Ruhrrevier

Bewegte Landschaft

Die Hügel in der Emscher-Region sind nicht das Ergebnis tektonischer Zusammenstöße. Einst bedeckte eine Waldsumpf-Moorlandschaft das Ruhrgebiet. Abgestorbene Pflanzen versanken – klimatische und geologische Änderungen ließen über Millionen von Jahren tief unter der Erde einen wertvollen Rohstoff entstehen: Die Steinkohle


Es ist ein Kohleberg, der seine Pfeiler bizarr in den Himmel reckt. Nur ein Kohleberg, und doch erinnert die Formation am Rhein-Herne-Kanal eher an einen schluchtenreichen Canyon.

 

Über 150 Jahre lang hat diese Steinkohle auch die Stadt Bottrop mit geprägt. Hier steht mit Prosper Haniel noch die letzte, die allerletzte aktive Zeche der Ruhrkohle AG im Ruhrgebiet, das einst mit Kohle und Stahl in Einklang gebracht wurde. Doch die Uhr tickt: Ende 2018 ist endgültig Schluss mit Kohle im Revier. Dann ist auch Schicht am Schacht in Kirchhellen. Eine Erinnerung daran sind die Kohle-Halden. Ihnen hat der in Bottrop geborene Fotograf Wolfgang Fröhling seine Bilderserie „Bewegte Landschaft“ gewidmet.

 

Die Jahreszeiten ziehen hinweg über das Gestein und tauchen die schwarze Kohle in einen hellen Schein – der Winter treibt der Landschaft die letzten Farben aus.

 

Über 40 Jahre ist er mit seiner Kamera auch dem Wandel der Region auf der Spur. Festgehalten hat er dabei diese „Berge aus taubem Gestein”, er nennt sie unsentimental „ein Relikt aus fast vergessenen Zeiten” oder auch ein „Erbe” einer „versunkenen Kultur”. Für den Fotografen bietet dieser Wandel einen Reiz und off enbart eine Ästhetik der Landschaft, die sonst vielleicht unbemerkt bliebe. Wolfgang Fröhling selber hat seine Ge-danken zu der Serie „Bewegte Landschaft“ auf der digitalen Ruhrgebiets-Plattform Pixelprojekt notiert: „Tief unter der Erde gewachsen, wurde ein Schatz von Menschenhand zu Tage befördert, das unterste nach oben gekehrt und zu Halden aufgeschüttet. Der Hunger nach Energie während der Industrialisierung veränderte das Gesicht ganzer Landstriche. Die Erde wurde durchwühlt, Flüsse verlagert, Kanäle geschaffen.

Die einst vertrauten schwarzen Kohlen und Kokshalden, die das Panorama der Emscher bildeten, sind aus dem heutigen Landschaftsbild fast verschwunden. Geblieben sind Berge aus taubem Gestein – das Erbe des Bergbaus. Sie sind Orte der Erinnerung an die legendäre Montanzeit. Landmarken erinnern an versunkene Kulturen und machen sie zu mystischen Plätzen.

 

Die Berge wachsen, dann werden sie wieder abgetragen und ihr Stand zeugte einst auch immer vom Stand der Stahlindustrie. Glühten die Hochöfen, wurde viel Kohle gebraucht und die Halden schmolzen dahin.

 

Zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal erstrecken sich die letzten vom Bergbau ökonomisch genutzten Gebilde einer industriellen Landschaft. Zwischen 2007 und 2010 fotografi erte ich das Kohlen- und Kokslager der Deutschen Steinkohle. In diesem kurzen Zeitraum veränderte sich fast täglich das Aussehen einer fast menschenleeren Mondlandschaft. Maschinen schütteten neue Halden auf, an andere Stelle wurden sie wieder abgetragen. Zwischen Auf- und Abschüttung eroberte sich die Natur ihr Terrain zurück. Wind, Regen und Frost hinterlassen ihre Spuren genauso wie Bagger und Raupen. Zerfurcht, zerfahren und vom Wetter modelliert, treibt der Winter der Laundschaft die noch letzten Farben aus, bevor das Frühjahr die Farben zurück bringt. Der Winter mit seinem rauen Klima schafft die geologische Atmosphäre der Erdzeit, die die Kohle hervorbrachte.“ Wolfgang Fröhling, 1952 geboren, hat diese Kohlezeit in Bottrop sein Leben lang begleitet, bis jetzt. Und so hat sie auch nicht nur mit „Bewegten Landschaft“ ihre Spuren in seinem Werk hinterlassen. Wie die „Türlauben“, Bottroper Zechenhäuser: „Ich halte das fest, was verschwindet“, sagt Fröhling und richtet seinen Blick immer wieder auf die Industriekultur und die Vergänglichkeit.

 

Nur einen flüchtigen Blick erhascht der Mensch, wenn sein Auto auf der A42, dem Emscherschnellweg, an den Kohlelagern vorbeirauscht. Und er sieht das langsame Verschwinden einer von Kohle geprägten Landschaft.

 

Noch ist Prosper Haniel in Kirchhellen nicht Vergangenheit, doch die Ruhrkohle AG, die seit 1968 den Steinkohleabbau im Revier bündelt, wappnet sich schon für die Zeit danach. Ab 2019 rücken die Herausforderungen der Nachbergbaus und des Strukturwandels in den Mittelpunkt des Handelns, bekennt die RAG. Mit auf dem Programm dafür steht die Revitalisierung ehemaliger Bergbauflächen. Und wenn die letzten Reste dieser versunkenen Kultur dann aus der Region verschwunden sind, dann bleiben die Bilder von Wolfgang Fröhling und erinnern an die Steinkohle und die „Bewegten Landschaft“.

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr