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Lievelingsweg 112

Verrückter Zufall – Was schon in der Anschrift nach Feuerwehr klingt, ist tatsächlich Bonns Feuerwache Nummer eins. Im Bonner Norden zwischen Potsdamer Platz und dem Autobahnkreuz befindet sich das große Gelände mit der zentralen Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst, Verwaltungsgebäuden, einem Schlauch-Trockenturm, Desinfektionshalle, eigener Kfz-Werkstatt und einer Anlage zum Waschen der Schläuche. Auch der Amtsleiter hat hier seinen Dienstsitz.


 

Wer den Notruf 112 wählt, landet in der Leitstelle für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz im Lievelingsweg 112. Pro Jahr laufen hier rund 1.000 Brände und ca 33.000 Notfalleinsätze an. Fünf Rettungswagen, zwei Notarztfahrzeuge (nebst vielen Reservefahrzeugen) sowie unterschiedliche Löschfahrzeuge stehen hier permanent auf Abruf. Dass sich – abgesehen von der Polizei – alle Notfall-Hilfeleistungen bei der Feuerwache bündeln, liegt zum einen an der zusammengefassten kommunalen Zuständigkeit für Feuerschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz, zum anderen daran, dass sich die Fahrzeuge der Feuerwehr sehr vielseitig einsetzen lassen. Ob im Hochhaus, auf Bäumen, im Wasser oder anderem schwer zugänglichem Gelände (z.B. Gebirge), bietet die Feuerwehr mit einer Vielzahl an technischen Möglichkeiten die besten Vor­aussetzungen, um Menschen aus ganz unterschiedlichen Gefahrenlagen zu befreien. Es ist daher auch für jeden angehenden Feuerwehrmann oder -frau Pflicht, im Vorfeld eine Ausbildung zum Rettungssanitäter oder auch Notfallsanitäter zu absolvieren. Erst dann kann die 1 ½ jährige Ausbildung zum Feuerwehrmann/-frau erfolgen.

 

Schlafplatz über dem Einsatzwagen

Wer in der Feuerwache I den routinemäßigen Schichtdienst übernimmt, verbringt seine Zeit in Räumen, wie Kinder sie aus Feuerwehr-Bilderbüchern kennen: ein einladender Schlafraum mit Betten, auf dem Flur, direkt neben der Zimmertür, die Feuerwehruniform und daneben eine rote Flügeltür, die sich per Knopfdruck öffnet. Dahinter befindet sich eine Rutschstange, die den Beamten in Sekundenschnelle eine Etage tiefer bringt. Dort gibt es eine zweite Stange, die in der Fahrzeughalle direkt neben dem entsprechenden Einsatzfahrzeug endet. Am Abend wird bereits festgelegt, dass jeder Feuerwehrmann den Schlafplatz über seinem entsprechenden Rettungswagen bekommt.

Neben der Koordinierung von Hilfeleistungen und Rettungseinsätzen geschieht hier noch einiges mehr. So werden auf der Feuerwache I auch Pläne und Lösungen für vorbeugenden Brand- und Gefahrenschutz erstellt, Personal, Organisation und Einsätze geplant, für größere Kata­strophenfälle (wie z.B. Hochwasser) gibt es ein operatives Führungs- und Lagezen­trum. Hier werden im Ernstfall strategische Dinge, wie Essensversorgung oder eine Lageübersicht, besprochen und koordiniert. Auch sogenannte Einsatzleitwagen starten von der Feuerwache I. Sie bilden, beispielsweise bei größeren Unfällen, das Bindeglied zwischen dem Unfallgeschehen und der Leitstelle.

 

Amtsleiter Jochen Stein, dessen Büro ebenfalls hier ansässig ist, hat mit dem Top Magazin gesprochen:

 

Top: Herr Stein, Sie sind seit 2005 Leiter der Bonner Feuerwehr. Was zählt zu Ihren Hauptaufgaben, um die Sie sich täglich kümmern?

Jochen Stein: Als Leiter der Feuerwehr ist man natürlich nicht so häufig im Einsatzdienst tätig wie die Kolleginnen und Kollegen in den Wachabteilungen, wobei auch meine Kollegen und ich im Führungsdienst im 24-Stunden-Dienst eingesetzt werden.

Die Abteilungsleiter verantworten mit mir die strategische Ausrichtung der Feuerwehr Bonn. Ganz aktuell sind wir mit den politischen Entscheidungsträgern im Gespräch, um nach der Flut im vergangenen Jahr den Bevölkerungsschutz in der Bundesstadt Bonn neu aufzustellen.

 

Top: Wie hat es sich historisch entwickelt, dass bei der Feuerwache alle Notfälle anlaufen? Als Kind dachte ich immer: Feuerwehr, Polizei, Krankenwagen, das sei strikt getrennt. War die Feuerwehr als erste große „Notfall-Organisation“ am besten organisiert?

Jochen Stein: Die Verantwortung für die unterschiedlichen Themenfelder ist in Ländergesetzen geregelt. Demnach sind in NRW die Kommunen für den Feuerschutz und die Hilfeleistung zuständig. Als kreisfreie Stadt bei uns auch für den Katastrophenschutz und den Rettungsdienst. Thematisch lassen sich die unterschiedlichen Schwerpunkte gut zusammenfassen, da es in der Planung und der täglichen Arbeit eine intensive Verzahnung zwischen Feuerschutz, Rettungsdienst und Kata­strophenschutz gibt.

Im Einsatz hat sich die multifunktionale Einsetzbarkeit der Fahrzeuge und Einsatzkräfte vielfach bewehrt.

 

Top: In allen Städten sieht man diese großen viereckigen Türme, von denen es immer heißt, dort hingen Feuerwehrschläuche. Ist das noch so?

Jochen Stein: In Bonn haben wir auch einen Schlauchtrockenturm, in dem die Schläuche auf natürliche Weise lufttrocknen. Es gibt mittlerweile auch technische Anwendungen, um die Schläuche nach der Prüfung und Wäsche maschinell zu trocknen, diese ist jedoch nicht so ressourcensparend. Zudem wird der Turm auch für Übungen und als Sendemast multifunktional genutzt.

 

Lufttrocknung im Schlauchtrockenturm

 

Top: In der Hauptwache laufen jährlich 10.000 Notarzteinsätze an, das sind 27 pro Tag. Das klingt bei einer Einwohnerzahl von 330.000 Bürgern nicht so viel. Sind das nur die Einsätze, die auf der Hauptwache koordiniert werden oder gesamt Bonn?

Jochen Stein: Die Einsätze kommen im gesamten Stadtgebiet über das Jahr verteilt zusammen. Die Notärzte kommen vor allem bei lebensbedrohlichen Situationen zum Einsatz, wenn sich das Meldebild beim Notruf entsprechend darstellt oder Rettungswagenbesatzungen vor Ort weitere medizinische Hilfe benötigen. Der überwiegende Teil der Einsätze im Rettungsdienst wird von Rettungswagen ohne Notärzte bearbeitet. Das sind zusätzlich nochmal 30.000 Einsätze. In der Leitstelle gehen täglich je nach Wochentag zwischen 200 und 300 Notrufe und eine große Zahl von weiteren Anrufen ein.

 

Über die Stange gelangen die Feuerwehrleute blitzschnell zu ihrem Fahrzeug.

 

Top: Was ist – im privaten Bereich – derzeit die Brandursache Nummer eins?

Jochen Stein: Die Ursache für Brände wird von der Polizei ermittelt. Am häufigsten sind es aber wohl das angebrannte Essen auf dem Herd und Brände von Elektrogeräten. Wir stellen allerdings fest, dass durch die Vielzahl an Materialien, die heute in den meisten Haushalten zu finden sind, Brände anders ablaufen, als es früher der Fall war. Kissen, Sofas, Teppiche und Möbel sind sehr oft aus Kunststoff oder damit beschichtet, was zu einer sehr viel stärkeren Rauchentwicklung beiträgt. Die toxischen Gase sind hierbei die große Gesundheitsgefahr. Die klassische Eichenmöbelgarnitur von damals brannte auch schnell, entwickelte aber nicht so viel Rauch.

 

Top: Die Feuerwehr hilft auch bei Badeunfällen, muss jeder Feuerwehrmann/frau auch eine Tauchausbildung haben? Und weshalb steht so oft ein Feuerwehrwagen auf der Bonner Seite unterhalb der Kennedybrücke?

Jochen Stein: Die Feuerwehr Bonn hat keine eigene Tauchergruppe. In der Grundausbildung wird jedoch das Rettungsschwimmabzeichen erworben.

Für Einsätze auf dem Wasser halten wir eine Wasserrettungseinheit vor, die auf der Feuerwache 2 in Beuel stationiert ist. An der Kennedybrücke befindet sich der Steiger der Feuerwehr Bonn, an dem das Feuerlöschboot und ein Rettungsboot festgemacht ist. Beide Wasserfahrzeuge werden täglich von den Einsatzkräften auf ihre Funktion hin kontrolliert. Häufig setzt sich Treibgut an den Steigern fest oder bei Niedrigwasser muss die Befahrbarkeit bewertet werden.

 

Top: Wie läuft eigentlich die Koordinierung der Freiwilligen Feuerwehr? In manchen Bonner Stadtteilen erklingt regelmäßig die Sirene, ist das der Einsatzruf oder werden freiwillige Helfer auch über Handy/Funk/etc. mobilisiert?

Jochen Stein: In Bonn werden die Lösch­einheiten der Freiwilligen Feuerwehr über Funkmeldeempfänger (Piepser) alarmiert. Die Sirenen dienen nur der Warnung der Bevölkerung. Im angrenzenden Rhein-Sieg-Kreis werden die Einheiten auch per Sirene gerufen, der Schall ist häufig auch bei uns zu hören.

Im Einsatz werden die ehrenamtlichen Einheiten gleichwertig zu denen der Berufsfeuerwehr eingesetzt. Gerade in den Randbereichen der Stadt sind die Einheiten mitunter auch schneller an den Einsatzstellen und somit ein unverzichtbarer Bestandteil der Gefahrenabwehr. Die Einheiten der Freiwilligen Feuerwehr sind außerdem bei besonderen Einsatzlagen wie Großbränden, Unwettern oder Gefahrstofflagen eine hervorragende Unterstützung.

 

Zentrale Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst

 

Top: Woher wissen die Berufsfeuerwehrleute auf wieviel freiwillige Helfer sie zählen können?

Jochen Stein: Die Anzahl der ausrückenden Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr ist tagesaktuell nicht vorherzusagen. Einheiten mit geringerer Anzahl an aktiven Einsatzkräften werden mit Nachbareinheiten zusammen alarmiert, sodass diese sich personell ergänzen. Wird mehr Personal an der Einsatzstelle benötigt, können wir auf 18 Einheiten und rund 570 Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr zurückgreifen und diese rund um die Uhr alarmieren.

 

Top: Erzählen Sie kurz von Ihrem Werdegang bis zum Amtsleiter.

Jochen Stein: Ich bin schon seit dem 12. Lebensjahr zunächst über die Jugendfeuerwehr und die Freiwillige Feuerwehr dabei. In München habe ich allgemeinen Maschinenbau studiert und bei der Feuerwehr München meine zweijährige Referendarausbildung absolviert. Bei der Feuerwehr Mönchengladbach war ich viele Jahre als Abteilungsleiter im Vorbeugenden Brandschutz und dann in der Einsatzdienstabteilung tätig, bevor ich Leiter der Feuerwehr Bonn wurde.

 

Frank Frenser, Pressesprecher der Feuerwehr Bonn, im Schlauchlager

 

Top: Der Beruf des Feuerwehrmanns/Feuerwehrfrau ist in der Regel überall hoch angesehen. Gibt es etwas, das Sie sich von der Politik wünschen würden in Bezug auf den Berufsstand?

Jochen Stein: In Zeiten von überschaubaren finanziellen Möglichkeiten der Stadtverwaltung müssen wir Investitionen gegenüber den politischen Entscheidungsträgern häufig sehr detailliert begründen, was jedoch auch nachvollziehbar ist. Für die Bedarfsermittlung erstellen wir alle fünf Jahre einen Brandschutz- und einen Rettungsdienstbedarfsplan.

Generell sind wir als Feuerwehr gut und zukunftssicher aufgestellt. Die Politik unterstützt uns dabei, dass dies auch so bleibt. Beispielsweise sollen alle Feuerwachen baulich erneuert werden.

 

Top: Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Artikel von www.top-magazin.de/bonn