Reise

WILDWASSER ODER ROADTRIP

Ferien sind für viele Paddler die wichtigste Zeit im Paddeljahr. Ein Wildwasserurlaub ist fest gesetzt. Also: Auf nach Korsika, auf die französische Insel, die so gar nicht zu Frankreich gehören will.


Wildwasserpaddeln auf Korsika ist ein ganz besonderes Erlebnis. Christian Zicke aus Werne bietet solche Touren an.

 

Christian Zicke von der Kanuschule „Outdoordirekt“ in Werne kennt sich aus – er beschreibt, was auf der Insel angesagt und möglich ist. Und räumt mit einem Mythos auf: Lange war Korsika als Insel für ausgesuchte „Stürzer“ verschrien und wurde nur denjenigen Paddlern empfohlen, die ein wenig verrückt und ihres Lebens überdrüssig erschienen. Aber: Besonders das Zentrum der Insel wartet mit vielen Strecken im dritten Schwierigkeitsgrad auf. Man muss also keineswegs lebensmüde sein. So bietet Korsika die unterschiedlichsten Paddel-Regionen.

Im Zentrum ist ein Anlaufplatz für Paddler, die mit der Fähre in Bastia, der heutigen Inselhauptstadt, angekommen sind, der gemütliche Campingplatz „Campita“ in der kleinen Ortschaft Francardo. Er liegt am größten Fluss der Insel, am Golo mit mindestens drei fahrbaren Abschnitten. Die Barchetta-Schlucht, der Unterlauf des Golo, ist die leichteste Etappe, die sich bei normalem Pegel ideal zum Einpaddeln eignet. Die Standard-Strecke ab dem Kraftwerk von Ponte Castirla führt am Campingplatz vorbei. Wer nach der ersten Hälfte bereits genug hat, der kann am Campingplatz aussetzen. Alternativ geht es weiter bis nach Ponte Lecchia.

Einen ganz anderen Charakter hat der oberste Golo. Nach einer einstündigen Fahrt durch eine atemberaubende Schlucht, entlang der abgeleiteten „Scala die Santa Regina“ taucht oberhalb des Stausees das erste frei fließende Wildwasser auf. Sollte einen der erste Blick in den Bach schrecken, dann ist der oberste Golo vielleicht nicht das Richtige. Denn auf diesem Abschnitt geben sich Stufen und Klammen die Klinke in die Hand.

Wer nicht den Sprung vom mittleren auf den obersten Golo wagen möchte, der kann sich von Francardo aus im Asco-Tal auf dem unteren und dem oberen Asco an das klassische korsische Wildwasser herantasten. Auch für nicht paddelnde Begleiter ist das Asco-Tal einen Besuch wert. Ab dem oberen Einstieg führt ein kleiner Weg den Asco entlang. Die Landschaft ist einfach nur herrlich, dazu der plätschernde Bach und die duftende Macchia. Über die sehenswerte Ortschaft Corte geht weiter in Richtung Ostküste. Der Campingplatz „Ernella“, direkt am Tavignano gelegen, zwischen Corte im Landesinneren und Aléria an der Ostküste, bietet sich an, weil von hier aus viele Flüsse und Flussabschnitte schnell erreichbar sind. Allein der Tavignano, der direkt am Camp Ernella vorbei fließt, bietet auf einer Strecke von rund fünfzig Kilometern Wildwasser im zweiten und dritten Grad. Bei gutem Wasserstand kann er komplett von Corte bis ins Meer gepaddelt werden. Lediglich die berühmte Tavignano-Schlucht kann bei höheren Wasserständen den dritten Grad überschreiten. Dann fehlt nur noch ein gutes Abendessen – vielleicht ein typisch korsisches beim Campingplatz-Besitzer Milou und seiner Tochter? Tipp: unbedingt probieren! Merke: Ein echter korsischer Käse ist erst eine Delikatesse, wenn er wieder zum Leben erwacht ist!

Wahrscheinlich genauso bekannt wie der Tavignano selbst ist der Vecchio, der als rechter Nebenfluss oberhalb des Camps in den Tavignano mündet. Für die unerschrockenen Stürzer hält er den obersten Abschnitt bereit. Häufiger frequentiert ist der mittlere Vecchio. Doch auch der hat seine Tücken. Viele schwere Stellen, Unterspülungen und Siphone lauern auf unvorsichtige Paddler. Deutlich entspannter geht es auf dem unteren Vecchio zu. Er ist ein typisch korsicher Flussabschnitt mit vielen Kieseln und Murmeln. Bei wenig Wasser ist er recht technisch, richtig Freude macht er bei viel Wasser. Dann verwandeln sich die steinigen Passagen in lebendiges Wildwasser.

 

Auf dem Tavignano fühlen sich auch weniger versierte Paddler wohl. Hier gibt es auf vielen Kilometern leichtes, offenes Wildwasser.

 

Auch die Flüsse, die an der Ostküste in das Mittelmeer münden, sind noch gut vom Camping Ernella aus zu erreichen. Aber es empfiehlt sich ein Camp am Meer. Kurz vor der Ortschaft Solenzara gibt es „Sol d’Oro“. Von diesem Platz aus reduzieren sich die Fahrstrecken zu den Flüssen der Ostküste auf einige Minuten.

Zum Beispiel die Solenzara: Sie entwässert das Bavella-Massiv und fließt wenige Kilometer südlich des Campingplatzes ins Meer. Sie läuft allerdings nur nach sehr starken Regenfällen. Häufiger kann man auf den Travo setzen. Die obere, sehr alpine Schluchtstrecke mit ihren drei malerischen Stufen, dem „Felsendom“ des Travo, ist der Korsika-Klassiker schlechthin. Allerdings ist diese Etappe nur etwas für sattelfeste Paddler. Der Unterlauf hingegen bietet wunderschönes korsisches Wildwasser im dritten Grad. Der untere Travo verträgt im Gegensatz zum oberen richtig viel Wasser und ist eine gute Ausweichmöglichkeit, wenn die schweren Oberläufe zu viel Wasser führen.

Ein weiterer Klassiker der Ostküste ist der Fium Orbo. Bei normalem Pegel bietet er spannendes Wildwasser, hauptsächlich im vierten Grad. Kennt man die Linien durch die berühmte „Defilé de Strette“, gibt es kaum einen schöneren Abschnitt auf der ganzen Insel. Und weil der Spaß nach zwei Kilometern zu Ende ist, kann man direkt einen Second Run dranhängen. Die Befahrungsdauer variiert zwischen zwanzig Minuten und vier Stunden. Hat man die Flüsse der Ostküste abgefrühstückt, geht es über den Bavella-Pass in Richtung Westküste. Für diesen Weg sollte man sich Zeit nehmen. Denn die Landschaft ist wirklich atemberaubend. Außerdem kommt man am Codi vorbei. Der unscheinbare, kleine Fluss ist eine der steilsten Rinnen der Insel. Völlig ausgesetzt stürzt er über unzählige Stufen und Rutschen zu Tale. Er ist wirklich super allerdings nur denjenigen vorbehalten, die sich im steilen Wildwasser wohlfühlen. Kurz nachdem man einen Blick in den Codi geworfen hat, gelangt man zum neuen Stausee des Rizzanese. Mit der Entstehung dieses Damms ist einer der schönsten Abschnitte der Insel verloren gegangen. Der mittlere Rizzanese hat für viele Lagerfeuergeschichten gesorgt, vor allem sein berühmter Zehn-Meter-Wasserfall. Jetzt läuft der Rizzanese nur noch nach richtig starken Regenfällen, wenn der Damm ausreichend Überlauf hat. Weiter geht es in Richtung Propriano. Man lässt den Ort links liegen und folgt der Straße Richtung Olmeto, dort biegt man Richtung Küste ab. Kurz nach dem Abzweig folgt der schönste Campingplatz an der Westküste. „Chez Antoine“ liegt direkt am Strand und die schönsten Sonnenuntergänge der Insel sind hier garantiert. Etwas nördlich des Campingplatzes mündet einer der wasserreichsten Flüsse der Insel, der Taravo. Auf drei Etappen bietet er spannendes Wildwasser zwischen dem dritten und fünften Grad, wobei die wirklich schweren Stellen überschaubar sind.

Danach lockt eine Weiterfahrt Richtung Nordwesten. Neben dem Cruzzini und der Liamone warten noch weitere, lohnenswerte Flüsse an der Westküste. Allerdings nimmt die Wahrscheinlichkeit, einen fahrbaren Pegel zu erhaschen, mit jedem Kilometer ab. Dennoch lohnt ein Roadtrip entlang der Westküste zurück nach Bastia allemal. Die bizarre Landschaft der Chalanche mit ihren roten Felstürmen und das schroffe, immer stürmische Cap Corse dürfen auf keiner Korsika-Reise fehlen. Eines ist gewiss: Die wenigsten Besucher haben es bei einem Korsika-Urlaub belassen. Die Insel im Mittelmeer macht süchtig.

Geschichten wie diese und mehr bietet der Deutsche Kanu-Verband mit Sitz in Duisburg in seiner Zeitschrift Kanu-Sport.

 

Entspannter Start ins Vergnügen – der Einstieg am unteren Vecchio
Artikel von www.top-magazin.de/ruhr