Essen & Trinken

Ein Phänomen der Natur: Hummer werden fruchtbarer und stärker, je älter sie werden


 

Er ist nachtblau bis schwarz. Seine Scheren leuchten wie zwei Monde, die das Glück fest umarmen wollen, und auf seinem starken Rücken funkeln goldene Sterne. Der bretonische Hummer ist – vor jedem anderen Hummer – unumstrittener König der Meere. Zumindest aus Sicht von Feinschmeckern und Köchen. Sein Fleisch ist fester und schmeckt kräftiger als das seiner amerikanischen Cousins mit bräunlichbeiger Schale, die beim Kochen auch nur hellrot werden. Feuerrot wird nur der Bretone. Rot wie die heißeste Liebe. Und er hat genau den Waschbrettbauch, von dem Männer und Frauen träumen. Darüber hinaus hat er die Fähigkeit, mit zunehmendem Alter fruchtbarer und stärker zu werden. Wünschen wir uns nicht genau das für unsere Ehe oder Partnerschaft? Im Winter schmeckt Hummer übrigens am besten und kann zur schönsten Liebeserklärung werden. Sagt nicht schon der Volksmund, dass Liebe durch den Magen geht?

 

Berthold Bühler, 35 Jahre war er Mr. Résidence und sein Restaurant kulinarischer Leuchtturm der Region Ruhr. Heute ist er als Privatdozent und Fine Dining Chef tätig

 

 

Tipp für kuschelige Zweisamkeit: ein romantisches Ferienhaus an der Atlantikküste der Bretagne inmitten der Felsen

 

Die drei – Herz, Liebe und Kochen – gehen gern Hand in Hand. Kleine Liebesbotschaften hinterlegen Paare am häufigsten in der Küche. Dort finden Kids gewöhnlich auch nach der Schule elterliche Erinnerungszettel wie „Sei pünktlich um 15 Uhr bei Oma“ oder „Vergiss nicht, den Müll herauszubringen“. Eine moderne Mom setzt Hdl (hab dich lieb) dazu und malt Herzchen drumherum, so wie es schon ihre Mutter und deren Mutter taten. Rund 20000 Jahre alt ist der älteste Kochtopf, und als Symbol der Liebe taucht das Herz erstmals im 3. Jahrtausend vor Christus auf. Bis heute haben sich Herzen – zuletzt über Emojis im Internet – und Kochtöpfe vermillionfacht. Warum aber ausgerechnet ein kommerzielles Herz, nämlich jenes, das der Grafikdesigner Milton Glaser 1975 für den Werbeslogan „I love New York“ zwischen die Großbuchstaben „I“ und „NY“ setzte, so weltberühmt wurde, werden Wissenschaftler der nachfolgenden Generationen klären müssen. Unsere Generation flirtet derweil zeitgemäß über WhatsApp mit funkelnden Emojis-Herzen, die übermitteln „Ich finde dich großartig. Du bist einfach toll!“. Auf Stufe zwei einer anbahnenden Beziehung drehen dann nicht nur Profiköche auf, um heißere Liebeserklärungen zu übermitteln. Männer wie Frauen erinnern sich bis ins hohe Alter daran, als sie noch jung im steinalten VW zum spontanen Frühstück nach Paris gefahren sind. Wie sie gemeinsam nackt im Meer badeten und in aller Herrgottsfrühe aufgestanden sind, um engumschlungen den Sonnenaufgang zu bewundern. Unvergessen sind die nicht enden wollende Umarmung und die aus strahlenden Augen kullernden Freudentränen, als er sie bei frostigen Minus- Graden mit einer heißen Wärmeflasche am Bahnhof abholte. Hellwach bleibt die Erinnerung an feurige Küsse – doch irgendwann schlafen die Nächte ein. Denn unmerklich dreht der Alltag in jeder Liebesbeziehung ganz langsam, Jahr für Jahr und Grad für Grad, den Gashahn herunter und reduziert das lodernde Feuer zum Flämmchen. Angenehm wärmend wie dicke Wollsocken, aber ohne Knistern. Aber reicht diese Wollsocken-Liebe? Wer Lust und Leidenschaft in seiner Beziehung halten will, muss den beiden regelmäßig einen kräftigen Schub geben. Ganz so wie ein stillstehendes Herz einen Impuls braucht, weil es nur ganz selten wieder von alleine zu schlagen beginnt. Für einen solchen Schub kann man beispielsweise mitten in der Woche einen Physiotherapeuten engagieren, um den verkrampften Körper seines Lieblingsmenschen zu entspannen – und zur Steigerung der Durchblutung. Oder man überrascht mit einem Liebesausflug wie früher. Nicht zum Frühstück nach Paris, sondern zum Hummer in die Bretagne, wo ein romantisches Ferienhaus zur kuscheligen Zweisamkeit an der rauen Küste steht. Wer nachts um drei losfährt, kann schon mittags am Atlantik in Finistère sein, dem „Ende der Erde“ (Finis Terrae), wie die alten Römer die bretonische Halbinsel tauften. Wo man die besten Hummer fangfrisch an fast jeder Ecke bekommt. Das köstliche Vergnügen ist auch hier nicht billig, aber jeden Cent wert, denn der köstliche wie sture Bretone, will sich partout nicht züchten lassen. Wer sich und seine Liebste allerdings rundherum umsorgt und bekocht wissen will, der bucht am besten eines der wenigen Gästezimmer von Patrick Jeffroy in Carantec. Das unbeschreibliche Gefühl, das sein meisterlich zubereiteter „Homard bleu“ bei einem Glas Champagner und dem gemeinsamen Anblick über die Bucht „Baie de Morlaix“ hervorruft, brennt sich auf ewig ein.

 

Meersalz, Wasser, 15 Minuten Kochzeit und Eiswasser zum Abschrecken, damit er nicht nachgart – fertig ist der 500 Gramm schwere Hummer. Dazu passt ein Sößchen mit Weißwein, Noilly Prat und Sahne abgeschmeckt.

 

Ohne die Reisetasche zu packen, kann auch ein Hummergericht, in der eigenen Wohnung zubereitet, starkes Herzklopfen verursachen. Dazu braucht es nur: einen liebevoll gedeckten Tisch, zwei bretonische Hummer (um die 500 Gramm), Meersalz, Wasser, eine Flasche Champagner, einen guten, gehaltvollen Weißwein (vielleicht einen Meursault oder Montrachet), etwas Sahne sowie Noilly Prat für die Soße – und natürlich den Überraschungseffekt, wenn die Tür aufgeht! Bretonischer Hummer deshalb, weil er etwas ganz Besonderes ist. So besonders wie der Partner. Und dabei lässt er sich so schnell und leicht zubereiten, dass er einen männlichen wie weiblichen Profi- und Hobbykoch zum Verführer macht, wenn er feuerrot wie glühendes Eisen aus dem Wasser kommt. Nie legt sich ein Hummer schwer in den Magen, und immer wird er selbst zur schönsten Liebeserklärung, weil er wie eingangs festgestellt, fruchtbarer und stärker mit zunehmendem Alter wird. Wer wünscht sich das nicht für seine Liebesbeziehung?
Probieren Sie es aus!

 

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr