Wirtschaft

Seltene Berufe – Schon mal was von Mystery shopper, Ziseleur, oder Büchsenmacher gehört?

Es gibt eine Menge seltener Berufe, die uns im Alltag kaum begegnen. Das liegt einerseits daran, dass es wenige Betriebe oder Unternehmen gibt, die in seltenen Berufen ausbilden, andererseits auch daran, dass die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gering ist. Zu den Seltenheiten zählen eine Reihe handwerklicher Tätigkeiten, aber ebenso Berufe aus den Bereichen Logistik oder IT.


 

Wer heute noch Ziseleur, Kürschner oder Büchsenmacher wird, erntet vielleicht ein Stirnrunzeln. Ist doch vom Aussterben bedroht, sagen die einen, als besonders bewahrenswert betrachten es die anderen. Tatsächlich gibt es viele Berufe nicht mehr, weil sie durch Technik ersetzt wurden oder in andere Berufe eingegliedert werden. So gehört die Tätigkeit eines Flexografen mittlerweile zum Ausbildungsberuf Mediengestalter Digital und Print, der Ziseleur wird bei Metallbauern ausgebildet. Zu den Seltenheiten zählen eine Reihe handwerklicher Tätigkeiten, aber ebenso Berufe aus den Bereichen Logistik oder IT.

Wo finden sich denn die seltensten Berufe und wie machen sich solche Raritäten auf dem Arbeitsmarkt? Top-Magazin Bonn hat nachgehört bei Monika Hackel vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BBIB) in Bonn.

 

Top: Frau Dr. Hackel, wenn jemand sagt, er möchte Kürschner oder Büchsenmacher werden, erntet derjenige dann ungläubige Blicke?

 

Monika Hackel: Sicherlich ist ein solcher Beruf erst mal exotisch und eher in einer Nische angesiedelt, nichtsdestotrotz gibt es sehr interessante Einsatzfelder für solche handwerklichen Traditionsberufe. Da gibt es faszinierende Geschichten und es bieten interessante Einstiege in ein Gespräch

 

Top: Was macht diese alten Berufe so besonders in ihren Augen?

 

Monika Hackel: Es handelt sich hier meistens um traditionsreiche Berufe mit einer langen Geschichte! Wer ein solches Handwerk lernt, kann etwas mit den Händen schaffen und handwerkliches Geschick vervollkommnen. Für die so erschaffenen Produkte, sei es Kleidung, Instrumente oder Werkzeuge, gibt es einen Markt. Er richtet sich an einen Kunden, der ein wertiges und individuell gefertigtes Produkt schätzt und bereit ist hierfür auch einen höheren Preis zu zahlen. Gerade in jüngerer Zeit wächst das Interesse an solchen Produkten.

 

Top: Finden sich heute mehr seltene Berufe im handwerklichen Bereich oder eher in der IT-Branche?

 

Monika Hackel: Die IT-Berufe gehören zu Recht zu den ausbildungsstarken Berufen. Bei diesen Berufen geht es darum, zunächst eine Grundlage im Bereich der IT zu legen und das notwendige Systemverständnis zu erlangen. Spezialisierungen (wie zum Beispiel: Gameentwicklung) können dann durch Weiterbildung erworben werden. Hier wäre ein Kleinst- oder Nischenberuf als Erstausbildung nicht zielführend. Die Kleinstberufe finden sich fast alle im Traditions- oder Kunsthandwerk (z.B. im Musikinstrumentenbau). Ausnahmen sind z.B.  Revierjäger/-in, Investmentfondskaufmann/-frau oder der Leichtflugzeugbauer/-in. Also sehr spezifische Berufe, die für einen kleinen Markt eine sehr spezifische Tätigkeit ausüben und hierfür ein breites Spektrum handwerklicher Tätigkeiten beherrschen müssen (zum Beispiel die Kombination von sehr präziser Holzbearbeitung und Metallbearbeitung beim Beruf Büchsenmacher/-in). In dieser Nische sind dann auch auf Dauer gute Chancen auf eine Berufskarriere für eine kleine Zahl von Spezialisten vorhanden. Manchmal erleben Traditionsberufe auch eine moderne Neujustierung, so werden zum Beispiel in jüngerer Zeit Segelmacher/-innen auch beim Bau von Sportarenen oder Flughäfen gebraucht, weil die Architektur technische Textilien einplant. Da werden Absolventen mit einem Berufsabschluss in einem Nischenberuf schnell zu modernen und gefragten Hightech-Fachkräften.

 

Top: Was würden Sie jungen Leuten raten, wenn sie sich für einen seltenen Beruf entscheiden?

 

Monika Hackel: Zunächst ist es gut sich die Vielzahl der vorhandenen Berufe anzuschauen und auch Prioritäten für sich zu setzten. Dabei gilt es natürlich auch zu entscheiden, ob ich räumlich einen Wohnortwechsel in Betracht ziehe.  Wenn ich das für mich beantwortet habe, kann ich recherchieren, wo Ausbildungsbetriebe vorhanden sind und ob die spezifische Ausrichtung für mich interessant ist. Dann würde ich empfehlen, Kontakt aufzunehmen und wenn möglich ein Praktikum zu machen oder einmal Probe zu arbeiten. Dabei wird dann schnell klar, ob das notwendige handwerkliche Geschick oder, wie z.B. beim Instrumentenbau, das zusätzlich notwendige musikalische Talent vorhanden ist und Leidenschaft für den Beruf geweckt werden kann. Oft erwächst daraus dann ein Ausbildungsvertrag.

 

Top: Gibt es Möglichkeiten trotz eines Nischenberufes das Berufsumfeld später noch zu wechseln?

 

Monika Hackel: Die Wahl eines Traditionsberufs ist keine Sackgasse. Da die Betriebe oft klein sind, wird hier auch meist für den vorhandenen Bedarf ausgebildet. Es gibt Weiterbildungsmöglichkeiten zum Beispiel zum/zur Meister/in oder zum/zur Restaurator/-in im Handwerk, die auf der zweiten und dritten Fortbildungsebene liegen und damit vergleichbar sind mit universitären Abschlüssen. Und auch wenn ich einmal wechseln möchte, stehen mir mit den spezifischen Fertigkeiten, die ich hier erworben habe, Türen in anderen Berufsfeldern in der Industrie oder auch in der Denkmalpflege offen.

 

Top: Herzlichen Dank!

 


 

Zur Person:

Dr. Monika Hackel ist Abteilungsleiterin
für Struktur und Ordnung der
Berufsbildung beim Bundesamt für
Berufsbildung. Ihre Schwerpunkte sind u.a.
Qualifikationsforschung sowie Innovation in
der beruflichen Bildung.

 

 

 


 

Viele Nischen- und Kleinstberufe sind handwerklicher Natur. Es gibt aber auch andere Berufe, die kaum bekannt und ziemlich skurril sind. Wir stellen von beiden Kategorien ein paar vor:

 

Ziseleur: Heavy metal ist hier nicht bloß eine Musikrichtung. In diesem Beruf geht’s eher um die Feinarbeit. Ziseleure arbeiten ähnlich wie Steinmetze mit Meißel und Feile und bearbeiten Metall oder gießen Bronze um Embleme und Skulpturen herzustellen. Das Metall wird hierbei nicht geschnitten, sondern plastisch verformt. Ein Ziseleur modelliert aber auch Muster in das Metall.  So entsteht durch die Ziselierung eine neue Oberfläche, das Relief. Ziseleure arbeiten im Bereich Modellbau oder in Gießereien. Seit 1998 ist der Beruf als spezielle Fachrichtung bei den Metallbildnern integriert.

 

Büchsenmacher: Achtung an alle Revolverhelden und solche, die es werden wollen. Büchse meint hier nicht die Rollmopsdose aus dem Supermarkt, sondern ein Gewehr mit gezogenem Lauf. Das ist die sogenannte “Büchse”. Ein Büchsenmacher stellt aber auch Flinten und Kurzwaffen wie Pistolen und Revolver her. Er gibt den Handfeuerwaffen die gewünschte Oberfläche, das finish, montiert am Ende alles zusammen und ist zuständig für alle Wartungs- und Reparaturarbeiten. Selbstverständlich darf er die Waffe auf dem Schießstand auch einem Präzisionstest unterziehen. Ein ruhiges Händchen ist von Vorteil!

 

Kürschner: Einer der ältesten Handwerksberufe. Und da sich die Mode- und Einrichtungsindustrie immer gerne mit Pelz schmückt, braucht es einen Kürschner für alle Fälle. Verzeihung. Felle natürlich. Ob Mantel, Stola oder Mütze, Kleidungsstücke aus Pelz werden in Handarbeit gefertigt. Wenn Großhändler oder Jäger das Material liefern, beginnt für den Kürschner die Arbeit: Die Felle werden ausgebessert, zurechtgeschnitten, gedehnt und anschließend zusammengenäht. Die Bezeichnung Kürschner leitet sich übrigens vom althochdeutschen Wort “Kursina” ab, was in etwa Pelzrock bedeutet.

 

Königlicher Schwanenmarkierer: Dieser Beruf ist so exklusiv wie selten: “Swan Upping”, wie es sich in Großbritannien nennt, ist eine jährlich stattfindende Zählung aller königlichen Schwäne. Denn die Schwäne auf britischen Flüssen und Teichen gehören der Krone, so will es eine Tradition seit dem 12. Jahrhundert. Zur damaligen Zeit galten Schwäne als Köstlichkeit bei Banketten und Festen. Heute gilt die Zählung dem Schutz der Tiere. Das procedere unterliegt strengen Regeln: fünf Tage lang fahren uniformierte Männer auf sechs Ruderbooten die Themse entlang und zählen die Schwanenfamilien. Seit knapp 30 Jahren ist David Barber Mitglied der royalen Dynastie: Her Majesty’s Royal Swan Marker. Einzigartig!

 

Golfballtaucher: Definitiv skurril. Dieser nicht nur in den USA angesiedelte Beruf beinhaltet das Bergen von aus Gewässern auf Golfplätzen fehlgeschlagenen Golfbällen sowie deren weitere Veräußerung als Gebrauchtware. Jährlich gehen 100 Millionen Golfbälle verloren, ein Drittel hiervon wird schätzungsweise wiedergefunden. Wer die kleinen Kugeln bergen möchte, muss  – neben der Tauchereignung – angstfrei von Schlangen, Alligatoren oder Schnappschildkröten sein, zumindest in den USA. Auf deutschen Golfanlagen haben die Taucher mit Schlingpflanzen, Algen oder Bisamratten zu kämpfen. Das Entgelt für das “weiße Gold” richtet sich nach der Anzahl wieder-ertauchter Bälle. Überraschung: Hin und wieder finden sich auch Handys, Autoschlüssel oder Brillen.

 

Mystery-Shopper: Nein, hier wird keine Rolle für einen Actionfilm gesucht, sondern jemand, der den Service testen soll. Wie beraten die Verkäufer den Kunden, sind sie aufmerksam, wie sieht es in dem Geschäft aus, passen Preis- und Namensschilder, ist es sauber? Worauf der mystery shopper achten soll, legt der jeweilige Auftraggeber fest. Marktforschungsinstitute führen auf diese Weise mehrere tausend Tests jährlich durch. Der Tester füllt am Ende ein Ergebnisprotokoll aus, ohne Verkäufernamen, kein Mitarbeiter wird hier denunziert. Was dann mit den Daten der Testprotokolle passiert, entscheiden die Firmen. Manche wollen sich intern verbessern, andere entscheiden sich für eine Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut.

 

Robotertrainer: Damit die künstliche Intelligenz immer weniger künstlich wird und mehr menschliche Züge annimmt, braucht es jemanden, der den Roboter trainiert. So soll die hochtechnisierte Maschine lernen, Gesicht und Stimme ihres menschlichen Gegenübers zu erkennen. Voraussetzung für diesen Beruf ist ein Studium der Informatik, Mechatronik oder Ingenieurswissenschaften. Hier geht es aber nicht nur um menschenähnliche Roboter, sondern auch um Kleinroboter und Schwerlastgiganten. Auch sie müssen programmiert, gewartet und repariert werden.

 

Thermometermacher: Gliedert sich in Thermometerbläser und Thermometerjustierer. Vom Thermometerbläser wird ein vorgefertigtes Glasrohr mithilfe eines Brenners in die gewünschte Form gebracht. Dies geschieht durch Ziehen, Drehen oder Blasen des Glasrohrs über einer heißen Flamme. Anschließend wird das Röhrchen mit einer roten oder blauen Flüssigkeit befüllt (z.B. Alkohol), die später die Temperatur anzeigt. Die Thermometerjustierer bringt anschließend – wenn das Röhrchen in Eis oder heißem Wasser steht – die Markierungen an der richtigen Stelle an.

 

 

 

 

Artikel von www.top-magazin.de/bonn