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Fragments of Metropolis – Architektur an Rhein & Ruhr

In einer Zeit, in der Kriegserinnerungen auf die Vision einer besseren Gesellschaft treffen, schließt sich die Baukunst mit expressionistischer Architektur dieser Aufbruchstimmung an. Auch in der Metropolregion Rhein-Ruhr.


Der Expressionismus war oft übersehenes Kind des neuen Bauens und stand im Schatten der Bauhaus- Architektur. Seine Zeugen an Rhein & Ruhr holt das Buch jetzt gebündelt ins Rampenlicht.

Der Expressionismus war oft übersehenes Kind des neuen Bauens und stand im Schatten der Bauhaus-Architektur. Seine Zeugen an Rhein & Ruhr holt das Buch jetzt gebündelt ins Rampenlicht.

 

Es sind kühne und formstarke Gebäude und sie zeugen von der Aufbruchstimmung der „Goldenen“ 1920er-Jahre. In einer Zeit, in der Kriegserinnerungen auf die Vision einer besseren Gesellschaft treffen, schließt sich die Baukunst mit expressionistischer Architektur dieser Aufbruchstimmung an. Auch in der Metropolregion Rhein-Ruhr. Bis heute finden sich in den Städten von Bochum über Gelsenkirchen bis Duisburg die architektonischen Spuren dieser Zeit. Das Buch „Fragments of Metropolis“ macht sich nun an die Wiederentdeckung dieses reichen Erbes und holt es aus der Vergessenheit zurück.

 

Das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen wurde zwischen 1924 und 1927 vom Essener Architekten Alfred Fischer an der Ebertstraße errichtet und ist heute eines der Wahrzeichen der Stadt. Es gilt mit seiner backsteinexpressionistischen Fassade als stadtbildprägend.

Das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen wurde zwischen 1924 und 1927 vom Essener Architekten Alfred Fischer an der Ebertstraße errichtet und ist heute eines der Wahrzeichen der Stadt. Es gilt mit seiner backsteinexpressionistischen Fassade als stadtbildprägend.

 

Ein gebürtiger Essener hat wesentlich an Rhein & Ruhr zu den Fragments of Metropolis beigetragen: Dr. Christoph Rauhut, Referent des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalpflege bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, hat gemeinsam mit dem Berliner Niels Lehmann die Bauten dokumentiert.

 

155 beeindruckende Gebäude haben sie entdeckt – darunter das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen, die Tonhalle in Düsseldorf oder das Dortmunder U. So unterschiedlich die Stadtlandschaft an Rhein und Ruhr ist, so vielseitig sind auch die Bauten: Als der expressionistische Bauboom Mitte der 1920er in der Region einsetzte, wurden längst nicht nur monumentale Stätten der Montanindustrie geschaffen. Auch öffentliche Gebäude, Wohnhäuser und Sakralbauten zeugten von dem neuen Selbstbewusstsein der rasant wachsenden Industrielandschaft. Und jede Stadt drückte der expressionistischen Architektur noch einmal ihren lokalen Stempel auf. „In Düsseldorf als alter Residenzstadt und Essen als aufstrebendem Industriestandort entstanden beispielsweise völlig andere Gebäude“, erläutern die Autoren.

Bild 1: Herne, Der rote Block
Bild 2: Oberhausen, Rathaus

 

Die beiden Architekten arbeiten ohne Bezahlung – unterstützt von einem rund 20-köpfigen Team aus ehrenamtlichen Autoren, Gestaltern, Zeichnern, Lektoren und Übersetzern. Entsprechend wichtig für die Umsetzung eines solchen Projekts ist die finanzielle Unterstützung: „Fragments of Metropolis“ konnte nur durch Crowdfunding, diverse Förderer und vor allem Hauptsponsor „Kümmerlein – Rechtsanwälte & Notare“ aus Essen realisiert werden. „Das hat uns die Sicherheit gegeben, loszulaufen und das Projekt zu beenden“, bestätigt Rauhut.

 

Mit zeitgenössischen Fotografien und Planzeichnungen dokumentiert „Fragments of Metropolis“ die noch existierenden Bauten zum Beispiel in Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen und Oberhausen. Entstanden ist aber nicht nur ein hervorragender Bildband: Ergänzt durch einen detaillierten Index und übersichtliche Karten, fordert das Buch dazu heraus, auf die Straße zu gehen und in seiner eigenen Stadt nach dem expressionistischen Erbe zu suchen.

 

Bild 1: Bottrop, Herz-Jesu-Kirche
Bild 2: Essen, Boerse – Haus der Technik
Bild 3: Datteln, Lutherkirche
Bild 4: Bochum, Bürohaus Bochumer Verein
Bild 5: Wanne-Eickel, Paketpost

 

„Wir hoffen, dass wir die Wahrnehmung des Expressionismus nicht nur in der Fachöffentlichkeit steigern, sondern auch bei den Menschen vor Ort ein größeres Bewusstsein schaffen“, sagt Christoph Rauhut. „Längst gehört der Expressionismus in anderen Kunstformen zum Kulturkanon – ausgerechnet dort aber, wo er jedem zugänglich ist, geriet er in Vergessenheit“, ergänzt Michael Schacke, Partner bei „Kümmerlein“.

 

„Diesen Schatz der Region wieder sichtbar zu machen, bietet eine große Chance auch für die Gegenwart: Nur wenn wir vergangene Epochen verstehen, können wir unsere Zukunft sinnvoll gestalten.“

 


 

Zum Buch
Niels Lehmann, Christoph Rauhut: Fragments of Metropolis
(Hirmer Verlag, ca. 29,90 €). Mit einem Vorwort von Paul Kahlfeldt.
Hirmer Verlag, ISBN 978-3-7774-2567-2.
Ca. 240 Seiten, ca. 150 Abbildungen in Farbe, 30 Planzeichnungen, Kartenmaterial

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr