplanung über Grenzen hinweg funktioniert“, betont Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen. Die interkommunale Zusammenarbeit ermöglicht es erst, die dringend benötigten Gewerbeflächen zu schaffen und einen Beitrag zum Strukturwandel der Region zu leisten. Auf fünf ehemals bergbaulich genutzten Flächen mit einer Gesamtgröße von 155 Hektar entstehen bis 2027 zukunftsweisende Gewerbegebiete. „Da die Flächen angesichts der Flächenknappheit im Ruhrgebiet so wertvoll sind, haben wir sehr genau analysiert, wie der Bedarf der Zukunft aussehen könnte“, erklärt Markus Masuth, Vorsitzender der Geschäftsführung der RAG Montan Immobilien.
Und wie wird die Arbeit der Zukunft sein? Sie wird digital. Daher sollen auf den attraktiven Flächen unmittelbar am Rhein-Herne-Kanal wissensbasiertes Gewerbe, moderne Produktion und Dienstleistung, innovatives Handwerk sowie Start-ups angesiedelt werden.

 

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung ist jedoch eine lückenlose Erschließung der Gebiete.

Das heute schon überstrapazierte Verkehrsnetz in Essen und Bottrop kann und soll nicht noch weiter belastet werden. Im Gegenteil: Verkehrsvermeidung und sinnvoll Bündelung sind die Devise. Das klingt anspruchsvoll. Ist es auch. Die Erschließung dieses großen Areals kann nur durch ein ausgeklügeltes Konzept gelingen, das die aktuellen und künftigen Anforderungen berücksichtigt. Mit der derzeitigen Infrastruktur allein ist das nicht zu schaffen. Das Verkehrskonzept sieht daher drei wesentliche Maßnahmen zur Erschließung der fünf Industrie- und Gewerbeflächen vor. Unter dem Namen „Freiheit Emscher“ soll eine neue Autobahnanschlussstelle an die A42 in Höhe Bottrop-Lichtenhorst entstehen, die den Gewerbe- und Personenverkehr schnell an das überregionale Straßennetz ableitet. Gleichzeitig ist ein breiter „Gewerbe-Boulevard“ vorgesehen, der den Schwer- und Wirtschaftsverkehr auf kürzestem Weg auf die Autobahn führen wird. Mit der dritten Komponente denken die Planer die Mobilitätswende bereits mit. Die „Umwelt-Trasse“ verbindet als neue Verkehrsachse die beiden Städte Essen und Bottrop und ist streckenweise nur für Radfahrer, ÖPNV und emissionsarme Fahrzeuge zugelassen. Die Ambitionen sind groß: Freiheit Emscher soll als Modellprojekt demonstrieren, wie moderne Stadtentwicklung die Mobilitätswende fördern kann.

 

Am Wasser sollen nach den Plänen der Projektpartner sowohl an der renaturierten Emscher als auch am Rhein-Herne-Kanal attraktive Uferpromenaden entstehen

 

Neben der Verkehrserschließung spielt auch die grüne Infrastruktur eine wichtige Rolle: Neue Freizeit- und Erholungsangebote am Wasser sollen nicht nur attraktiv für die Menschen sein, die in der Freiheit Emscher künftig arbeiten. Auch die Anwohner in dem riesigen Gebiet sollen von der Aufwertung des Wohnumfeldes profitieren. Die Idee: Vernetzung der unterschiedlichen Freiräume, Aufwertung der vorhandenen Infrastruktur sowie Ausbau der Freizeit-Hotspots – insbesondere am Wasser. Die Projektpartner möchten an der renaturierten Emscher und dem Rhein-Herne-Kanal attraktive Uferpromenaden schaffen und die Lebensqualität der Menschen in der Freiheit Emscher dadurch insgesamt erhöhen.

Das gesamte Areal ist 70-mal so groß wie der Phoenix-See in Dortmund, jedoch völlig ungeordnet. Das lag zum Teil an Restriktionen durch das Bergrecht, die nun entfallen. Und zum anderen an einem anarchisch gewachsenen Geflecht von Straßen, Eisenbahnen, Häfen, Kanal und Emscher, Kohlelagern, Industrie, Gewerbe- und Wohngebieten. „Für manche gilt das Gebiet als der letzte Dschungel des Ruhrgebiets, der nicht erschlossen werden kann“, sagt Bernd Tischler, Oberbürgermeister der Stadt Bottrop. „Doch wir sind überzeugt, dass wir eine Lösung gefunden haben, wie wir den Dschungel lichten können. Freiheit Emscher soll ein Ort werden, der modellhaft dafür sein wird, wie Arbeiten, Wohnen, zukunftsweisender Städtebau und Freiraum im Sinne einer komponierten Stadtlandschaft der Zukunft zusammenwachsen.“

Die Pläne für die Zukunft stehen, die Arbeiten beginnen: Noch dieses Jahr rollen die ersten Bagger auf Emil-Emscher in Essen, wo 2020 die ersten Flächen vermarktet werden sollen. Ein erster Spatenstich zur Hebung des Schatzes ist damit getan. Viele weitere werden folgen müssen, bis die Menschen im Ruhrgebiet die ganze Strahlkraft ihres wohl größten Guts erleben dürfen.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr