Daniel Schranz will die Menschen mit Mut und Begeisterung anstecken
Ehe er ins Auto steigt, öffnet er den Hemdkragen und zieht sein Jackett aus. Die letzte Journalisten-Frage ist beantwortet, der Termin vorüber. Es war nicht der einzige heute. Und wer genau hinschaut, erkennt vielleicht sogar einen winzigen Anflug von Müdigkeit. Doch gerade als Daniel Schranz die Autotür hinter sich schließen will, entdeckt er das ältere Ehepaar, das sich langsam nähert. Alteingesessene Osterfelder, die ihm von den Problemen in ihrem Stadtteil erzählen wollen: Zu viele Autos, die das Durchfahrtsverbot nicht beachten. Klebrige Kaugummis auf dem Pflaster.
Und auch ein Drogerie markt fehlt, der müsste jetzt mal her. Schranz steigt aus und hört genau hin. Wieder hellwach. Konzentriert. Interessiert. Zugewandt. In diesem Moment gibt es für ihn keinen Unterschied mehr, ob es um eine neue Millionen-Investition geht oder um einen weggeworfenen Kaugummi. Und an genau dieser Stelle sehen viele Menschen das Geheimnis seiner Beliebtheit.
Der neue Oberhausener Oberbürgermeister, der im September 2015 nach 60 Jahren zum ersten Mal die einstige SPD-Hochburg erstürmte, musste sich auch im neuen Amt nicht verbiegen, um bei den Menschen anzukommen. Sympathien gewinnt er auch, weil er nicht nur an Feiertagen in der ersten Reihe steht, sondern selbst dann nicht kneift, wenn es zum Beispiel bei Bürgerversammlungen brenzlig werden könnte.
Schranz reißt mit. Seine Reden kommen an, besitzen Substanz und Empathie. Vor allem aber Zuversicht und Optimismus. „Es gibt allen Grund, nach wirtschaftlich schwierigeren Jahren wieder Mut zu schöpfen und tatkräftig die Zukunft zu gestalten“, weiß Schranz. „Dass sich in unserer Stadt an gleich mehreren Stellen eine neue Dynamik entwickelt, ist den Menschen nicht verborgen geblieben.“
Wie denn auch? Nach Zeiten des Stillstands kommt die Stadt spürbar in Bewegung. Mit dem geplanten Bau des weltgrößten Fitness-Freizeit-Parks „The Mirai“ macht Oberhausen Schlagzeilen über Landesgrenzen hinweg. Edeka investiert einen dreistelligen Millionenbetrag und baut auf 290.000 Quadratmetern das zentrale Auslieferungslager Rhein-Ruhr. Der britische Immobilienentwickler Segro errichtet für den Mittelstand auf 130.000 Quadratmetern den neuen „Logistics Park Oberhausen“. Die Knappschaft konzentriert den Beitragseinzug für ihre bundesweit 1,6 Millionen Mitglieder neuerdings in Oberhausen. Insgesamt rechnet die Stadt mit bis zu 2.500 neuen Arbeitsplätzen. Solche guten Nachrichten gab es seit dem Bau des Centros im Jahre 1996 nicht mehr.
Sogar in der sorgengeplagten alten Mitte wächst endlich wieder neue Hoffnung. Für über 20 Millionen Euro entsteht ein begrüntes Jobcenter mit spektakulärem Dachgewächshaus, von dem man sich einen Aufschwung für die Innenstadt verspricht. Zumal ein paar Meter weiter sogar die langjährige Problemimmobilie Kaufhof einer neuen Bestimmung zugeht. Hier entsteht ein Dreisterne-Hotel. Der Clou: auf dem Dach sollen mehrere Penthouse-Wohnungen gebaut werden, die von ihren Bewohnern mit dem Auto über das benachbarte Parkhaus bis vor die Haustür angefahren werden können.
„Erfolg macht Freude“, stellt der Oberbürgermeister fest und zieht sogleich die Bremse. „Wir dürfen uns aber auch von eventuellen Rückschlägen nicht unterkriegen lassen.“ Dass man im bodenständigen Revier keine nassforschen Haudrauf Sprüche gebrauchen kann, hat er mit der Muttermilch aufgesogen. Der 1974 in Oberhausen geborene Historiker ist tief in seiner Heimatstadt verwurzelt. Bereits im Jahre 2001 wurde der junge Schranz Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion. Von den erfahrenen Platzhirschen aus den Reihen der politischen Mitbewerber zunächst belächelt, aber schon nach kurzer Zeit sehr ernst genommen. Als akribischer Arbeiter, glänzender Rhetoriker und immer bestens vorbereiteter Fraktions-Chef.
Auf die Frage, wieviel er arbeitet, antwortet der dreifache Familienvater inzwischen „So viel wie nötig.“ Irgendwann war ihm einmal die Aussage „80 Stunden in der Woche“ herausgerutscht. Aber so etwas muss man nicht dauernd wiederholen. Daniel Schranz wird die seltene Eigenschaft zugeschrieben, sich freundlich zurücknehmen zu können und gleichzeitig Durchsetzungsstärke zu zeigen. Beides wird dringend benötigt, wenn man einer Stadt vorsteht, ohne eigene politische Mehrheiten zu besitzen. Die Verhältnisse im Rat sind nämlich kompliziert. Bis zum Amtsantritt von Schranz besaß eine Koalition von SPD, Grünen und FDP mit 30 Sitzen sowie der Stimme des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters Klaus Wehling eine hauchdünne Mehrheit von 31 Sitzen. Diese ist nach dem Wechsel im Oberbürgermeisteramt weg. Im 60 köpfigen Stadtparlament gibt es zwar nach wie vor ein Patt von 30:30 zwischen Koalition und Opposition, aber durch Schranz liegt nun die Opposition mit 31:30 in Front.
Doch zum Erstaunen vieler Beobachter halten sich die Konflikte in Grenzen. Und richtig laut wird es viel seltener als erwartet. Der neue Oberbürgermeister versuchte von Beginn an, politische Minen aus dem Feld zu räumen. Die allermeisten Ratsbeschlüsse wurden mit großen Mehrheiten oder sogar einstimmig gefällt. Selbst die dringend notwendige Neuordnung der nicht unproblematischen Stadttochter OGM könnte am Ende mit konsensualen Beschlüssen auf den Weg gebracht werden.
Wertschätzend und ausgleichend gelingt es Schranz immer häufiger, Problemfelder abzuräumen und dabei unterschiedliche Interessensgruppen hinter sich zu bringen. Dabei gehe es ihm nicht nur um hohe Politik oder wirtschaftliche Meilensteine, sondern auch um die alltäglichen Sorgen der Menschen. „Wir müssen Groß denken, ohne Klein zu vernachlässigen“, weiß Schranz.
Das ältere Ehepaar wirkt inzwischen zufrieden und will seinen Weg fortsetzen. „Es passiert doch was in Oberhausen, es wird wieder angepackt“, meint die Dame noch. Aber was hat Schranz ihr versprochen?
„Unsere neuen Ordnungsoffensiven zielen in die richtige Richtung, aber natürlich kann ich nicht versprechen, dass nirgendwo in unserer Stadt mehr ein Kaugummi klebt“, sagt der Oberbürgermeister. Wie fast immer habe er aber auch das Gespräch genutzt, um dafür zu werben, die entstandene Dynamik zu befördern. Jeder könne an seiner Stelle zum Mitmachen und Anpacken animieren.
„Wir müssen die Menschen mit unserem Mut und unserer Begeisterung anstecken.“
Nicht wenige Oberhausener glauben, dass in der Revierstadt bald eine Epidemie ausbrechen könnte.