Ruhrrevier

Was ist top an Duisburg?

Das ist eine gute Frage, weil sie ganz leicht zu beantworten ist: Fast alles nämlich!


Rainer Zimmermann erkundet Duisburg per Rad

Natürlich kenne auch ich die – in großen Teilen durchaus berechtigte – Kritik an der wirklich nicht rosigen Lage auf dem Arbeitsmarkt und an den Defiziten bei der Umwandlung und Neunutzung der riesigen industriellen Brachflächen. Doch muss man hier bedenken, wo diese Stadt herkommt: Wenn man einst zu den größten Förder-Standorten für die Kohle gehört hat und aktuell immer noch der größte Stahl-Standort in ganz Europa ist, prägt das selbstverständlich Skyline und Leben in dieser Großstadt am Rhein.

Und diese herausragende Lage an Deutschlands größtem Strom ist auch die originäre Ursache für die frappierend- faszinierende Ambivalenz, die an Duisburg so fesselt. Zum einen sind die mit Abstand bedeutendsten Arbeitgeber – die Stahlunternehmen ThyssenKrupp und Mannesmann sowie der Hafen – ohne diese Lage am Zusammenfluss von Ruhr und Rhein nicht denkbar, zum anderen sorgen diese Flüsse auch dafür, dass die Stadt über ein Potenzial an Erholungs-Oasen verfügt, die im Ruhrgebiet nicht zu toppen sind; denn abseits der Industrieanlagen haben sich die Zeugnisse der typischen niederrheinischen Landschaft in bemerkenswerter Weise behauptet – auch dank fürsorglicher Pflege durch alle Verantwortlichen.

Als begeisterter Hobby-Radler möchte ich Sie deshalb auf eine kleine gedankliche Freizeit-Reise von der nördlichen bis an die südliche Stadtgrenze mitnehmen.

Im Norden laden die herrlichen Walsumer Rheinauen inkl. der Rheinfähre nach Orsoy und der Mattlerbusch mit seiner 1a-Niederrheintherme zum Verweilen und zum Erholen ein.

Hat man auf innerstädtischen Straßen die gewaltigen Aggregate der Stahlküche passiert, kommt man in den Landschaftspark Nord, ein vielfach ausgezeichnetes Muster-Beispiel für die Umwandlung eines alten Stahlwerksgeländes in eine Freizeit-Top-Adresse: Free-Climbing an alten Hochöfen, Tieftauchen in einem ehemaligen Gasometer, Nachtführungen, 24-Stunden-Fahrrad-Rallye sowie Opern- und Filmaufführungen in spektakulären Kulissen: atemberaubend.

Das trifft auch auf unser nächstes Ziel zu, den Duisburger Hafen. Doch bevor wir ihn erreichen, lohnt ein Abstecher in die Meidericher Kleinkunstbühne, einer wunderbaren Kultureinrichtung, die wie der Steinhof im Süden, Gramatikoff und Säule am Dellplatz oder der Steinbruch im Universitäts-Viertel tolle Belege für das kleinteilige, private kulturelle Leben in dieser so aufgeschlossenen Stadt sind.

Auf unserem Weg nach Ruhrort kreuzen wir ein anderes Alleinstellungs-Merkmal der Stadt, in der einst der große Kartograf und Geografh Gerhard Mercator gelebt und gelehrt hat: die allgegenwärtigen Kanäle oder Flüsse, die es ermöglichen, die 25 km lange Ausdehnung von Nord nach Süd zu großen Teilen am Wasser oder in Grünanlagen abzuradeln. Vorbei an Emscher und Ruhr erreichen wir das Kerngelände von ,duisport‘, dem nach seriösen Berechnungen größten Binnenhafen Europas, der mehr als 45.000 Menschen Arbeit bietet (das Top-Magazin hat diese Erfolgsstory in der Ausgabe 1/16 ausführlich gewürdigt). Absolut empfehlenswert: Eine Hafenrundfahrt am Steiger Schwanentor (Innenhafen) oder Schifferbörse (Ruhrort). Vorbei an einem Riesen-Wirrwarr an Kränen, Containern und Frachtschiffen fahren wir über den Ruhrdeich auf den letzten Kilometern des berühmten Ruhr-Radwanderweges bis zur Skulptur ,Rheinorange‘, die weit sichtbar die Ruhrmündung dokumentiert.

Idyllisch vorbei an Uferwäldern und Schafherden radeln wir unter der A40-BAB-Brücke hindurch und queren den Rhein Richtung Rheinhausen über die ,Brücke der Solidarität‘, die ihren Namen in Erinnerung an den legendären Arbeitskampf der Kruppianer erhielt, der Ende der 80er Jahre die Republik in Atem hielt. Quer durch deren ehemaliges Werksgelände – inzwischen ebenfalls dank ,duisport‘ ein hervorragendes Beispiel für gelungenen Strukturwandel – geht’s in eine der schönsten Ecken dieser (Industrie)Stadt, nämlich in das Straßendorf Friemersheim, ein wahrlich idyllisches Fleckchen, wo man sich zwischen Deich, Dorfkirche und altem Lehrerhaus in die Anfangsjahre des vorigen Jahrhunderts zurückversetzt wähnt, ein absolutes Ausflugs-Highlight!

Zurück auf der rechten Rheinseite, wahlweise über die Hochfelder Eisenbahn- oder die Uerdinger Straßenbrücke, bietet der Duisburger Süden wieder dieses einmalige Kontrastprogramm, das für Duisburg so typisch ist: Riesige Rheinauen in Mündelheim und das Dörfchen Serm in unmittelbarer Nähe zu dem riesigen Hüttenwerk von Krupp-Mannesmann. Nachdem wir anschließend die preisgekrönte, einer Achterbahn nachempfundene Landmarke ,Tiger&Turtle-Magic-Mountain‘ erklommen haben, radeln wir durch den Biegerpark und entlang des riesigen Waldfriedhofes zum nächsten Duisburger Freizeit-Höhepunkt: Die Sechs-Seen-Platte in Wedau ist ein geradezu maritimes Erholungsgebiet mitten in der City mit allen nur erdenklichen Aktivitäten: Segeln, (FKK)-Baden, Wasserski-Anlage, Rudern, Wandern und einer Kletteranlage für die ganz Wagemutigen.

Nach einem kurzen Blick auf die imposante MSV-Arena geht es durch den Stadtwald ins Königreich Duissern, wo Universität, Kaiserberg und der bundesweit bekannte Zoo weitere attraktive Facetten im Stadtbild sind. Am nördlichen Ende des Kaiserberges haben wir fast wieder die Ruhr erreicht und biegen nun in den Innenhafen ein, die nächste ,must-have-location‘: mit seinen imposanten umgebauten Getreidespeichern, den gleich drei Museen und unzähligen gastronomischen Angeboten die absolute Kultur- und Partymeile von Duisburg – übrigens in ständiger produktiver Konkurrenz zum naheliegenden Dellplatz mit dem beliebten ,kommunalen filmforum’.

Direkt daran angrenzend endet unsere knapp 60-km-Rundreise in der City. Zunächst beeindruckt hier der Burgplatz mit Salvatorkirche und imposantem Rathaus. Und dann belegt die mehr als einen Kilometer lange Einkaufsmeile mit Forum und Königs-Galerie sowie inkl. seiner Brunnenzeile, dass Duisburg auch in Sachen Cityentwicklung endlich den Tiefschlaf überwunden hat.

In einem der zahlreichen Cafés am König-Heinrich-Platz genießen wir das eindrucksvolle Ensemble von City-Palais (Heimat der Duisburger Philharmoniker und der Spielbank), Liebfrauenkirche und Stadttheater (hier ist die renommierte ,Deutsche Oper am Rhein‘ zu Hause) und lassen die Stadtrundfahrt noch einmal Revue passieren. Zwei Ergebnisse drängen sich dabei auf:

  1. Wir kommen wieder, mit Sicherheit.
  2. Wieso schaffen es die Stadt und ihre Marketing-Gesellschaft einfach nicht, diese wunderbar-lebendige Stadt so zu vermarkten, wie wir sie gerade erlebt haben? In diesem Punkt können wir kein ,top‘ vergeben, leider.
Artikel von www.top-magazin.de/ruhr