Menschen

Die Geschichte der Familie von Fürstenberg

Die Geschichte einer fast ganz normalen Familie, ihre Wurzeln in der Vergangenheit, ein altes Schloss, als ganz besonderes Erbe und Pläne für eine neue Zukunft.


Familie von Fürstenberg

Es grenzt fast an ein Wunder, dass es dieses Kind wirklich bis ins Leben geschafft hat. Zur Welt nämlich kommt Maximilian als Sohn des Freiherrn Adolf von Fürstenberg und seiner Gattin Yvonne am 5. Juni 1972 als Sieben-Monats-Kind. Keine Selbstverständlichkeit, dass der kleine Kerl das in den 1970er-Jahren übersteht. Bis er zum stattlichen Stammhalter derer von Fürstenberg herangewachsen ist, übersteht er mit nur sieben Jahren auch noch eine Meningitis. Überlebt als einziger von damals vier Krankheitsfällen die gefährliche Gehirnhautentzündung ohne jede Nachwirkung. So besucht er in Düsseldorf die Maximilian-Grundschule.

Der Weg dorthin führt den Jungen durch den Stadtpark – erste Quelle seiner botanischen Leidenschaft, die der Freiherr bis heute konsequent pflegt. Die bekommt auch sein Gymnasium zu spüren, das Internat Birklehof in Hinterzarten: Gemeinsam mit einem Freund verwandelt er das Internatszimmer in einen Tropenraum, damit dort die geliebten Orchideen gedeihen können. Die Liebe zu den edlen Pflanzen hat er bereits vom Urgroßvater geerbt, der auf Hugenpoet eine der artenreichsten Züchtungen hatte und der neugegründeten Deutschen Orchideen-Gesellschaft vorstand. Den Lehrer


Nur wer die Tradition lebt, kann sie auch verändern. Man muss die Regeln der Gesellschaft beherrschen, ohne sie jedoch kritiklos zu befolgen.


im Internat tröstete das kaum über den Jungenstreich im Klassenzimmer hinweg, dennoch hatte der Urheber 1993 sein Abitur in der Tasche. Damit tritt der junge Herr Baron in Mülheim beim Theodor-Fliedner-Werk zum Zivildienst an und lernt weiter fürs Leben: zwei Jahre lang den Umgang mit behinderten Menschen – eine Zeit voller liebevoller Anekdoten, heute in der Rückschau. Und dann – dann widersetzt sich der Erstgeborene und Erbe des Fürstenberg’schen Familienunternehmens der klassischen Erwartung: Das Studium der Jurisprudenz oder der Betriebswirtschaft ist für diese Aufgabe eigentlich Programm. Nicht aber für den jungen Baron: Er schreibt sich an der Universität zu Köln für Klassische Archäologie, Früh- und Ur-Geschichte sowie Alte Geschichte ein; bringt das schließlich in Bonn zu Ende. Eine Rebellion mit Augenmaß:


„Ich wusste, dass ich den Familienbetrieb einmal führen würde. Da wollte ich vorher noch etwas zu meinem puren Vergnügen tun“, sagt der Baron


der Hobbys förmlich sammelt. Archäologie und Geschichte, Botanik im Allgemeinen und Orchideen im Besonderen, Astronomie und Wolkenbilder, aber auch Musik. Das teilt er heute mit seiner Gattin Stephanie. Er spielt Klavier, sie Saxophon, Klarinette und Querflöte. Und sie geben es an ihre fünf Kinder weiter.

Als Kind, da spielte die kleine Stephanie leidenschaftlich gerne im Schlamm – junge Gräfin hin, geborene Adelmann von Adelmannsfelden her.


„Glückliche Kinder dürfen schmutzig sein“


ist die heutige Stephanie Freifrau von Fürstenberg an der Seite ihres Gemahls Maximilian Herrin über Schloss Hugenpoet, noch immer felsenfest überzeugt. Klar also, dass ihre eigenen fünf Kinder ganz fröhlich und wenig herrschaftlich nach diesem Prinzip groß werden dürfen. Es war eine glückliche Kindheit im Hause der Grafen Adelmann von Adelmannsfelden – ein Elternhaus, das stets offene Türen pflegte, schöne Feste feierte und viele Tiere hatte. Und weil der Vater beim Heereskommando eingesetzt war, kam die Familie mit Stephanie und den drei jüngeren Geschwistern viel herum.

Der Herr Papa sprach Französisch und war Computer-Spezialist – Ende der 1970er Jahre noch eine absolute Seltenheit. Bonn und Bad Godesberg, Meckenheim und Kassel, vor allem Paris und Plaisir, jener hübsche Vorort zwischen Versailles und der Metropole, werden also zu den Orten, die die Jugendzeit prägen. Die junge Stephanie besucht die Deutsche Schule in Paris, beherrscht die französische Sprache in Perfektion und legt schließlich 1996 in Bonn die deutsche und die französische Reifeprüfung ab. Dazwischen tollt die Bande der Geschwister durch eine fröhliche Jugend, denn für Vater und Mutter stehen die Bedürfnisse der Kinder ganz vorne an.

Vor allem Plaisir, macht seinem Namen alle Ehre, beschert den Grafen Adelmann von Adelmannsfelden, ob groß oder klein, Freude und Glück. Auch Kassel wird für die vier Kinder zum Eldorado, dank vieler Baustellen und einem Baggersee. Da darf man nach Herzenslust im Schlamm spielen, „das war einfach toll für uns“. Stephanie ist von Kindheit an vernarrt in Tiere, liebt es zu Malen und zu Zeichnen, alles was kreativ ist. Daneben prägen dezent die Herkunft und das angeborene Umfeld den Umgang und die Umgangsformen. Für Stephanie kein Problem. Man kommt einfach früher in Kontakt mit gesellschaftlichen Verpflichtungen, läuft durch die normale Benimmschule, lernt, anderen Menschen Respekt zu zollen. Nichts Besonderes, denn alle tun das. Tradition ist im Leben allgegenwärtig. Und eine besondere Verantwortung hält Einzug, als der Vater ein Jahr nach ihrem Abitur stirbt. Die Mutter managt von da an in Bad Godesberg die Familie.


„Und ein bisschen habe ich da schon als große Schwester Familie gelernt.“



Eigentlich ist es ein kleiner Zufall, dass sich Gräfin Stephanie Adelmann von Adelmannsfelden und der Freiherr Maximilian von Fürstenberg begegnen. Natürlich kennen sich die Familien schon lange, die Väter gehen gemeinsam jagen. Und dennoch trifft sich die junge Generation erst mit über 20 Jahren auf dem gemeinsamen Parkett. In einem Roman läse sich das etwa so:


„Es war eine schicksalhafte Begegnung. Die beiden, die zuvor kaum voneinander wussten, hatten von Stund’ an nur noch Augen und Ohren füreinander und konnten nicht mehr voneinander lassen.“


Nüchterner formuliert wird dieser Geburtstag von Maximilians Mutter im September 1998 Grundstein für ein gemeinsames Leben. Gräfin Stephanie, eigentlich „not amused“ von der Einladung, ist spontan begeistert von dem jungen Archäologie-Studenten Maximilian, der förmlich übersprudelt mit ganz vielen Geschichten. Beeindruckendes Wissen zu vielen Bereichen, der Humor und eine sprühende Lebendigkeit des jungen Freiherrn mit der damals ausgesprochen eigenwilligen Frisur schlagen sie in den Bann. Maximilian geht es nicht anders. Er hat nur Augen für diese Gesprächspartnerin – und obwohl ein guter Freund dem Paar an diesem Abend nicht von der Seite weicht, nehmen beide seine Anwesenheit eigentlich nicht wahr.

Dennoch: Sechs Monate, „gefühlte Jahre“, vergehen dann bis zum Wiedersehen der beiden. Nicht zuletzt, weil der junge Baron im Prüfungsstress steckt. Dann ist es eine Verabredung zum Bonner Kabarett „Die Springmaus“. Der Herr Baron von Fürstenberg kommt von der Jagd vorbei, stellt seine Sachen bei den Adelmanns in die Ecke – und geht nicht wieder fort. Kein Roman-text, sondern 1999 gelebte Wirklichkeit. Ein halbes Jahr, nachdem sie offiziell liiert sind, verlobt sich das Paar. Hochzeit gehalten wird am 14. September 2002, und auf Schloss Hugenpoet, dem Erbe des Freiherrn, trifft sich dazu das Who is Who aus deutscher Aristokratie und Wirtschaft. Empfang mit 600 Gästen, zum Hochzeitsmahle sind nur noch 200 zu Tische geladen. Die Vermählung der Gräfin mit dem Freiherrn verläuft standesgemäß. Der Tag verkraftet selbst ein Malheur: Auf der Kutschfahrt von der St.-Laurentius-Kirche in Mülheim-Mintard mit Fürstenberg’schem Familiengestühl bricht der Kutschbock zusammen und der Fahrer landet beim Hochzeitspaar fast auf dem Schoß. Die nehmen keinen Schaden und tragen’s lachend mit Humor – das rauschende Fest auf Hugenpoet kann steigen.
Das tägliche Leben der Brautleute in dieser Zeit ist weniger glanzvoll, sondern so, wie bei jedem anderen Studentenpaar auch. In Bonn-Poppelsdorf haben sie an einer stark befahrenen Hauptstraße eine 53-Quadratmeter-Wohnung be-zogen und sehr individuell bestückt. Ein alter Küchentisch aus den Abstellkammern auf Hugenpoet wird Essplatz, Unmengen Bücher verwandeln sich mit Glasplatten in selbstgebaute originelle Möbel. Mit von der Partie ist Stephanies alter Hund. Der drückt dem Lebenstempo seinen Stempel auf – er ist so langsam beim Gassigehen, dass Herrchen stets ein Buch mitnimmt und abends unter jeder Laterne einfach liest.


„Wir haben in einem Loch gehaust. Es war extrem eng, aber selbst erfunden, sehr gemütlich und charmant“, erinnert sich die Baronin heute lachend.


Und es hatte einen zusätzlichen großen Pluspunkt: den eigentlich dunklen kleinen Balkon. Darauf kann Maximilian seine botanische Leidenschaft pflegen. Dennoch: Das Poppelsdorfer Leben findet ein Ende, als 2004 die Erstgeborene Elisabeth Baronesse von Fürstenberg zur Welt kommt. Die Familie bezieht in Bonn eine größere Wohnung, dort wird 2005 als „Christkind“ Stammhalter Friedrich Leopold geboren. Benannt nach dem ersten auf Hugenpoet geborenen Fürstenberg-Ahnen. Mittlerweile hat Baron Maximilian sein Studium abgeschlossen und steigt in die Verwaltung des Familienbetriebes derer von Fürstenberg in Essen ein. Also sucht man hier die neue Bleibe und findet sie 2006 in Kettwig über dem Kindergarten St. Josef und einem Kinderheim in der alten Scheidt’schen Villa. Hier fühlt sich die junge Familie rundherum wohl, hier wird 2007 Sohn Karl Constantin geboren.


„Obwohl unter uns ein Kindergarten und ein Kinderheim waren, hatte ich das Gefühl, wir sind immer die Lautesten“, erinnert sich Baronin Stephanie an diese Zeit in einer „wunderschönen Wohnung in wunderschöner Umgebung“.


In dieser Zeit wächst auch bei den Freiherrn von Fürstenberg die Kinderschar: 2010 kommt der dritte Sohn zur Welt und wird auf einen traditionsreichen Namen getauft: Raban, wie Stephanies Vater, ein alter Familienname derer von Adelmann von Adelsmannsfelden. Und Maximilian, wie Vater und Vorväter der Fürstenberg-Linie. Die Hand voll macht 2012 schließlich noch das zweite Töchterchen Philippa. Mittlerweile ist die Familie jedoch 2008 nach dem plötzlichen Tod von Maximilians Vater Adolf in die Familienvilla nach Düsseldorf umgezogen. Denn das Erbe Hugenpoet ist für das normale Leben heute nicht gemacht.

Man schreibt das Jahr 1831, als Clemens Freiherr von Fürstenberg aus einer Zwangsversteigerung einen neuen Besitz ersteht: Schloss Hugenpoet. Kein Haus von großer Bedeutung weiland, doch nahe an Schloss Borbeck. Dort residiert Clemens. Sein Vater Friedrich Leopold auf dem Familiensitz in Herdringen hat es als Heimat für seinen Zweitgeborenen 1826 erstanden. Doch es ist die Zeit der beginnenden Industrialisierung – die Schwerindustrie beginnt, Schloss und Park in Borbeck förmlich zu umzingeln. Das neu erworbene Hugenpoet wird für Clemens’ Sohn Friedrich Leopold Geburtsort und neuer Hauptsitz. Mit ihm erlangt es seine spätere Bedeutung als Herren-Schloss und wird Grundstein für die Hugenpoet-Linie derer von Fürstenberg. Bis zum heutigen Schloss-Herrn Baron Maximilian mit  seiner Gattin Baronin Stephanie. Im 19. Jahrhundert also bringt es Hugenpoet mit Friedrich Leopold zu ganz neuem Glanz.

Das Schloss wird Mittelpunkt eines herrschaftlichen Dreigestirns aus Borbeck, Hugenpoet und Schloss Horst. Dies zählt seit 1706 zum Fürstenberg’schen Besitz, in der Erbgestaltung der Familie fällt es Friedrich Leopold zu. Doch Horst in Gelsenkirchen, der erste Renaissance-Bau im gesamten Gebiet, steht inzwischen auf wackeligen Fundamenten: Der Kohlebergbau im 19. Jahr-hundert senkt das Schloss ab. Und so rettet Friedrich-Leopold, was zu retten ist: Er baut das alte Barockschloss Hugenpoet von 1872 bis 1879 komplett um – analog zu Horst im Stil der Neo-Renaissance. Hier bekommen auch die wertvollen Kamine aus Schloss Horst eine neue Heimat. Schon ein-mal hatte Hugenpoet an der Nahtstelle zwischen Kettwig und Mülheim in der alten Gemeinde Laupendahl Auferstehung gefeiert: Im 30-jährigen Krieg wird Hugenpoet zerstört. Um 1648 beginnt der kostspielige und langwierige Wiederaufbau. 1696 wird er vollendet durch die Eigentümer, das Adelsgeschlecht Nesselrode, das im Haus bis heute sichtbare Spuren hinterlässt.

Die majestätische Innentreppe mit Torbogen aus einheimischem Ratinger Dolomitstein stammt aus jener Zeit. So atmet das Schloss heute Geschichte buchstäblich auf Schritt und Tritt. Clemens, der erste Schlossherr aus der Fürsten-berg-Linie, steuert passend zu seiner Zeit Kopien der Ahnen-Bilder aus der sauerländischen Heimat Herdringen bei. Aus zeitgemäß düsteren Portraits wachen gestrenge Köpfe noch immer über Kommen und Gehen im altehrwürdigen Gemäuer. Die imposante Schlosstreppe und die repräsentativen Räume im Erdgeschoss empfangen die Besucher, die den Weg über die Brücke zum Schlosstor finden – damals wie heute. Hier lebt man im 19. Jahrhundert als adelige Familie, eingebunden in eine ganz eigene Gemeinschaft und von den Ressourcen, die man auf seinem Grund und Boden hatte, weiß Maximilian Freiherr von Fürstenberg um die Bedingungen seiner  Vorfahren. Familie von Fürstenberg betreibt Land- und Forstwirtschaft. Um das Schloss herum leben Bauern, die seit Generationen dazu gehören. Gärtnerei und Dachdecker, Schreinerei und Schmiede zählen ebenso selbstverständlich dazu, wie Hauspersonal mit Köchin und Kindermädchen. Es wird ausgebildet, nicht nur in den Männerberufen, auch die jungen Mädchen aus den umliegenden Häusern ab-solvieren in der Hauswirtschaft ihre Lehrjahre im Schloss. Hier bekommen sie einen allseits anerkannten Schliff fürs Leben – übrigens noch bis weit hinein ins 20. Jahrhundert.

Überhaupt hinterlässt das Leben von einst seine Spuren: Als Hugenpoet Mitte der 1950er-Jahre umgebaut wird, trifft der Kettwiger Dachdecker Solle einen alten Handwerker. Der ist da bereits über 90 Jahre und war selber  noch dabei, als Friedrich Leopold in den 1870er-Jahren das Schloss ausbaute. Damals für ein warmes Essen und zwei bis drei Zigaretten am Tag. Das Schloss ist nicht nur Mittelpunkt des Lebens und Treibens in der Gegend, sondern Heimat für die Großfamilie. In den 1930er-Jahren heißt das für den damaligen Baron Maximilian, den Großvater des heutigen Schlossherrn, dies: Auf Hugenpoet lebt er mit zwei unverheirateten Brüdern, vier ledigen Schwestern plus vier Tanten, die niemals in den Hafen der Ehe eingelaufen waren, unter einem Dach. „Diese Zustände wollte mein Großvater angesichts seiner geplanten Hochzeit seiner künftigen Frau Anna nicht zumuten“, schmunzelt der Enkel. Für die Verwandtschaft werden eigene Häuser gesucht, unter anderem eine Villa in Düsseldorf, die später der Familiensitz wird. Maximilian gibt 1939 seiner Anna das Ja-Wort und führt sie auf sein Schloss.

Kein Glück von langer Dauer – der Krieg verändert alle Pläne, die Familie muss zu Beginn der 1940er-Jahre Schutz im Sauerland suchen. Schloss Hugenpoet mit seiner besonderen Lage, die sich aus alter Tradition leicht schützen lässt, wird der-weil genutzt von der Organisation Todt, die von hier aus den Krieg im Ruhrgebiet mit organisiert. 1945 kehren Maximilian und seine Frau Anna zurück nach Hugenpoet. Hier erblickt im gleichen Jahr ihr Sohn Adolf, der Vater des heutigen Barons, das Licht der Welt. Die Familie von Fürstenberg muss sich auf Hugenpoet ganz neu arrangieren: Die Kriegsnutzung hat ihre Spuren hinterlassen, zudem sind noch immer viele Fremdarbeiter hier  untergebracht.

Diese Menschen nehmen die Fürstenbergs ganz selbstverständlich in das gute Verhältnis, das die Schlossherren traditionell zu ihren Leuten pflegen, auf. So hilft Baronin Anna persönlich, als eine schwangere Frau ihre Tochter entbindet. Zu diesem Mädchen, erinnert sich jetzt der Enkel Maximilian, behielt die Großmutter bis zu ihrem Tode 2009 den Kontakt. Dennoch geht es bei weitem nicht privat zu auf Hugenpoet. 1946 wird die Kunst aus dem zerstörten Museum Folkwang ins Schloss ausgelagert. Die Familie zieht sich in die oberen Etagen zurück, das Erdgeschoss mit seinen ursprünglichen Repräsentationsräumen dient bis 1953 als Museum. Das weckt Begehrlichkeiten und so steht Großvater Maximilian manches Mal mit der Waffe bereit, um Einbrecher zu vertreiben, kennt der Enkel den Einsatz seiner Vorfahren.

 


Die Jahre aber zeigen es: Schloss Hugenpoet ist als ständiger Wohnsitz für eine Familie in dieser Zeit einfach nicht mehr geeignet. Und so fassen Maximilian Freiherr von Fürstenberg und seine Ehefrau Anna den Entschluss, mit ihrer Familie umzusiedeln. Ihre neue Heimat wird die Düsseldorfer Villa, die Maximilian vor der Hochzeit eigentlich für den unverheirateten Familien-Clan angeschafft hatte. Und Hugenpoet? Was wird aus dem bisherigen Familiensitz? Da hilft ein Freund der Familie: Kurt Neumann, erfahrener Hotelier, ist der Ideengeber: Das Schloss könnte als Luxus-Hotel eine neue standesgemäße Zukunft haben. Und so geschieht es auch: Schloss Hugenpoet wird umgebaut und 1955 als Hotel für die feine Gesellschaft neu eröffnet.
Es ist offenbar ein ganz besonderer Zauber, der dem altehrwürdigen Haus in seiner neuen Rolle als Luxus-Hotel inne-wohnt. Den angestammten Baronen als Schlossherren folgen die Industrie-Barone, die nun als zahlungskräftige Gäste auf Hugenpoet ein- und ausgehen, ihre Familienfeiern hier abhalten und ihre Firmen-Events ausrichten.
So verzeichnet das Gästebuch von Beginn an klangvolle Namen aus Kultur, Wirtschaft und auch Politik. Schauspieler Paul Henckels, der Professor Bömmel aus der legendären Feuerzangenbowle, lebt hier bis zu seinem Tod 1967. Er ist nicht nur Hugenpoet, sondern auch seinen Besitzern verbun-den, hinterlässt das Buch „Der Musterknabe“ mit einer persönlichen Widmung für Großvater Maximilian. Sir Peter Ustinov beehrt besonders gerne Schloss Hugenpoet, beweisen die Annalen. Die Geigen-Virtuosin Ann-Sophie Mutter trägt sich ebenso in die Gästeliste ein wie die britische Pop-Gruppe Spice Girls. Bundeskanzler Helmut Kohl wählt das Haus als Quartier für einen Aufenthalt im Revier.
Auch Krupp-Patriarch Berthold Beitz ging auf Hugenpoet ein und aus. Um den legendären Essener Unternehmens-Chef rankt sich eine besondere Erzählung: Immer wenn Beitz einen Nachwuchs- Manager für Krupp sucht, stellt er ihn im feinen Schloss-Hotel auf den gesellschaftlichen Prüfstand.

Weiß der Aspirant sich dort an-gemessen zu benehmen, weder überfordert noch hochfahrend, hat er die Bewährungsprobe für den Einsatz im großen Konzern bestanden, erinnern sich Zeitzeugen schmunzelnd.
Das Ambiente des zauberhaften Schlosses bietet alle Möglichkeiten: Geschäftsessen oder Empfänge, Gala-Dinner oder rauschende Bälle – die Umgebung adelt die Feste und die Gäste gleichermaßen. Im Haupthaus wohnt der Besucher herrschaftlich: Die 19 Zimmer, die in den ehemaligen Familien-Gemächern entstanden sind, vereinen den Charme des ursprünglichen alten Mobiliars mit den Annehmlichkeiten des modernen Komforts, ohne die ursprüngliche Atmosphäre zu zerstören. In den Nebengebäuden entsteht ergänzend ein weiteres Zimmerkontingent – das Schloss allein kann die Nachfrage nach Zimmern auf Hugenpoet nicht mehr erfüllen. Auch die Bewirtung ist schließlich First Class, ein Michelin- Stern leuchtet über der Küche. Den erkocht in den 1980er-Jahren Hans Dietrich Marzi mit einer modernen frischen und kreativen Küche. Das bedeutet einen besonderen Durchbruch für das Schloss-Hotel – Hugenpoet wird in den elitären Club der Luxus-Hotels und -Restaurants „Relais & Chateau“ aufgenommen und gewinnt dadurch weiter an Bedeutung.

Hier tanzen die Ruhr-Barone, die mächtigen und reichen Lenker der heimischen Industrie beim Sommerfest oder der Silvester-Gala. Je exklusiver der Ruf des zauberhaften Renaissance-Schlosses wird, desto höher wird für andere Menschen die Hemmschwelle, über die Brücke zu kommen und das Schlossportal zu durchschreiten. Aber seit jeher war Hugenpoet in seiner Heimat fest verankert, Mittelpunkt für die Menschen. Die will man nun also auch wieder gewinnen.
Die Idee dazu heißt „Hugenpöttchen“: Ein neues Restaurant ohne Sterne, aber mit exquisiter Landhaus-Küche in der ehemaligen Remise, soll die buchstäbliche Schwellenangst senken.

Erika Bergheim – der Name bürgt auf Schloss Hugenpoet für guten Geschmack. Seit 2003 verwöhnt die Küchenchefin, die auch schon mit einem Michelin-Stern dekoriert wurde, ihre Gäste im Hugenpöttchen mit feinster Landhaus-Küche. Dabei erinnert sie sich durchaus einmal an Omas Rezepte – zum Beispiel beim köstlichen Schnibbelbohneneintopf, verrät sie schmunzelnd. Und weil zu einem perfekten Essen ein besonders guter Wein gehört, dürfen sich Hugenpoets Gäste auch da auf beste Beratung verlassen: Restaurantleiter Björn Zimmer wurde vom Deutschen Weininstitut als bester deutscher Sommelier ausgezeichnet. Übrigens: Er serviert Württemberger Weine aus dem Hause Adelmann von Adelsmannsfelden.

 

Schließlich ist ein neues Jahrtausend angebrochen und die Zeiten auch hinter den altehrwürdigen Mauern ändern sich.Dazu zählen neue Gesichter: Dem kulinarischen Pionier auf Hugenpoet, Hans Dietrich Marzi, folgt die ambitionierte Erika Bergheim. Sie bewahrt im Schloss den Stern und erfindet für eine moderne Bewirtung im alten Pferdestall eine gleichermaßen hochrangige wie bodenständige Küche. Die Präferenzen sind klar: Man diniert höchst exklusiv im „Nero“ im Schloss oder man geht einfach mal köstlich essen im charmanten Hugenpöttchen. Heute ist das „Nero“ wieder Geschichte, das Hugenpöttchen ins Haupthaus ein-gezogen – die Nachfrage bestimmt das Angebot. Auch das Hotel breitet sich aus: Neben den 19 Zimmern im Haupt-haus entstehen in den Nebengebäuden neue Refugien. Das traditionelle Schloss-Ambiente mit seinen Himmelbetten und wertvollen alten Truhen in den ehemaligen Gemächern der Familie von Fürstenberg wird ergänzt durch ebenso besondere, aber moderner gestaltete Unterkünfte in den früheren Wirtschaftstrakten.

Oder im alten Turm – die große Suite „Villa Türmchen“ bietet als abgeschlossene Unterkunft im traumhaften Park auch komfortables Wohnen für einen längeren Aufenthalt.
Im 21. Jahrhundert angekommen, ist das alte Schloss mittlerweile absolut modern aufgestellt – und dabei gleichzeitig mehr denn je der angestammten Tradition verbunden: Familie von Füstenberg hat sich von allen Pächtern verabschiedet und drückt dem Hotel nun den eigenen Stempel für den Weg in eine neue Zukunft auf.
Nach so vielen bedeutsamen Persönlichkeiten wird das Publikum im Schloss damit auch jünger. Das bringen allein die fünf kleinen Barone und Baronessen mit sich. Denen ist der angestammte Familien-Besitz zwar nicht Heimat, aber auch die Kinder sind eng mit dem Schloss verbunden. Elisabeth und Philippa, Friedrich Leopold, Karl Constantin und Raban Maximilian – bei allen fünf kleinen Fürstenbergs steht Schloss Hugenpoet in der Taufurkunde.

 

Gesa Brenneken – sie ist jung, energisch, zielstrebig und selbstbewusst und sie ist die Statthalterin der Familie von Fürstenberg auf Schloss Hugenpoet. Mit ihren 33 Jahren dreht sie als junge Direktorin das Schwungrad im Fünf-Sterne-Superior-Hotel in Essen. Die junge Frau an der Spitze des 80 Menschen starken Orchesters, das das luxuriöse Hotel bespielt, hat gemeinsam mit den eigentlichen Schlossherren ein Ziel: Wer auf Schloss Hugenpoet Gastfreundschaft genießen mag, der ist im ganz traditionellen Sinne dort König – oder natürlich Königin. Das nötige Know-how dafür hat Gesa Brenneken bei der internationalen Steigenberger-Hotelkette und im Fernstudium von der Pike auf gelernt.

Das ist ebenso Familien-Tradition wie das Taufgewand von 1863. Nur auf das Mützchen mussten die Nachfahren von heute verzichten. Denn bis ins 19. Jahrhundert taufte man wenige Stunden nach der Geburt die ganz winzigen Säuglinge, um auf jeden Fall ihre Seelen zu retten. Da ist heute bei den Freiherren von Fürstenberg in ihrem Glauben an die katholische Kirche mehr Vertrau-en auf die göttlichen Anforderungen eingekehrt. Ganz viel neues Leben jedenfalls wollen die angestammten Besitzer und aber noch frischgebackenen Hotel-Betreiber dem alten Schloss einhauchen. Dazu zählen viele neue Firmen, die hier nun statt der ehemaligen Industrie-Riesen ihre Events veranstalten können.

Die Lage dafür gilt als perfekt – gleichermaßen im Rhein-Ruhr-Raumzentral zu erreichen, wie wunder-bar abgeschlossen und idyllisch mit seinem großen Park. Zu dem führt heute wie in alten Tagen der Weg nur über die große Brücke. Diesen einstigen Garanten für die Sicherheit der Bewohner zu überschreiten lohnt sich auch für heutige Eroberer – auch wenn die Beute dabei gewiss anders aussieht als dazumal. Dennoch gehört zum Beispiel Schmuck dazu: Gemeinsam mit Uhr-Kraft aus Kettwig kann man im Workshop auf Hugenpoet die ganz individuelle Armbanduhr selber bauen. Koch- und Patisserie-Kurse mit Erika Bergheim, Backen für Kinder oder ein Krimi-Dinner – das alte Schloss heißt Jung und Alt mit neuen Ideen willkommen.

Ohne auf die angestammten Highlights zu verzichten, bei denen das ehr-würdige Gemäuer seinen ganzen Charme ausspielt: Weihnachten auf Hugenpoet oder die Silvester-Gala im Schloss werden ebenso wie der Sommernachts-Ball immer etwas ganz Besonderes bleiben. Denn Hugenpoet ist etwas Besonderes. Für die Familie Fürstenberg nun seit fast 200 Jahren. Und 2015 nun auch schon 60 Jahre als Hotel. Guter Grund zum Feiern.

Fotos: Ralf Schultheiß

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr