Ruhrrevier

Glückauf Zukunft

zum Ende des Bergbaus


Museum Folkwang, Essen: Hermann Kätelhorn, Hochofen, Radierung, undatiert, Museum Folkwang, Jens Nober © Nachlass Hermann Kätelhorn
Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum: Museum unter Tage (MuT): Miles Coolidge, Coal Seam, Bergwerk Prosper-Haniel 4, 2013, Josef Albers Museum Quadrat Bottrop © Miles Coolidge

 

Wenn in diesem Jahr die Steinkohleförderung in Deutschland ausläuft, endet damit mehr als ein bedeutender Industriezweig: Das Kapitel einer über 250 Jahre andauernden Geschichte, die insbesondere das Gesicht des Ruhrgebiets, das Selbstverständnis seiner Bewohner und die Entstehung seiner einmaligen Kunst- und Kulturlandschaft geprägt hat, schließt. Den Abschied von dieser Arbeiter-Tradition würdigt die Region mit großen Kunstprojekten. Unter dem Titel „Kunst & Kohle“ gibt es in 17 RuhrKunstMuseen in 13 Städten von Mai bis September zeitgleich ein großes städteübergreifendes Ausstellungsprojekt.

Die von der Industrie geprägte Landschaft, die Beförderung der Kohle an die Erdoberfläche unter härtesten körperlichen Bedingungen, das Material Kohle an sich, der unprätentiöse und solidarische Menschenschlag, der Strukturwandel – all diese Facetten des Ruhrgebiets inspirieren und faszinieren Kunstschaffende seit jeher. Das zeigt auch ein Gemeinschaftsprojekt von Ruhrmuseum Essen und Bergbaumuseum Bochum. Von April bis November wird Kunst in Erinnerung an die Bergbauvergangenheit präsentiert – unter dem Motto „Glückauf Zukunft“.

„Thematische Gruppenausstellungen wechseln sich mit Einzelpräsentationen ab“, verrät Prof. Dr. Ferdinand Ullrich, Initiator des gemeinsamen Ausstellungsprojekts der RuhrKunstMuseen, „Dabei werden alle künstlerischen Medien abgedeckt und es entsteht das wohl größte Projekt dieser Art zum Thema Kohle, das je in der Region zu sehen war.“

Schicht am Schacht ist im Ruhrgebiet endgültig, wenn Ende 2018 in Bottrop mit Prosper-Haniel die letzte Zeche des Ruhrgebiets schließt. So zeigt das Josef Albers Museum Quadrat Bottrop künstlerischdokumentarische Fotografien der Industriearchitektur von Bernd und Hilla Becher, die längst zum kunsthistorischen Kanon gehören. Bernd und Hilla Becher bewahren mit ihren fotografischen Arbeiten ein Bild, das knapp 150 Jahre das bestimmende des Ruhrgebiets war: Zechen, Fördertürme, Hochöfen und Gasometer. Schwarz-Weiß, hart und sachlich sind ihre Aufnahmen, die dokumentarische und künstlerische Elemente vereinen. Gerade durch ihre systematischen Fotoprojekte zwischen wissenschaftlicher Dokumentation und Kunst haben die beiden Fotografen ein neues Genre geschaffen, das auf nachfolgende Künstlergenerationen gewirkt hat – die sogenannte Becher-Schule, deren nüchterne Ästhetik Weltgeltung erlangt hat. Laufzeit: 5. Mai bis 16. September.

 

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop: Bernd und Hilla Becher, Fördertürme, 1965-96 © Estate Bernd & Hilla Becher, vertreten durch Max Becher, courtesy Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – Bernd und Hilla Becher Archiv, Köln, 2018

 

 

Gert & Uwe Tobias

Gegensatzpaare wie hell und dunkel, oben und unten sind zum Beispiel in der Kunsthalle Recklinghausen zentrale The-men. Hier wollen die Zwillingsbrüder Gert und Uwe Tobias ein „Gesamtkunstwerk“ realisieren, das den Ausstellungsbesucher geradezu körperlich in seinen Bann zieht. Ihre alle Räume durchdringenden Wandmalereien setzen die Räume miteinander in Beziehung und realisieren ihre Interpretation des Themas. Die Einbauten verändern die Räume entscheidend und lassen innen und außen, hell und dunkel erleben, zwei in ihrer sinnlichen Energetik unterschiedene „Welten“ also, die zuletzt aber doch eine bilden. Außer neuen Holzschnitten, Zeichnungen und Collagen gibt es Keramiken und Bronzen, ein Material, mit dem Gert & Uwe Tobias dort zum ersten Mal arbeiten. Laufzeit: 6. Mai bis 9. September.

 

Kunsthalle Recklinghausen: Ohne Titel, 2017, © Gert und Uwe Tobias/Alistair Overbruck/VG Bild-Kunst, Bonn 2018

 

Unter dem Motto „Reichtum: Schwarz ist Gold“ steht der Beitrag des Lehmbruck-Museums in Duisburg. Die Ausstellung setzt die Formel „Kohle bedeutet Reichtum“ auf einfache Weise in eine visuell erfahrbare Form um. Skulpturale Phänomene, wie das Anhäufen oder das Intensivieren von Dunkelheit, rekurrieren letztlich auf Seherfahrungen in Landschaften des Bergbaus, welche Kohlehalden und -gruben geprägt hatten. Neben dem Museum Lehmbruck (3. Mai bis 7. Oktober) zeigen auch das Museum DKM (4. Mai bis 16. September) und das MKM Museum Küppersmühle (8. Juni bis 28. Oktober) Ausstellungen zum Thema Kunst & Kohle. Im Kunstmuseum Gelsenkirchen verwandelt sich industrielles Erbe in raumgreifende Installationen. Bei dieser Ausstellung mit Werken von Alicja Kwade und Anderen werden zahlreiche Relikte des Bergbaus und der Stahlindustrie zu Kunst: Maschinenteile, Werkzeug bis hin zu Arbeitskleidung und Schuhen. Der Künstler und ehemalige Bergmann Werner Thiel nahm sich in der nahegelegten Zeche Consolidation dieser Artefakte an und widmete ihnen unter dem Titel „Ästhetik des Verfalls“ zahlreiche Fotografien und grafische Arbeiten. Laufzeit: 6. Mai bis 16. September.

 

Lehmbruck Museum, Duisburg: David Hammons, Chasing the Blue Train, 1989-1991, S.M.A.K., Gent, © David Hammon

 

Kunstmuseum Gelsenkirchen: Alicja Kwade, Hypothetisches Gebilde, 2016, Courtesy the artist and KÖNIG GALERIE

 

Den Blick auf die dunklen Seiten des Bergbaus und die Folgen von Globalisierung und Ausbeutung der Arbeitskräfte lenken die Werke von Ibrahim Mahama im Emschertal-Museum Herne. Weil in der Städtischen Galerie noch Sanierungsarbeiten laufen, wird die Kohle-Ausstellung im gegenüberliegenden Schloss Strünkede zu sehen sein. Während der Ausstellung verwandelt sich die Schlossanlage dabei selbst in ein monumentales Kunstwerk. Der ghanaische Künstler Ibrahim Mahama wird Teile des Gebäudes mit Kohlesäcken verhängen. Mit seinen Installationen aus grobem Jutestoff rückt er weltweite Warenströme und Produktionsbedingungen ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Gefertigt werden die Säcke in Asien, um darin in Ghana Kohle für den Export nach Amerika und Europa zu transportieren. Mahamas Werk verweist damit nicht zuletzt auf eine moralische Komponente. Günstige Kohle wird zugekauft, die oftmals unter schwierigen Bedingungen und ohne Rücksicht auf Mensch und Natur gefördert wird. Laufzeit: 5. Mai bis 9. September.

 

Emschertal-Museum Herne, Schloss Strünkede: Ibrahim Mahama auf der documenta Kassel 2017

 

Das Kunstmuseum Bochum rückt die Verbindung von Kunst, Religion und Bergbau in den Vordergrund, während Helga Griffiths im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr der Kohle ihren Duft entlockt. Helga Griffiths befasst sich in künstlerischwissenschaftlicher Sicht mit dem Thema Kohle. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist dabei zunächst nicht die Kohle selbst, sondern der Kohlenstoff. Je nach Druck und Verhältnismäßigkeit wird dieser zum Diamanten, dessen Strukturen sie vergrößert in Form eines Videos aufzeigt. Zum anderen konstruiert sie einen Versuchsaufbau, mit dessen Hilfe eine Essenz aus Kohle gewonnen wird. Die wird in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Parfümeur veredelt und in einem besonderen Flakon im Museum auch als Duft zum Kauf angeboten. Laufzeit: 6. Mai bis 16. September.

Im Kunstmuseum Bochum heißt es „Andreas Golinski – In den Tiefen der Erinnerung“. Dabei geht es um persönliche und kollektive Rituale und Erfahrungen. Denn die Welt unter der Erde provoziert Ängste vor dem Unheimlichen, dem Unbekannten des Erdinneren, aber auch fantastische Visionen, wissenschaftlichen Forscherdrang und utopische Ideen. Golinski imaginiert den Einstieg in ein abstraktes Inneres, in dunkle Tiefe und Stille, lässt abruptes Verschwinden und langsames Wiedererscheinen von Licht und Klang und die Rückkehr erfahrbar werden. Laufzeit: 6. Mai bis 16. September.

 

 

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr: Helga Griffiths, ‘18C Memory of an Evanescent Landscape, 2017 Projektidee © 2018, Volkmar Hoppe, Darmstadt 2017

 

Kunstmuseum Bochum: Andreas Golinski, Untitled (Excavation Dust), 2015 © VG Bild-Kunst, Bonn 2018, Courtesy Andreas Golinski

 

LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen: Dachma, Kleine Ode an den Kohlenpott, 2014 © Dachma

 

 

„Erholungsanlage auf dem Zechengelände der RWE-Zeche Friedrich Ernestine“ Essen-Stoppenberg, 27. August 1958

 

Wie Comiczeichner das Thema der Kohle sehen, erfährt man in der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen. Auch wenn das Thema Kohle kein zentrales im Bereich von Comic und Cartoon ist, haben die beteiligten Zeichnerinnen und Zeichner Geschichten um das „schwarze Gold“ gesponnen. Mal stehen Erinnerungen aus dem eigenen Leben oder mal das Sterben der Zechen und Hütten im Mittelpunkt. „Die Ducks im Ruhrgebiet“ halten sich unter Tage auf. Doch dass die Kohle auch weit jenseits des Ruhrgebietes eine Rolle spielen kann, zeigt Walter Moers zusammen mit Florian Biege. Als Special Guests bekommen „Kumpel Anton“, gezeichnet von Otto Berenbrock, und „Opa Hausen“ von Dirk Trachternach einen Auftritt. Laufzeit: 2. Mai bis 16. September. „Wir freuen uns, dass sich die RuhrKunst-Museen so engagiert und in ihrer Zusammenarbeit über die Stadtgrenzen hinweg mit einem sehr facettenreichen Ausstellungskonzept in unsere Initiative ‚Glück-auf Zukunft!‘ zum Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus einbringen“, so Dr. Werner Müller, Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung, die das Projekt fördert. Außerdem zeigt das Ruhr Museum Essen im Rahmen dieser Initiative bis zum 2. September die Sonderausstellung „Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“. Zu sehen sind rund 160 Fotografien von 60 Steinkohlenzechen und über 250 weitere, teilweise bislang unveröffentlichte, Fotografien zum Bergbau des Essener Industrie- und Dokumentarfotografen. Josef Stoffels gilt als einer der bedeutendsten Fotografen und Dokumentaristen des Bergbaus im Ruhrgebiet. Vom 30. September 2018 bis 31. März 2019 sind Teile der Ausstellung im Deutschen Bergbau-Museum Bochum zu sehen. Außerdem kooperieren das Essener Ruhr Museum und das Deutsche Bergbau-Museum Bochum erstmals für eine große Sonderausstellung: „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“. Die ist vom 27. April bis zum 11. November in der Kokerei auf Zollverein zu sehen. Gut ein Viertel der Exponate kommen dafür aus den Beständen des montan.dok.

 

Ausstellungsort Mischanlage der Kokerei Zollverein, © Stiftung Zollverein
Artikel von www.top-magazin.de/ruhr