Essen & Trinken

Piemont

Eine Region schüttet ihr Füllhorn aus und ist dabei im Einklang mit der Natur: Nüsse und Wein, Trüffel, Ziegenkäse und ein Grappa der ganz besonderen Sorte kommen aus der sanften italienischen Hügellandschaft. Köstlichkeiten, die Daniele delle Vedove vor Ort für sein Restaurant in Essen prsönlich aufspürt. Exklusiv, fernab des Mainstreams.


Eine Landschaft wie ein Gemälde: Blick ins Piemont von der Borgo Vecchio, der Altstadt des Ortes Neive. Das ist die Region, in der Trüffel zuhause sind und wo auch der Trüffelmarkt in der Stadt Alba seinen Standort hat.

 

„Alles Gute kommt aus Alba, doch das Beste kommt aus Neive“, zitiert Daniele einen Spruch aus der Region, als er in Italien über die kurvigen Straßen des Piemonts steuert, eben jenes Örtchen Neive als Ziel. Sanfte Hügel, kleine Dörfer, oben alte Burgen, im Tal Häuser mit Fensterläden und mediterranen Farben, und Weinberge prall voll verheißungsvoller Reben säumen die enge gewundene Straße. Im Garten ein Baum mit Granatäpfeln. Zauber einer sonnenverwöhnten Landschaft mit viel Geschichte. Zuerst steuert Daniele Punset an – Heimat und Name eines Weingutes, das ganz auf biologischen Anbau umgestellt hat und dem Boden und den Reben seine Ernte im Einklang mit der Natur entlockt. Marina Marcarino ist die Inhaberin und gemeinsam mit Daniele der Guide durch ihr Piemont. Hier gibt es in ganz Italien nicht nur die höchste Dichte an Sterne-Restaurants, sondern vor allem inzwischen feine Manufakturen im Trend biologischnachhaltiger und damit besonders wertiger Produktion der gefragten landestypichen Genüsse.

Daniele delle Vedove ist am Nudeltopf auch im Piemont in seinem Element. Der Essener Gastronom erkundet die norditalienische Landschaft Langhe und findet hier ganz besondere Zutaten für sein Restaurant an der Steeler Straße.

 

„Im Piemont wachsen die besten Nüsse der Welt“, weiß Daniele um einen Pluspunkt, mit dem sich die Region neben Trüffeln und Wein einen Namen macht. Nüsse sind dabei nicht einfach nur Nüsse, sondern wie alles auf dieser Reise zu den ganz besonderen Genüssen „echt bio“. Haselnüsse aus biologischem Anbau und biologisch-organisch verarbeitet kommen aus dem Nuss-Laboratorium der Cascina Langa. Eine Anlage, ganz oben am Dach der piemontesischen Welt, um die sich dazu noch eine eigene Geschichte rankt. Hier war zum Ende des II. Weltkriegs die Basis des Widerstands, ganz oben auf dem höchsten Punkt der Berge mit bester Rundumsicht, hatten sich die Partisanen eingenistet, um die Faschisten zu vertreiben. Ein wahre Geschichte, ein Heldenepos dazu, dem der in Italien berühmte Autor Beppe Fenolio ein Buch gewidmet hat.

Nüsse aus biologischer Ernte und Verarbeitung gibt es bei Manuela Viglione und Giorgio Capra

Heute, zeigen uns Marina und Daniele, ist die Cascina Langa noch immer ein ganz besonderer Ort. Manuela Viglione und ihr Lebensgefährte Giorgio Capra haben es zum Ende des letzten Jahrtausends übernommen, vor dem Verfall gerettet und ein wunderbar individuelles Hotel mit erholsamem Spa geschaffen. Im Restaurant, das weit den Blick über die Landschaft öffnet, gibt es feine landestypische Küche, wie alles hier mit dem besonderen Blick auf biologisch erzeugte Köstlichkeiten. Die wachsen unter der italienischen Sonne im Hausgarten oder im eigens geschaffenen Gewächshaus. In der Cascina Langa bietet Manuela Viglione ihren Gästen eine gepflegte Auszeit fernab des großen Trubels. Sechs individuell eingerichtete Zimmer, fast kleine Suiten, atmen die Ruhe der Region. Hier hat sich Manuela Viglione nach einem rasanten Leben als Managerin großer Events in Turin den Traum vom eigenen Projekt erfüllt. Ihren Gästen schneidert sie nun kleine feine Programme individuell auf Wunsch zu, rankt die Angebote rund um die Geschichte und um die lukullischen High-lights Nüsse-Käse-Wein-Trüffel.

Giorgio Capra im Nusslaboratorium, das der Cascina Langa angeschlossen ist

Nüsse sind es, die die beiden Inhaber selber auf höchstem Niveau kultivieren. „Hier ist das Grand Cru des Haselnuss-Anbaus“, schwärmt Daniele. Die Nüsse selber gedeihen prächtig auf den Hügeln rund um die Cascina Langa. Für die Bio-Nüsse gibt es keine maschinelle Ernte, erklärt Ulrike Rahm, Heidelbergerin, die seit 26 Jahren in Italien lebt und längst Expertin für das Thema ist. Die Früchte bleiben hängen, bis sie selber reif zu Boden fallen und werden dann ein kleines Stückchen entfernt im eigenen Nuss-Laboratorium der Cascina Langa verarbeitet.

 

Auf dem Dach der Welt – hoch oben über den Tälern und Weinbergen des Langhe liegt die Cascina Langa. Einst Stützpunkt der Partisanen gegen die Faschisten, heute feines Hotel mit wunderschönem Restaurant und offenem Blick ins Piemont

 

Hier werden die knackigen kerne zunächst aus den Schalen geholt, handverlesen, im Spezial-Ofen schonend mit Heißluft geröstet, auf einem Sieb von den braunen Häuten befreit und vor der Verarbeitung noch einmal sortiert. Die ganz „sauberen“ werden verpackt und als ganze Bio-Nüsse angeboten. Die anderen verwandeln sich in Köstlichkeiten wie Nuss-Marmelade oder Nuss-Soße für Pasta. Dabei gilt stets Nachhaltigkeit: Mit den Schalen werden im Winter noch Ofen oder Kamin geheizt.

„Es ist einfach der beste biologische Barbaresco der Welt“, schwärmt Daniele und schwenkt ebenso genießerisch wie kritisch den tiefroten Wein im Glas. Hier im Weingut Punset sucht er nach den besten Tropfen, die er dann in Essen an der Steeler Straße seinen Gästen serviert. Der Barbaresco, der typische Rote aus dem Piemont, gehört dazu. Und für den edlen Bio-Wein, den besten seiner Gattung, ist bei „Da Daniele“ die einzige Anlaufstelle im gesamten Revier. So stellt der Padrone daran auch ganz besondere Ansprüche und testet ihn vor Ort persönlich.

 

Mariana Marcarino ist Winzerin im Piemont. Ihr Weingut Punset hat sie ganz dem biologischen Weinbau verschrieben. Ihr Bio-Barbaresco ist der Beste überhaupt, ist Daniele delle Vedove überzeugt und bezieht den edlen Tropfen exklusiv für sein Restaurant in Essen.

 

Im Gastraum des Weingutes Punsets serviert die Familie Marcarino die Parade-Erzeugnisse aus ihren eigenen Weinbergen. Einen leichten Weißen – „Arneis“ steht auf der Flasche. „Frechdachs“ heißt das“, schmunzelt Daniele und der Name passt zu dem leichten Wein, der frisch den Gaumen kitzelt und dann fröhlich die Kehle hinunterperlt. Der „Frechdachs“ der Marcarinos ist ebenso sonnenverwöhnt, wie seine schwereren roten Brüder: Punset ist der höchste Berg der Region San Christoforo und bietet damit nicht nur einen wunderbaren Rundblick auf die Umgebung, die Unesco-Welterbe ist, sondern den Weinbergen rund um das Gut herum Sonne den ganzen Tag lang. Der Platz ist einzigartig in ganz Neive: Ein Hügel mit einem Haus auf der Spitze und der Sonne, die vom Morgen bis zum Abend rund um den Berg wandert.

Die Nebbiolo-Traube ist die Grundlage für die großen Weinsorten aus dem Piemont: Barolo und Babaresco, beide benannt nach der jeweiligen Region. Feine Nuancen in der Herstellung machen den Unterschied zwischen den Nachbarn aus.

„Eine Gott begnadete Position“, lächelt Chefin Marina Marcarino, die für Daniele einfach die „Göttin des italienischen Weines“ ist.

Daniele hat sich neben Renzo, dem Gründer des Guts und Vater von Marina, niedergelassen und führt Fachgespräche. Der Arneis weicht einer neuen Flasche und Renzo murmelt zufrieden. „Trinkt Rosso – denn der beste Weiße ist ein guter Roter“, übersetzt Daniele und nimmt einen großzügigen Schluck vom „Rosso“, der mit der optimalen Temperatur von 19 Grad serviert wird. Ganz so einfach aber ist der Gastronom aus Essen nicht zu überzeugen: „Dem fehlt die Tiefe“, analysiert er mit fragendem Blick zu Renzo.

Marina tauscht die Flasche aus und weiß um die Gründe: Ein wirklich guter Barbaresco braucht seine Zeit, um zu reifen und seinen vollen Geschmack zu entfalten. Der letzte hier, der war zu jung. Mindestens acht Jahre alt muss ein Barbaresco sein, ist Marina überzeugt. Ihr eigener ist am besten nach 15 Jahren, erst dann entfaltet er die volle Farbe und das ganze Aroma. So widersteht sie dem aktuellen Trend, den Wein immer jünger abzugeben. „Am Ende, da stehe ich für die Qualität ein“, sagt sie und entlockt mit dem gut gereiften Babaresco, der aus der Nebbiola-Traube gekeltert wird, dann auch dem kritischen Daniele Bestnoten.

Auf die Reise zu den Geheimtipps in ihrer Heimat nimmt Marina Marcarino die Gäste ihres Weingutes Punset im Piemont gerne mit

 

Dabei geht es Marina auf Punset eigentlich um etwas ganz Einfaches: Ihr Wein soll ein täglicher Genuss sein, der die Region repräsentiert und den die Menschen gerne trinken. Dafür folgt sie eben nicht allen Trends, sondern macht ehrliche Produkte – und das aus voller Überzeugung biologisch-dynamisch. Als eine der ersten in Italien und als Pionierin im Piemont hat sie die Produktion ihrer Weine Anfang der 1980er Jahren umgestellt. Seit 2010 folgt der Weinbau auf Punset den Regeln des Japaners Masanobu Fukuok. Sie basieren auf einer ganzheitlichen Betrachtung der Pflanzen, die ohne Ertragsstress eigene Abwehrkräfte entwickeln, so dass der Mensch nicht mit künstlichen Mitteln eingreifen muss. Auch in der Kellerei setzt sich die Arbeit komplett mit natürlichen Materialein fort, zusätzliche Hefe muss den Weinen von Punset darum gar nicht zugesetzt werden, erklärt Mariana.

 

Giulia Benso hat in der Altstadt von Neive ein sehr individuelles Hotel eröffnet. Hier weiß Winzerin Marina auch ihre Besucher bestens untergebracht.

 

80 000 bis 100 000 Flaschen gewinnt sie so in einem durchschnittlichen Jahr aus ihren Weinbergen. Hier wachsen ausschließlich lokale Trauben: der weiße Arneis und dazu die roten Sorten Nebbiolo, Dolcetto und Barbera. Der Wein, der daraus gewonnen wird, trägt die Namen heimischer Landstriche: Barolo, viel größer, als das kleine und feine Gebiet Barbaresco. Seinen guten Ruf exportiert Marina Marcarino nach Deutschland. Zum Beispiel nach Essen zu Daniele. Aber auch in der Heimat werden die Bio-Weine vom „kleinen Berg“, denn das bedeutet Punset in der Mundart der Region, geschätzt. In der Borgo Vecchio, der zauberhaften Altstadt von Neive, wird bei La Donna Silvatica der Punset-Arneis mit seiner wunderbar goldenen Farbe kredenzt. Der Blick von der Terrasse dort über das Piemont ist atemberaubend und immer mehr Besucher lernen Neives Qualitäten kennen und schätzen. So zieht in die einst eher verschlafene Stadt im Schatten des berühmteren Trüffelortes Alba immer mehr Leben ein. Die blutjunge Giulia Benso traut der Entwicklung und hat in der Altstadt ein zauberhaftes kleines Hotel eröffnet: „Borgese Camere & Suites“ gewährt dem anspruchsvollen Besucher ein absolut individuelle Unterkunft mit aufmerksamer Betreuung abseits der konfektionierten Ketten. Das Frühstücksbuffet verführt mit allem, was das Herz begehrt von frisch zubereiten Eiern mit Trüffeln bis hin zu feinen kleinen Süßigkeiten. Ein perfekter Start in einen erlebnisreichen Tag.


Borgese Camere e Suites

Das Haus vereint alles, was Menschen, die auf individuelle Unterbringung wert legen, wünschen: Eingefügt in einen traditionellen Altbau mit seinem Steingewölbe bietet das Borgese gleichzeitig jeden modernen Komfort. Die Zimmer sind mit ausgesuchten Möbeln liebevoll eingerichtet, Bäder passend und nicht uniform gestaltet. Wer dort wohnt, findet unterschiedlichste Perspektiven: Vom Balkon den weiten Blick ins Piemont, nach hinten eine fast pittoreske altitalienische Hinterhof-Kulisse. Großer Pluspunkt: Aufmerksamster Service.


 

Auf der Suche nach der weißen Trüffel: Daniele delle Vedove hat sich dafür an die Fersen von Piercarlo Vacchina geheftet. Der Trüffel-Jäger, der Trifulau, erspürt die begehrte Spezialität mit seinen Trüffelhunden Roky und Jimmy

 

Ganz einfach und doch so besonders: Eine Portion Pasta, großzügig mit weißem Trüffel garniert

Ganz oben auf der Liste der höchsten Genüsse steht für Feinschmecker die Trüffel. Im Piemont darf der begehrte Pilz ganz offiziell ab dem 24. September geerntet werden. Und das ist eine Wissenschaft für sich, eine eigene Profession. „Trifulau“ heißt der Trüffel-Jäger in der piemontesischen Mundart. Piercarlo Vacchina macht das seit nun 40 Jahren – da war er zarte acht und schwänzte für die Touren mit seinem Opa die Schule. Damals war die Trüffel im Überfluss vorhanden und brachte bei weitem nicht soviel Geld ein wie heute, erinnert sich der 48 jährige. Vier bis fünf Kilo reichten gerade, um die notwendigen Lebensmittel für die Familie dafür einzutauschen, bezahlt wurden ohnehin nur die ganz runden, großen und makellosen Exemplare.

Heute ist Piercarlo Vacchina der Meister der Trifulau in Neive und begibt sich mit seinen Hunden Roky und Jimmy auf die Suche nach den begehrten Leckerbissen. Die Hunde werden dafür sorgfältig ausgebildet, damit er ihrer Spürnase zu den Fundstellen folgen kann. Denn auch die Hunde lieben Trüffel und folgen ihrem Duft, sobald ihr Herrchen sie auf seine Spur setzt. Schnüffeln, suchen, graben – da heißt es dann für den Trifulau schnell zu sein, sonst hat der Trüffeljäger hinter den gierigen Zähnen seiner vierbeinigen Helfer das Nachsehen. Ein kleines Stückchen aber, das steht den eifrigen Spürhunden als Lohn für ihren Einsatz immer zu. Und auch die Hunde brauchen für ihren Einsatz neben der guten Ausbildung eine Menge Erfahrung. Bei Piercarlo Vacchina ist der helle Roky derzeit der versierte Experte und hilft dem jungen ungestümen Jimmy dabei, ein ordentlicher Trüffel-Suchhund zu werden, erfährt Daniele beim gemeinsamen Weg zu diesen besonderen Schätzen aus der Erde.

Emmanuela Merli stellt in ihrer Cantina del Rondò die typische Pasta Tajarin selbstverständlich selber her und erlaubt Daniele delle Vedove dabei einen Blick in ihre Geheimnisse

Seit der Erfindung des Trüffel-Marktes durch Giacomo Morra in Alba wird die Trüffel hoch geschätzt. Gourmets lieben vor allen Dingen die weißen heute höchst kostspieligen Exemplare des Pilzes mit seinem ganz eigenen Duft. Der galt den Menschen einst als aufdringlich: Im Regoionalzug von Neive nach Alba war darum der Transport von Fisch und Trüffeln streng untersagt. Vorbei ist die Zeit der Missachtung, die regionale Küche im Piemont punktet mit der heimischen Kostbarkeit.

Trüffel, aber nicht nur dieser ganz besondere Pilz, zeichnen die regionale Küche des Piemont aus. Eine wahre Künstlerin, Emmanuela Merli, handhabt das virtuos in der Cantina del Rondò. Das traditionelle Lokal mit seiner langen Geschichte ist ein besonderer Tipp von Winzerin Marina, die guten Freunden die Highlights abseits der großen Touristen-Ströme verrät.

 

Gastgeberin Emmanuele Merli und Daniele in Neive in der Trattoria Cantina del Rondò mit ihrem traditionellen Gewölbe

 

Da kehrt der Gast gerne ein und gibt der Cantina del Rondo beste Bewertungen

Hier wird piemontesische Küche serviert, wie sie in Deutschland eigentlich nirgendwo auf den Tisch kommt, erfährt auch Daniele delle Vedove. Denn neben dem absoluten Klassiker Vitello tonnato, der im Piemont mit einer selbstgemachten Mayonaisen-Sauce völlig anders auf der Zunge zergeht als gewohnt, vereinen sich hier heimische Top-Produkte zum besonderen Genuss: Schweinefleisch mit Haselnuss-Sauce oder eine Sauce aus Anchovies, Knoblauch, Olivenöl und Pfeffer als Dip zum frischem Gemüse. Oder: Carpione uovo, cotoletta impanata, zucchine, in agretto delicato piatto estivo tradizionale – Worte wie eine Melodie, Essen wie ein Gedicht: Ein Kotelett mit Eier-Omelette und Zucchini in einer Vinaigrette mit Zwiebeln.

Trüffel passt auch zu rohem Fleisch

Typisch für das Piemont ist Tajarin, ein ganz besondere Pasta-Sorte, grundsätzlich handgemacht. Auch im Ristorante Violetta in Calamandrana. Hier kocht die Familie noch selbst – von Oma Maria, die das traditionelle Lokal vor 60 Jahren eröffnet hat, bis zur deutschstämmigen Katrin, der Nichte der aktuellen Inhaber Carlo und Silvana. Ganz eigene Spezialität, gewiss nicht für jedermann, ist „La Finanzere“ mit Rückenmark, Hirn, Bries und Nieren vom Kalb plus Hahnenhoden und Hahnenkämmen. Damit hat es das „Violetta“ bis ins Buch „Piemont und das Aosta-Tal“ geschafft. Genießen kann bestens umsorgt von der Familie aber auch der Gast, der sich an ein so spezifisches Angebot nicht herantraut. Die Küche serviert Aspik mit Fleisch und Gemüse oder Peperoni mit Anchovies und Kräutersauce. Es gibt gefülltes Perlhuhn, Kalbfleisch in Barbera-Sauce oder gemischte Teller mit frittiertem Gemüse und Fleisch. Landestypische Weine und zum Abschluss Grappa aus dem Hause Berta machen den Genuss rund. Mille Grazie – nein: grazie mille ist richtig, schmunzeln die Gastgeber zum Abschied. Vielen Dank!

 

Selbst gemachte Grissini dürfen im auch im Ristorante Violetta in Calamandrana nicht fehlen

 

Granatäpfel wachsen in der Langhe überall an den Bäumen

Um die Geheimnisse des Piemont buchstäblich zu erfahren, braucht es manchmal auf den schmalen gewundenen Straßen im Auto wirklich gute Nerven. Vor allem, wenn das Gefährt in der Kurve plötzlich geradeaus weiter saust und nun über eine Schotterpiste holpert. Dennoch: Alles richtig: Am Ende des Weges, gefühlt fast am Ende der Welt, liegt in Cherasco an der Via la Morra 21 einsam die Azienda Agricola L’Cravé. Dort, in der eigentlich winzigen Küche von Renato Maunero, entsteht handgemachter Rohmilch-Ziegenkäse in so kleiner Stückzahl, dass die Liebhaber sich beinahe schon darum bewerben müssen, einen der runden Laibe zu bekommen. Auch Marina Marcarino nimmt den Weg gerne auf sich, wenn sie in Punset Gäste bewirten möchte. Denn der rein biologisch hergestellte Käse passt gut zu ihren Bio-Weinen.

Roter Wein: perfekt zu piemontesischem Essen

Ausschließlich von seinen eigenen Ziegen stammt die Milch, die Renato Maunero in seiner Azienda verarbeitet. Die Tiere leben fast wild draußen, und doch kennen sie ihren Besitzer so gut, dass er sie nur mit der Stimme von den feinen Gräsern und Kräutern weg zu sich rufen kann. Braune, weiße und schwarze Ziegen kommen mit Glockengeläut, jede von ihnen kennt den Rhythmus: gemolken wird morgens und abends, und weil die Milch unterschiedlichen Fettgehalt hat, wird sie gemischt und dann in limitierter Auflage in der Küche zu exklusivem Rohmilchkäse verarbeitet. Der Geschmack variiert je nach Mischung-Verhältnis der Milch oder nach Reifegrad des fertigen Produkts. Längst hat Renato Maunero damit Preise für den besten Bio-Käse gewonnen. Höchstens 45 bis 50 Stücke stellt er pro Tag her – eine Rarität, für die es Vorbestellungen aus den besten Restaurants Italiens gibt, weiß Winzerin Marina und schätzt sich glücklich, dass sie selber zum festen Kundenstamm zählt.

 

Die fast wild lebenden Ziegen der Azienda Agricola L’Cravé liefern die Grundlage für den nach biologischen Prinizipien handgemachten Rohmilchkäse. Der L`Cravé-Ziegenkäse von Roberto Maunero gilt über die Grenzen des Piemont hinaus in Italien als begehrte Rarität

 

Renato Maunero besucht mit Daniele seine Ziegenherde

Berta – dieser Name steht im Piemont für Grappa. Und so ist dies auch eine Pflichtstation für Daniele delle Vedove, der den edlen Tresterbrand aus diesem Familienbetrieb in seinem Essener Restaurant nicht nur ausschenkt, sondern die ganz besonderen Editionen auch vertreibt.

Der Besuch kommt passend zu einer Premiere: Eben ist ein Jubiläums-Grappa aufgelegt worden zum Geburtstag der Destillerie. Berta – Annivesario 70 ziert in schwungvollem goldenem Bogen die exklusive Flasche mit ihrem goldgelben Inhalt. Der gilt als Vermächtnis von Gianfranco Berta, der seit 1990 die Produktion des Hauses geprägt hat und 2015 im Alter von nur 58 Jahren gestorben ist. Der Jubiläums-Grappa, über viele Jahre in besonderen Fässern gereift, trägt noch seine Handschrift. Nicht nur darum hat die Familie ihm ein besonderes Gedenken gewidmet und einen Keller nach ihm benannt, wo ein ganz besonderer Grappa im finalen Stadium reift: „SoloPerGian“. Der vereint nach einer Idee von Gianfranco nicht nur drei große Riserva-Grappa aus dem Jahre 2005, TreSoliTre, Bric del Gaian und Roccanivo zu einer neuen Sorte, sondern gibt auch einer Stiftung seinen Namen. Mit dem Erlös aus dem SoloPerGian fördert die Familie Berta das Handwerk, gibt jungen Menschen die Chance, darin einen Beruf zu erlernen und hilft Handwerkern in Not. Bevor es vor 70 Jahren, kurz nach dem II. Weltkrieg soweit ist, dass die erste „Destilleria Berta di Berta Paolo“ in Nizza Monferrato gegründet wird, pflegt die Familie seit 1866 im Gebiet von Asti den Weinbau. Vorfahr Giovanni Berta zählt zu den Gründungsmitgliedern des Konsortiums Asti Spumante und erlangt durch die Produktion hochwertiger Weine bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts hohes Ansehen. Neben dem Moscato d’Asti ist das insbesondere seinem Barbera Freisa geschuldet, der bereits 1908 in Rom mit der Goldmedaille ausgezeichnet wird.

 

Farbiges Licht und sanfte Musik – der Gedenkkeller für Gianfranco Berta. Hier reift der SoloPerGian in 100 Liter Eichenfässern. Grappa aus dem Hause Berta bietet Daniele delle Vedove in allen Jahrgängen seit 1985 in Essen an.

 

Der Jubiläumsgrappa zum 70 jährigen Bestehen der Destillerie Berta wird wieder in einer hochwertigen Flasche präsentiert

Den Grundstein für die erfolgreiche Grappa-Produktion aus dem angestammten Weingut heraus legt Paolo, der jüngste Spross der Berta-Familie, eben 1947. Er entscheidet sich, seine erste Brennerei in dem Haus in Nizza Monferrato einzurichten, das sein Vorfahr Francesco zum Ende des 19. Jahrhundertes gebaut hat. Dort begründet er nicht nur das erfolgreiche Grappa-Engagement, sondern legt auch den Grundstein für seine eigene Familie, feiert hier 1952 die Hochzeit mit Lidia Giovine. Gemeinsam legen die Eheleute ganz in der Tradition der Familie Berta auch in der Destillerie von Beginn an das Hauptaugenmerk auf die Qualität. Das macht sich bemerkbar – schnell erwirbt sich der ganz besondere Tresterbrand der Bertas einen Ruf bis ins Ausland. Paolo und Lidia freuen sich nicht nur über diesen Erfolg, sondern auch bald über Nachwuchs: 1956 wird Gianfranco geboren, 1960 Enrico. Beide Söhne wachsen wie alle Bertas in den Familienbetrieb hinein und übernehmen, als die Eltern 1990 in den Ruhestand gehen. Zehn Jahre zuvor haben sie ihrem Grappa noch ein besonderes Erkennungszeichen mitgegeben: Die Beuta Berta, eine eigens entworfene Flasche, prägt von nun an das Image mit. Dann ändert sich auch der Vertriebsweg: Der edle Brand in der besonderen Flasche ist nur noch exklusiv in der Gastronomie und kleinen Fachgeschäften zu haben. Das wird Aufgabe von Enrico, während Gianfranco die Produktion übernimmt und ihr im Laufe der Jahre seinen Stempel aufdrückt. Gianfranco gilt als Ausnahmetalent im Umgang mit dem Tresterbrand und gewinnt dazu die Herzen aller im gesamten Familienbetrieb. Denn Wachstum ist dem Betrieb unter der Führung des Gespanns Gianfranco und Enrico sicher. 2002 wird in Roccanivo, Casaletta die Mombaruzzo, eine neue Destillerie eröffnet – wieder ganz an die Familientradition angelehnt direkt im Anschluss an das angestammte Weingut der Vorfahren. Hier ist der Betrieb inklusive Museum und Gianfranco-Gedenkkeller bis heute zuhause.

 

Gianfranco Berta hat die Produktion des Grappa aus dem Piemont seit 1990 geprägt. 2015 ist er im Alter von nur 58 Jahren gestorben

Die Villa Prato ist mit der Familie Berta aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Das ehrwürdige Gemäuer dient heute als exklusives Hotel

Noch ein Vermächtnis von Gianfranco und ein Ausweis des Bekenntnisses der Familie Berta zu ihrer Heimat-Region ist die Villa Prato in Mombaruzzo. Ein traumhafter Bau aus dem 18. Jahrhundert, dem die Familie Berta seinen alten Glanz zurück gibt. Denn gemeinsam mit dem wachsenden Ansehen der Region Piemont, die mittlerweile zum Unesco Welterbe ernannt ist, steigt auch die Nachfrage nach Unterkünften für die zunehmenden Besucherzahlen. 2007 erwerben die Bertas die restaurierungsbedürftige historische Anlage, um sie zu einem feinen Gästehaus umzubauen. Das Projekt dauert neun Jahre, so dass Gianfranco die Eröffnung 2016 nicht mehr miterlebt. Er hat aber seiner Familie auf den Weg gegeben: Stellt die Villa Prato fertig. Ein besonderer Auftrag für seine Ehefrau Simonetta, sie zeichnet persönlich für die Gestaltung des historischen Gemäuers in seiner heutigen Form verantwortlich. Großzügige Räume, üppige Fresken, komfortable Zimmer und Suiten, aber auch traditionelle ausgetretene Steintreppen neben einem hochmodernen gläsernen Aufzug prägen die Villa Prato heute. In den uralten Gewölben ist mit viel Aufwand ein hochmoderner luxuriöser Wellness-Bereich mit unterschiedlichen Wasserbecken, Hammam und natürlich Sauna entstanden. Drei ganz unterschiedliche Restaurant-Bereiche verwöhnen je nach Wunsch und Geschmack die Gaumen der Gäste. Hier werden regionale Spezialitäten auf höchstem Niveau serviert und natürlich Grappa. Großzügige sonnenbeschienene Terrassen öffnen den Blick auf die historische Stadt und in die Landschaft des Welterbes Piemont.

 


Die Zimmer der Villa Prato sind individuell gestaltet – alle mit historischen Elementen

Villa Prato Spa

Die Grappa-Therapie: Aus Trauben lässt sich nicht nur Wein und edler Tresterbrand machen, sie dienen in der Villa Prato der Familie Berta auch als Grundlage für eine Schönheitstherapie. So werden natürliche Aktivwirkstoffe aus Trauben gewonnen und zur Herstellung von Bädern und Massagen, für Cremes und Packungen verwendet.


 

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr