Ohne Bauhaus kein Ikea

Vor 100 Jahren begann in Weimar die stilistische Ablösung des Ornamentalen durch eine funktionale Schlichtheit. Bis heute prägt das Bauhaus die Art, wie wir leben.

Wo stünden wir heute, wo säßen wir heute, wohin blickten wir von dort aus, wenn es das Bauhaus nicht gegeben hätte? Niemand denkt mehr darüber nach, wenn wir uns in einen „Wassily Chair“ von Marcel Breuer setzen oder in den Sessel „F 51“ von Walter Gropius, eines der ersten Bauhaus-Möbelstücke. Wir trinken aus dem Teegeschirr aus Jenaer Glas, welches Wilhelm Wagenfeld entworfen hat und überspielen die Dämmerung mit der berühmten Glaslampe von Wagenfeld und Jucker. Trotz der schnelllebigen Zeit erstaunt es, dass das Bauhaus gerade einmal vierzehn Jahre in Deutschland Bestand hatte, bevor politische Intervention die Schließung veranlasste.

 

Kubisch, gläsern, funktionale Schlichtheit

Bereits im konservativen Weimar, wo Gropius 1919 die Institution als Gründungsdirektor leitete, wollte man der Idee einer Zusammenführung von Kunst und Handwerk bis hin zur Architektur im doppelten Sinn keinen Raum mehr bieten. Und so wechselte das Bauhaus 1925 nach Dessau. Das bis heute dort bestehende Schulgebäude spiegelt exemplarisch den Grundgedanken aller handwerklichen und ideologischen Ideen. Die von Walter Gropius entworfenen Meisterhäuser für die Lehrenden gehören heute zum Weltkulturerbe. Bar jedweder verzierender Elemente waren sie gestaltet; kubisch, gläsern und in funktionaler Schlichtheit. Doch es lagen auch gerade darin einige Probleme, wie etwa die Transparenz der Räume, die von außen weitgehend einsehbar waren und das Privatleben der Familien einschränkten. Einige der Bewohner hat es zudem gestört, dass die Flanierenden sogar in den umgebenden Gärten herumspazierten.

Neben der Direktorenvilla von Gropius teilten sich die Bauhausmeister László Moholy-Nagy und Lyonel Feininger, Georg Muche und Oskar Schlemmer sowie Wassily Kandinsky und Paul Klee die drei anderen von Gropius entworfenen Doppelhäuser. Die Inneneinrichtung wurde nach den Wünschen der Bewohner farbig gestaltet: von hellem Grün über Gelb, Rosa, Blau, Hellgrau bis hin zu – wie heutzutage leider bei vielen kommerziellen Einrichtungen – Schwarz. Muche hat es auf die Spitze getrieben mit einem schwarz gestrichenen Schlafzimmer, das er jedoch umgehend wieder geändert haben soll. Bei Kandinsky wiederum war eine Nische sogar mit Blattgold versehen. Konsequent an den propagierten Bauhausstil haben sich nur Gropius, Moholy-Nagy und Muche gehalten. Sehr gemütlich waren die Stahlrohrsessel von Marcel Breuer allerdings nicht, wie man heute noch merken kann, wenn man sich darauf niederlässt. „Form follows function“ – nun ja, begrenzt. Dennoch, erstaunlich genug, ist er noch immer ein „must have“ für eine „stylish“ geltende Designereinrichtung. Die heute so selbstverständlichen, praktischen Kücheneinrichtungen bekannter Möbelhäuser, einschließlich der Durchreichen zum Esszimmerbereich, sowie Heizung, warmes Wasser und ein Bad waren ein bis dato seltener Luxus. Geschätzt wurden auch die 45 Quadratmeter großen Ateliers, Raum genug für legendäre, ausgelassene Feste, die auch außerhalb des Schulgebäudes stattfanden.

 

Die Frauen am Bauhaus

Es gab am Bauhaus neben den großen Meistern eine stattliche Anzahl von berühmt gewordenen Studenten, etwa – wie schon erwähnt – Wilhelm Wagenfeld mit seinen Entwürfen der Glaslampe, die noch heute ebenfalls verkauften Eier- kocher, das metallene Tee- und Kaffee- service oder die Salz- und Pfefferstreuer mit Namen „Max und Moritz“, die noch immer unseren Frühstückstisch bestücken.

Auch viele Stoffmuster, die seinerzeit entwickelt wurden, sind bis heute im Umlauf, beziehungsweise kehren allmählich wieder zurück. Sie stammten zumeist von Frauen aus der Webereiwerkstatt. Gunta Stölzl, seit 1919 Studentin am Bauhaus, wurde 1927 als einzige Frau am Bauhaus zu einer Meisterin ernannt. Sie hatte sich das alles schwer erkämpft. Gerade erst hatten die Frauen das Wahlrecht erhalten. Zudem litten die meisten Leute noch unter den Folgen des Krieges. So stromerte Gunta Stölzl notgedrungen durch Weimar, klingelte an Haustüren und erbat sich Wollreste, um ihre Arbeit am Webstuhl machen zu können.

Die Frauen am Bauhaus: Ja, das war nicht nur ein Schock für die Dessauer Bürger. An den Anblick von Frauen in Männerkleidung, sprich Hosen, und kurz geschnittenem Haar mussten sich viele in der damaligen Zeit erst gewöhnen.

Ausgewandert in die USA

Aber auch Dessau war kein bleibender Ort für das Bauhaus. Das Naziregime schloss 1932 die Schule. Versuche, sie als privates Institut in Berlin noch weiterzuführen, scheiterten endgültig 1933.

Viele der Bauhauslehrer waren bereits ausgewandert. Unter ihnen László Moholy-Nagy, der 1937 das „new bauhaus – American School of Design“ in Chicago übernahm. Zwei Jahre später gründete er die private „School of Design“, die 1944 in „Institute of Design“ umbenannt wurde und Hochschulstatus erhielt.

 

Bauhaus lebt!

Die Auswirkungen des Bauhauses sind bis heute in sehr vielen Ländern spürbar, wenngleich es unzutreffend ist, von einem einheitlichen Bauhaus-Stil zu sprechen, den es nicht gibt. Auch wenn viele Dinge unseres Umfeldes – sei es in der Malerei, dem Bühnenbild, der Fotografie, in Inneneinrichtung oder Architektur – unter diesem Label firmieren. Man darf nicht vergessen, dass die berühmten Namen allesamt als Künstler Individuen waren, und als solche unser Leben bis heute gelegentlich beeinflussen.

Wie modern und vorausschauend aus unserem heutigen Blickwinkel etwa Johannes Itten seine Lernkurse gestaltete, ist schon erstaunlich. Yoga oder Pilates sind nicht so ganz weit entfernt von dem, was Itten seinen Schülern vermitteln wollte. Alte Heilslehren und Meditation waren stets der Beginn eines jeden Unterrichts. Atem- und Konzentrationsübungen waren für ihn immens wichtig um locker zu werden, wie er sagte, denn sonst könne man ja gar nicht arbeiten. Geistige und körperliche Bereitschaft als Voraussetzung schöpferischer Menschen.

Itten war der erste Meister, den Gropius an das Bauhaus berief. Itten entwickelte dort auch seine bis heute prägende Farbenlehre in dem bekannten Stern. Seine speziellen Ideen und sein spiritueller Habitus nahmen allerdings zunehmend seltsame Züge an, so dass Gropius sich bald wieder von ihm trennte.

Der ursprüngliche Bauhaus-Gedanke lebt in all seiner Vielfalt durch die sehr unterschiedlichen Lehrmeister und ihre Schüler, von denen etliche aus dem Rheinland oder Westfalen stammen, bis heute weiter. Wie alle Entwicklungen ist auch diese keineswegs aus dem Nichts entstanden. Die Kunstgewerbeschulen zum Beispiel in München, Stuttgart, Krefeld oder Weimar unter der Leitung von Henry van de Velde, um nur einige zu nennen, haben ebenso Einfluss genommen wie die Expressionisten und Konstruktivisten oder die De Stijl-Gruppe um Theo van Doesburg, Gerrit Rietveld (mit seinem bekannten Sitzmöbel „Rot-blauer Stuhl“) und viele mehr.